Die Pflege unseres kulturellen Erbes – ein „Muss“ für jede Heimatortsgemeinschaft

Gespräch mit Manfred Binder, Leiter der HOG-Regionalgruppe Burzenland und erster Vorsitzender der HOG Petersberg

Manfred Binder leitet seit 2019 die HOG-Regionalgruppe Burzenland. Foto: privat

Blick auf die evangelische Kirche in Petersberg/Sânpetru. Foto: privat

Bei der 38. Arbeitstagung der Regionalgruppe Burzenland der Heimatortsgemeinschaften (HOG), die Anfang April dieses Jahres in Crailsheim-Westgartshausen stattfand, wurde Manfred Binder als deren Leiter wiedergewählt. Es ist eine Bestätigung für seinen kontinuierlichen und unermüdlichen Einsatz zur Festigung der Gemeinschaft der Burzenländer Sachsen, die nun in Deutschland leben. 1959 in Zeiden geboren, konnte Manfred Binder in Petersberg bis zu seiner Aussiedlung nach Deutschland (1989) miterleben, wie wichtig die Nachbarschaft als soziales Gefüge für die Sachsen ist. Seit 2008 ist Binder Vorsitzender der HOG Petersberg, seit 2015 leitet er die Kreisgruppe Ingolstadt des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. Der gelernte Elektrotechniker, der bei Schäffler Technologies Ingolstadt tätig war, wird in seiner so vielseitigen Tätigkeit im Dienste der HOGs von Ehefrau Ingeborg Binder voll unterstützt. In dem mit Ralf Sudrigian geführten Gespräch geht es um das bisher Geleistete, um weitere Projekte – aber auch um Zukunftsperspektiven der Burzenländer HOGs.

Weshalb war es notwendig, eine Regionalgruppe der Burzenländer HOGs zu gründen?

Die Siebenbürger Sachsen haben schon immer in Nachbarschaften gelebt. Gemeinschaft und nachbarschaftliche Hilfe wurde großgeschrieben und wurde auch nicht hinterfragt. In der neuen Heimat war dies nicht anders, der einzige Unterschied zu früher: Wir leben verstreut in der ganzen Welt. Nichtsdestotrotz wollte man die alten Kontakte zu Freunden und Bekannten weiter pflegen. So entstanden die ersten Nachbarschaften und Heimatortsgemeinschaften (HOGs) außerhalb Siebenbürgens, die sich dann zu Regionalgruppen (RG) zusammengefunden haben.

Wie arbeiten die HOGs mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen zusammen?

Die HOGs und der Verband der Siebenbürger Sachsen arbeiten eng zusammen. Die Mehrheit der HOG-Mitglieder sind auch Mitglieder im Verband, und zwar in der jeweiligen Kreisgruppe vor Ort. Hier kann man sich mit Landsleuten aus vielen Teilen Siebenbürgens austauschen und unsere Bräuche weiter leben lassen und pflegen, teilweise auch neue kennenlernen. 

Wie finanzieren sich die HOGs? 

Die HOGs finanzieren sich unterschiedlich. In den meisten zahlen Mitglieder einer Nachbarschaft einen festgelegten Beitrag. Andere wiederum arbeiten mit den eingegangenen Spenden. Die HOG Petersberg z.B. hat einen Jahresbeitrag von zehn Euro pro Familie. Die Mitglieder spenden aber bereitwillig, was sie für angemessen halten. Sie erhalten jährlich im Dezember unsere „Petersberger Nachrichten“. Jahrelang wurde auch der Burzenländer Kalender mitversandt. Unlängst wurde die Broschüre zum „Zimmer Burzenland“ auf Schloss Horneck fertiggestellt, so dass wir sie jeder Familie zukommen lassen konnten. 

Was können die HOG für ihre Heimatorte im Burzenland unternehmen? 

