Die nationalen Minderheiten nach 1945

Konferenz zu Geschichte mehrerer Kulturgemeinschaften in den Jahren des Kommunismus

Das Forschungsinstitut für Fragen der nationalen Minderheiten Klausenburg (ISPMN) hat bereits eine ganze Reihe von Büchern zu verschiedenen Minderheiten herausgebracht.

Den nationalen Minderheiten in Rumänien nach 1945 war die Konferenz gewidmet, die, vom Demokratischen Verband der Ungarn in Rumänien (UDMR) in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Fragen der nationalen Minderheiten Klausenburg/Cluj-Napoca (Institutul pentru Studierea Problemelor Minorităților Naționale - ISPMN) veranstaltet, am 26. und 27. Oktober in Neumarkt/Tg. Mureș stattgefunden hat. In dieser siebenbürgischen Stadt wurde die Veranstaltung im Museum in der renovierten Burg ausgetragen, weil der Historiker Csaba Zoltán Novák, derzeit UDMR-Senator, vom hiesigen „Gheorghe-Șincai“-Forschungsinstitut kommt. Bei der Konferenz referierten Historiker, Politikwissenschaftler, Soziologen, Anthropologen und Journalisten über verschiedene Themen einzelne nationale Minderheiten betreffend. Desgleichen wurden mehrere Neuerscheinungen des Forschungsinstitutes vorgestellt, über die Tataren bzw. die Türken in der Dobrudscha, die Italiener sowie die Juden in Rumänien, nebst den drei Bänden, die eine chronologische Geschichtsdarstellung aller Minderheiten enthalten.

Als ein Vorhaben der Tagung nannte der UDMR-Vorsitzende Hunor Kelemen in der Eröffnungsansprache die Klärung der Aspekte der Vergangenheit in den Beziehungen Staat – Minderheiten. István Horváth, der Leiter des Minderheiten-Forschungsinstitutes, erwähnte, dass die Minderheiten am Anfang des kommunistischen Regimes, vom internationalen Kontext beeinflusst, differenziert behandelt worden sind, die unterschiedliche Behandlung in den 70er Jahren aber verloren gegangen ist. Der damals einsetzende Nationalkommunismus hatte die Assimilation nicht als Absicht, er schuf jedoch die Bedingungen dafür. Auch wurde der Begriff Nation durch ethnische Charakteristiken definiert und die nationalen Minderheiten ausgeschlossen und auch in den öffentlichen Anprachen separat – mit der bekannten Floskel „români, maghiari, germani și alte naționalități“ – bezeichnet. Anders als in Jugoslawien zum Beispiel, wo sich die unterschiedlichen Völker in der „jugoslawischen Nation“ wiederfanden und eine transethnische Identität möglich war.

Den Einleitungsvortrag über die Minderheitenpolitik in Rumänien in der Zeitspanne 1945-1989 hielt – als Gastgeber – Csaba Zoltán Novák. Er ging auf die unterschiedliche Behandlungsweise der Minderheiten in der Zeit bis zum Friedensabschluss ein, sodann nach 1948, als anhand des „Klassenkampfes“ die Minderheiten nicht nur einem Elitenwechsel sondern auch wirtschaftlichen und politischen Umstrukturierungen ausgesetzt waren. Nach der Resolution in der nationalen Frage von Dezember 1948 begann die Umsetzung des stalinistischen Modells in der Minderheitenpolitik, die Deutschen wurden in den Umwandlungsprozess der Gesellschaft integriert, es wurde die Ungarische Autonome Region geschaffen, um die ungarische Minderheit durch deren neue Elite und eigene Strukturen im Griff zu haben, doch war auch eine neue Antisemitismus-Welle manifest. Nach der Revolution in Ungarn 1956 werden alle Bestrebungen einer wie auch immer gearteten Eigenständigkeit der Gemeinschaft als „Isolationismus“ abgestempelt und die Personen mit dergleichen Haltungen als „Nationalisten“ geahndet. Unter Ceaușescu kam das Modell der „Integration in die sozialistische Nation“ auf, das in den 1970er Jahren zu Homogenisierungsbestrebungen führte. Für die neuen Eliten der Minderheiten wurde die bis dahin gepflegte doppelte Identität – Loyalität zur KP und Dienst zugunsten der eigenen Minderheit – unmöglich, denn im Verständnis des Nationalkommunismus konnten nur ethnische Rumänen der kommunistischen Nation angehören. Das Integrationsmodell der Minderheiten scheitert und führt dazu, dass die Minderheiten als Risikofaktor betrachtet wurden.

