Die enge Tür

Wort zum Sonntag

Vor Jahren sah ich den Film „Scheherezade“. Eine Szene blieb mir im Gedächtnis haften. Der Kalif von Bagdad suchte sich eine Frau. Diese sollte die idealen weiblichen Körperformen besitzen. Um das festzustellen, wurde in eine Bretterwand die Idealfigur des weiblichen Körpers hineingeschnitten. Die Bewerberinnen mussten der Reihe nach durch diese Form schreiten. Siegerin konnte nur die werden, deren Leib genau in diese Form passte. Eine nach der anderen versuchte ihr Glück, doch ohne Erfolg. Die einen waren entweder zu dick oder zu dünn, die anderen zu groß oder zu klein. Schließlich gelang es nur der Scheherezade, ungehindert durch diese Form zu schreiten. Sie allein besaß die erwünschte körperliche Idealfigur und wurde die Frau des Kalifen.

Einem ähnlichen Vorgang müssen wir uns einmal alle unterwerfen. Dieses kündet uns Christus mit den Worten an: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen!“ Die Himmelstür wird also so eng sein, dass nur derjenige hindurchkommt, der die von Gott verlangte „Idealgestalt“ hat. Natürlich handelt es sich nicht um körperliche Ausmaße, sondern um die „geistige Gestalt“. Es kann einer so beliebt sein wie Papst Johannes XXIII. und trotzdem ohne Schwierigkeit die „enge Tür“ passieren. Es kann auch einer so dünn sein, dass er, wie der Teufel im Märchen, durch das Schlüsselloch schlüpfen kann, und dennoch in der „engen Tür“ steckenbleibt.

Diese Himmelstür ist nicht nur eng, sondern auch sehr niedrig. Nur Menschen, die im Leben das „Sichbücken“ gelernt haben, werden durch die niedrige Tür schreiten können. Ein Gelehrter sagte zu einem Geistesmann: „Ich habe so viel in Büchern über Gott gelesen und studiert, aber Er ist mir noch nicht begegnet.“ Der Geistesmann antwortete: „Dann hast du dich noch nicht genug gebückt.“

Wer von Hab- und Genusssucht aufgebläht ist und wem der Stolz ein steifes Rückgrat verursacht, der kann sich nicht durch die enge und niedrige Tür zwängen. Auf solche Menschen treffen die Worte Christi zu: „Viele werden sagen: Herr, wir haben doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt!“ Er wird erwidern: „Weg von mir! Ihr habt alle Unrecht getan!“

Nehmen wir uns keinesfalls den indischen Großmogul Akbar zum Vorbild. Dieser rief im Jahre 1580 den Jesuitenmissionar Aquaviva an seinen Hof, um sich im Christentum unterrichten zu lassen. Aufmerksam hörte er den Lehrvorträgen zu und versprach, sich taufen zu lassen. Doch es kam nie dazu. Warum? Seine zwei Hauptfehler hinderten ihn daran: Stolz und Sinnlichkeit. Auf das Drängen des Missionars war seine ständige Antwort: „Eure Lehre ist zu rein. Meine Sitten sind zu unrein und mein Leben zu verdorben für diese Religion.“ Wer begierig in die Schuhe dieses indischen Großmoguls schlüpft und in ihnen unbekümmert durchs Leben latscht, braucht sich nicht zu wundern, wenn für ihn die Himmelstür zu eng und zu niedrig sein wird.
Was sollen wir tun? Viele unterziehen sich einer Schlankheitskur, um ihre schlanke Linie zu bewahren oder um sie wiederzugewinnen. Sie essen wenig fette Speisen und Süßigkeiten, dafür aber mehr Obst und Gemüse. Daneben turnen sie eifrig, sind begeisterte Anhänger des Aerobic, um die Glieder geschmeidig zu erhalten. Tun wir dasselbe auf der geistig-religiösen Ebene. Richten wir unsere Wünsche, die oft einseitig nur materielle Güter zum Inhalt haben, mehr auf geistige und religiöse Werte. Das macht uns geistig schlank. Zwängen wir das sinnliche Begehren in die von den Geboten Gottes vorgegebenen Schranken. Das ist eine geistige Schlankheitskur, die immer erfolgreich ist.

Betreiben wir eifrig geistige Aerobic. Beugen wir uns gerne vor Gott und seiner Kirche. Manche Menschen benehmen sich vor Gott und der Kirche gegenüber so steif, als ob sie einen Pfahl verschluckt hätten. Halten wir uns in religiösen Dingen nicht für klüger als Papst und Bischof. Akzeptieren wir ihre Ermahnungen und Anleitungen. Gehen wir nicht „hochnäsig“ durchs Leben.
Mit Hilfe dieser geistigen Schlankheitskuren nähert sich unsere geistige Erscheinung der „geistigen Idealgestalt“, die von uns erwartet wird. Ruft uns Gott schließlich zur Generalprobe, werden wir sie gut bestehen. Geschmeidig und leicht werden wir durch die enge und niedrige Himmelstür in das Reich der Seligen eintreten.