Die Heimatortsgemeinschaften im Burzenland haben verschiedene Möglichkeiten, um ihre Heimatorte zu unterstützen und zu fördern: Kirche, Kirchenburg, Friedhof und andere Gebäude der Kirchengemeinde des Heimatortes müssen erhalten und gepflegt werden. Diese Aufgaben werden für die schrumpfende Heimatgemeinschaft immer schwerer zu bewältigen. Dies hat die HOG erkannt und organisiert in den Sommermonaten so genannte „Sommercamps“, z. B. die Zeidner Nachbarschaft oder Heldsdörfer Heimatgemeinschaft, die Reinigungs- und Aufräumarbeiten sowie kleinere Reparaturen vor Ort übernehmen. Auf den Friedhöfen werden Pflegearbeiten an Gräbern und Wegen durchgeführt. 

Die HOG Petersberg unterstützte die Reparatur der Orgel und Glocke durch Spenden. Ebenso beteiligt sie sich durch eine jährliche Spende bei der Pflege des Friedhofs in Petersberg. Die HG Kronstadt sieht ihre Aufgabe darin, sich aktiv an den Veranstaltungen vor Ort zu beteiligen und mit den von den Mitgliedern zur Verfügung gestellten Beiträgen und Spenden Aktivitäten örtlicher Organisationen zu fördern und finanziell zu unterstützen. Gespendet haben sie nach Kronstadt an das Altenheim Blumenau, an die Honterusgemeinde (für Jugendförderung) und an die Bartholomäer Kirchengemeinde. 

Dank der Spenden der HOG Brenndorf, und mit Eigenmitteln der evangelischen Kirchengemeinde Brenndorf und Fördermitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ist es gelungen, die Kirche in Brenndorf in vier Etappen von 2013 bis 2019 zu renovieren.

Es gibt viele weitere Aktivitäten und Maßnahmen, die die HOGs für ihre Heimatorte im Burzenland unternehmen können.  Letztendlich hängt es von den Interessen, Ressourcen und Zielen der jeweiligen HOGs ab, wie sie ihre Gemeinschaft am besten unterstützen können. 

Wie kann das siebenbürgisch-sächsische Erbe aus Sicht einer HOG gepflegt werden? 

Die Heimatortsgemeinschaft (HOG) hat viele Bräuche und Traditionen in die neue Heimat umgesiedelt. Es ist ein Ziel der HOG, die siebenbürgisch-sächsische Tradition und Kultur neu aufleben zu lassen und als kulturelles Erbe weiter zu pflegen. Die Pflege sollte für jede HOG ein „Muss“ sein, denn sie trägt dazu bei, die Verbindung zwischen den Siebenbürgern außerhalb von Siebenbürgen und der Heimatgemeinschaft aufrecht zu erhalten.

Die HOG-Treffen in Deutschland und anderswo in der Welt tragen dazu bei, Traditionen und Brauchtum zu erhalten. Die siebenbürgisch-sächsische Dialekte sind ein wichtiger Bestandteil des Erbes. Die Mitglieder der HOGs sind bemüht, diese Dialekte an die jüngere Generation weiterzugeben. Durch kulturelle Veranstaltungen wie Theateraufführungen in Mundart wird dieses Bewusstsein gestärkt.

Es gibt zurzeit auf Radio Siebenbürgen einen Mundartkanal, der die Hörer für den sächsischen Dialekt sensibilisiert. Es wurde ein Aufruf an jede HOG im Burzenland gestartet, eine Radiosendung im Dialekt der Heimatgemeinde aufzunehmen. Die HOG Brenndorf und die Zeidner Nachbarschaft sind diesem Aufruf gefolgt und haben ihren Heimatort auf Radio Siebenbürgen in Mundart präsentiert. 

Die HOG kann in Siebenbürgen, im Heimatort, das Einrichten eines Heimatmuseums unterstützen, wo Dokumente und Informationen zur Geschichte und Kultur der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft gesammelt und präsentiert werden. Dieses kann eine Bildungs- und Forschungsquelle für diejenigen sein, die sich mit der Geschichte unserer Vorfahren auseinandersetzen möchten. Für die Ortschroniken und die Dokumentationen in den Heimatblättern sind diese Einrichtungen gute Informationsquellen. Durch den interkulturellen Dialog und den Erfahrungsaustausch können die Bindungen gestärkt und das Bewusstsein für das gemeinsame Erbe vertieft werden.