Die Anderen

Am ersten Tag der Konferenz kamen nach dem Einführungsvortrag sodann sehr unterschiedliche Aspekte aus der Geschichte verschiedener Minderheiten zur Sprache. Maria Dobrescu stellte die Aromunen vor, die Journalistin Iuliana Galeș vom Dositei-Obradovici-Lyzeum in Temeswar/Timișoara referierte über das Schulwesen in serbischer Sprache und Miodrag Milin (Tibiscus-Universität, Temeswar) über den Identitätswandel der Serben in Rumänien. Die Soziologin Ilka Veress (ISPMN) stellte die Ergebnisse einer Feldforschung über die Griechen im Dorf Izvoarele im Verwaltungskreis Tulcea vor, Mictat A. Gârlan präsentierte Intellektuelle der türkischen Gemeinschaften, Oana Burcea vom Hermannstädter Astra-Ethnografiemuseum referierte über die Wanderzigeuner in Südsiebenbürgen und ihre Wirtschaftsbeziehungen zu den Dorfbewohnern und die Verfasserin dieses Berichtes über die zwiespältige Politik des kommunistischen Staates gegenüber der deutschen Minderheit, insbesondere in der Frage der Ausreise. Der Historiker Attila Gido (ISPMN) ging auf die Wendepunkte in der Geschichte der Juden in Siebenbürgen ein und die Bemühungen, eine ungarischsprachige jüdische Gemeinschaft zu beleben, Levente Olosz stellte vorläufige Ergebnisse seiner Promotionsarbeit über die Bestrebungen zu einer Versöhnung zwischen jüdischen und ungarischen Intellektuellen in Siebenbürgen nach dem Holocaust und die Gründe für deren Scheitern vor.

Liviu Rotman (Professor an der Fakultät für Politikwissenschaften, Bukarest) sprach über die Situation der Juden im nationalkommunistischen Rumänien, steckte jedoch auch den allgemeinen politischen Rahmen des Nationalkommunismus bzw. des Bestehens der nationalen Minderheiten im kommunistischen System ab: Der Nationalkommunismus ist keine „Erfindung“ Ceaușescus, bereits Stalin hat ihn praktiziert, den der russische Nationalismus nicht störte, wohl aber Minderheiten, wie die Armenier u. a. Die Kommunistische Partei behauptete, das Nationalitätenproblem gelöst zu haben, das Gegenteil war jedoch der Fall, denn zwischen den Personen, die derselben Kulturgemeinschaft angehörten, gab es weiterhin gemeinsame Interessen, selbst wenn sie unterschiedliche soziale Stellungen hatten. Eine solch „ethnische“ Solidarität bildete sich auch in den sogenannten „demokratischen“ Komitees der Minderheiten (spätestens ab 1948/49 besaß jede Minderheit ein solches), die ein Transmissionsriemen der KP-Ideologie und Propaganda sein sollten. Diese Komitees schufen um sich herum eine Art Freiraum, der der Kontrolle der KP nicht unterlag, weshalb die Komitees 1953 aufgelöst werden – und in internen Gesprächen gaben die KP-Ideologen zu, dass sie den Kontakt zu den Minderheiten verloren hatten. Die „Solidarisierung“ hatte gemeinsame Sensibilitäten – der Genozid bei den Armeniern, der Holocaust bei den Juden, die Deportation bei den Deutschen – als Ursprung, die solidarische Haltung innerhalb der Minderheiten wurde als Gefahr betrachtet. Rotman warnte, dass der Nationalismus nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht aufgehört hat zu bestehen und auch im gegenwärtigen politischen Kontext von Bedeutung ist.

Die Ungarn

Verständlicherweise war die Mehrzahl der Beiträge der gastgebenden ungarischen Minderheit gewidmet, sicher auch, weil diese über zahlreiche Fachleute und Forscher in ihren Reihen verfügt. Sehr interessant waren die Beiträge zweier Anthropologen aus Miercurea Ciuc: Sándor Olah untersuchte die Beteiligung der auch in den Szeklerdörfern vorhandenen sozialen Unterschicht am „Klassenkampf“ bzw. am Mitteilen von Informationen über „Kulaken“ in den 1950er Jahren. Die Armen und sich benachteiligt Meinenden witterten Aufstiegsmöglichkeiten und wurden zu getreuen Durchführern der Anordnungen der KP, spielten somit also eine wichtige Rolle in der Transformation der Gemeinschaft bzw. der Werte. Jozsef Gagyi stellte die Veränderungen im Abhängigkeitsverhältnis sozialistischer Staat – Gesellschaft anhand der Elektrifizierung der Dörfer im Szeklergebiet vor. Zwei Beiträge behandelten sodann die Beziehung Kirche – Securitate: Der Pfarrer János Pál ging auf das Eindringen der Securitate in die Unitarische Kirche zwischen 1945-1965 ein, der Historiker Mihály Zoltán Nagy (Großwardein/Oradea) stellte das Wirken und die Bedeutung von Márton Àron vor, der nach der Haftentlassung 1955 als römisch-katholischer Bischof der Diözese Karlsburg/Alba Iulia vom Vatikan aber auch rumänischen Staat anerkannt wurde. Eingegangen ist der Redner desgleichen auf die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und kommunistischem Staat.

Der Historiker János Fodor und der Politikwissenschaftler József Lörincz, beide von der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg, gingen auf die Persönlichkeit von Géza Domokos ein, und zwar auf seinen Werdegang und sein soziales Wirken. Die Dissidenzkreise „Limes“ sowie jene rund um die Publikationen „Ellenpontok“ und „Kiáltó Szó“ untersuchten die Politikwissenschaftlerin Agnes Kiss (ISPMN) und der Forscher Csongor Jánosi (Universität Bukarest) anhand der Unterlagen der Securitate.

Bei einer derartigen Tagung können nicht alle nationalen Minderheiten zu Wort kommen und nur wenige Aspekte aus ihrer Geschichte besprochen werden, dennoch war es ein willkommener Informationsaustausch von Forschungsergebnissen. Ob diese sich auf die gegenwärtigen Beziehungen Staat – Minderheiten und den erneut aufflammenden Nationalismus auswirken werden, sei dahingestellt.