Die Krux mit dem Akzent

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Ich lebe seit den 70ern in Düsseldorf, stamme aus dem rumänischen Banat und bin zweisprachig aufgewachsen: Mit meinem Vater und den meisten Kindern auf der Straße sprach ich Rumänisch, mit meiner Mutter unterhielt ich mich jedoch in der Sprache Goethes, was bei vielen meiner rumänischen und ungarischen Nachbarn große Bewunderung hervorrief: „Er ist noch so klein und spricht schon Deutsch!“, staunten sie voller Ehrfurcht, als ich zwei, drei Jahre alt war.

Im Laufe der Jahre lernte ich Französisch, Englisch und Spanisch, und ich komme auch mit Italienisch gut klar. So kann ich mich in vielen Ländern mit den Einheimischen in ihrer Muttersprache unterhalten, was jedoch gelegentlich zu einigen Missverständnissen führt. Als ich letzte Woche einer alten französischen Dame in einem Pariser Bistrot bei einer Unterhaltung erklärte, ich sei Deutscher, begann sie herzhaft zu lachen: „Bonne blague, monsieur! Guter Witz! Und nun sagen Sie mir bitte die Wahrheit! Vous êtes Italien, n’est-ce pas? Sie sind Italiener, oder?“ Und diese rhetorische Frage war durchaus symptomatisch, denn die Franzosen halten mich meist für einen Italiener, während man mich in Italien wiederum für einen Spanier hält, und in Spanien für einen Portugiesen. „Your slavic accent is very charming! Ihren slawischen Akzent finde ich sehr charmant“, sagte schon so mancher Brite zu mir. Da kriege ich manchmal die Krise, oder besser gesagt die Identitätskrise.

Ja, die Krux mit dem Akzent, davon können wohl alle Auswanderer ein langes Lied singen. Denn, wie es so schön heißt, ein Emigrant ist einer, der alles verloren hat, bis auf seinen Akzent.
Aber es gibt zum Glück auch noch ganz andere Situationen. Ich liebe Belgien und fahre oft ins nahegelegene Hohe Venn, nach Baraque Michel, Robertville oder Spa, um in der dortigen Berglandschaft von der Hektik Düsseldorfs zu entspannen. Was ich bei meinen wiederholten Kurztrips immer wieder festgestellt habe: Die französischsprachigen Belgier sind wohl mit einer Menge Laissez-faire gesegnet, denn mein Akzent, wenn ich mich in der Sprache Voltaires und Napoleons mit ihnen unterhalte, ist ihnen völlig schnuppe. Keine Ahnung, wieso – vielleicht, weil sie selbst Französisch mit Akzent sprechen, logischerweise mit einem belgischen. Sie haben noch nie versucht, mich einer Nation zuzuordnen, was mich bisweilen ziemlich nachdenklich stimmte.

„Monsieur, möchten Sie nicht vielleicht wissen, was ich für ein Landsmann bin?“, fragte ich neulich meinen Tischnachbarn im Café Aux délices in Robertville, mit dem ich mich über die uns umgebenden Wandergebiete unterhielt.

„Non, pourquoi?! Nein, wieso?!“, fragte mich der Mann erstaunt, und fuhr fort, über die Schönheit der Landschaft zu schwadronieren.

Also, ehrlich gesagt: So viel Desinteresse an meiner Person fand ich dann am Ende auch etwas merkwürdig.