Die Reihe der Chroniken der Orte aus dem Burzenland hat sich mit der „Ortschronik Tartlau“ erweitert, die von der 9. Tartlauer Nachbarschaft 2022 fertiggestellt wurde. Es war ein Herzprojekt der Nachbarschaft. 

Seit 2021 gibt es „Heldsdorf. Eine aktualisierte Chronik“. Die Chronik hat einen Umfang von 444 Seiten mit 253 integrierten Bildern, ein griffbereites Nachschlagewerk. In der HOG RG Burzenland werden an Weihnachten und Pfingsten Heimatblätter der Mitglieds-HOGs herausgegeben. Jede HOG im Burzenland veröffentlicht mindestens ein Heimatblatt im Jahr.
Die HOG RG Burzenland ist bemüht, eine Trachtendokumentation der Burzenländer Trachten zu veröffentlichen. Sie betreibt außerdem Genealogieforschung, in fast allen HOGs der Regionalgruppe Burzenland gibt es einen Genealogie-Beauftragten. Viele Menschen interessieren sich für ihre familiäre Herkunft und ihre Vorfahren. Die HOG kann bei der Genealogieforschung behilflich sein, indem sie Informationen über Familienlinien, Ahnenlisten oder Stammbäume bereitstellen. Am Anfang befindet sich derzeit noch das Projekt der HOG RG Burzenland zur Inventarisierung der beweglichen Kulturgüter in den Heimatgemeinden des Burzenlandes.

Beim Erhalten des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes kann die HOG die Gemeinschaft in Siebenbürgen unterstützen, indem sie soziale Projekte und den Erhalt von Kirchen, Burgen und historischen Gebäuden fördert und mithilft. Dies kann dazu beitragen das Erbe lebendig zu halten und zukünftigen Generationen weiterzugeben. 

Bei der Tagung wurde auch ein altersbedingter leichter Rückgang der HOG-Mitglieder erwähnt. Wie gewinnt man die Jugend für die HOG?

Das natürliche Altern der Mitglieder einer HOG führt zum Rückgang der Mitgliederzahl, da nicht so viele junge Menschen bereit sind, diese entstandene Lücke aufzufüllen. Es ist deshalb entscheidend, unsere Jugendlichen für das siebenbürgisch-sächsische Erbe zu begeistern.

Information stellt sicher, dass die Jugendlichen über Geschichte, Kultur und Traditionen des Burzenlandes informiert werden. Wir müssen ihnen aber auch die Bedeutung ihrer Wurzeln näherbringen, denn die Jugend von heute soll dieses Erbe übernehmen und weiterführen. 

Die Jugend ist stark in sozialen Medien engagiert. Indem die HOG RG Burzenland eine aktive Präsenz auf Plattformen wie z.B. Instagram oder Facebook aufbaut, kann sie junge Menschen erreichen und über ihre Aktivitäten und Vorteile informieren. Durch das Organisieren von Freizeitaktivitäten in der HOG wie Sommerfeste, Sportturniere oder gemeinsame Ausflüge, die speziell auf die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen zugeschnitten sind, schafft man eine lockere Atmosphäre, in der junge Menschen die HOG und andere Mitglieder kennenlernen können. Es bietet auch die Möglichkeit, Netzwerke aufzubauen und Freundschaften zu schließen. Alle Aktivitäten sollten sowohl unterhaltsam als auch lehrreich sein. 

Den Jugendlichen sollte die Möglichkeit geboten werden, aktiv bei den Entscheidungsprozessen in der HOG teilzunehmen, Verantwortung zu übernehmen, um dann eigene Projekte im Rahmen der HOG umzusetzen. Durch kontinuierliche Bemühungen und eine aktive Einbindung der Jugendlichen kann die HOG RG Burzenland das Interesse und die Unterstützung junger Menschen gewinnen. 

Herzlichen Dank für Ihre Antworten!