Die Tabakspfeifenkoalition

Ein Plädoyer für genussfreundliche Politik

Symbolfoto: sxc.hu

Es haben sich mit Sicherheit bereits mehrere Frachtschiffsladungen Tabak in Rauch aufgelöst, seit man Politiker unterschiedlichster Couleurs noch regelmäßig bei Pressekonferenzen, Interviews und Rundtischgesprächen im Fernsehen Pfeife rauchen sehen konnte. Selbst den Zigarren- oder Zigarettenrauch hat der Zeitgeist vollkommen aus dem Fernsehgerät verweht. Die wahrscheinlich einzige Ausnahme stellt weiterhin der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmidt dar, der sich das Recht zu Rauchen bei TV-Auftritten wohl auf Lebenszeit gesichert haben dürfte.

In den glorreichen 70er-Jahren hat auch der Sozialdemokrat Helmut Schmidt nicht immer nur zur Zigarette, sondern gelegentlich auch zur Pfeife gegriffen. In einem zeitgenössischen TV-Porträt sieht man den damaligen Kanzler mit einer hellblauen Pfeife, die er als ein Geschenk des US-Präsidenten präsentiert. Schmidt hatte jedoch in der damaligen bundesdeutschen Politelite keineswegs den Alleinanspruch auf diesen Genuss: Sein großer Herausforderer und späterer Nachfolger als Bundeskanzler, der Christdemokrat Helmut Kohl, war ebenso passionierter Pfeifenraucher, wie der unvergessen streitbare, langjährige SPD-Fraktionschef Herbert Wehner oder der CDU-Doyen Kurt Biedenkopf.

Regiert es sich mit Pfeife entspannter?

Auch die Europäische Union, die ihre rauchenden Bürger heutzutage mit einer Hiobsbotschaft nach der anderen den Genuss auszutreiben versucht, hat eine Pfeifen rauchende Vergangenheit: 1973 bis 1975 war mit dem liberalen Niederländer Cornelis Berkhouwer ein passionierter Pfeifenraucher Präsident des Europäischen Parlaments. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat zu jener Zeit der Republikaner Gerald Ford, Präsident der USA von 1974 bis 1977, Pfeifen nicht nur an deutsche Kanzler verschenkt, sondern in erster Linie natürlich geraucht.

Eine Fernsehwahlwerbung für den Präsidentschaftswahlkampf zeigt ihn Pfeife rauchend im Kreise seiner Berater in seinen Amtsräumen. Dazu der Kandidat Ford im Originalton: „Ich habe versucht, im Oval Office eine entspanntere Atmosphäre zu schaffen.“

Doch „entspannteres Regieren mit Pfeife“ ist auch heute noch der Leitsatz mancher Regierungspolitiker: Das Königreich Dänemark, eines der Zentren europäischer Pfeifenkultur, hatte etwa mit dem liberalen Politiker Lars Løkke Rasmussen 2009 bis 2011 einen Pfeife rauchenden Regierungschef, der heute Oppositionsführer ist.

Teodor Paleologu (PDL), rumänischer Kulturminister von 2008 bis 2009, hat die Tabakspfeife sogar als Symbol in seinem Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters des ersten Bukarester Sektors im Vorjahr verwendet. Einer der Höhepunkte seiner Wahlkampagne war ein „Tabac Collegium“, bei dem jeder Teilnehmer eine Corn-Cob-Pfeife als Give-away erhielt.

Die Leidenschaft des Pfeifenrauchens wurde Teodor Paleologu übrigens bereits in die Wiege gelegt: Sein Vater, der unvergessene Schriftsteller, Diplomat und PNL-Politiker Alexandru Paleologu, war bereits passionierter Pfeifenraucher. Von ihm stammt auch die ironische Aussage: „Die Pfeife war natürlich immer auch eine Art Prestigeobjekt, das man im Mundwinkel hält wie ein Engländer, wie ein Admiral oder – wie ein Idiot.“

Mit Pfeife auf dem Wahlplakat – oder nur privat

Ob damals mit dem „Idioten“ eine konkrete Anspielung verbunden war, muss der Spekulation überlassen bleiben. Doch vielleicht war der Engländer, auf den Paleologu sich bezogen hat, Harold Wilson? Der Labour-Politiker und mehrfache Premierminister war nur gemeinsam mit seiner Pfeife vorstellbar und hat 1966 auf Wahlplakaten sogar auf die Darstellung seines Gesichtes verzichtet – zugunsten seiner Pfeife! Die Labour Party hat damals übrigens die Wahl deutlich gewonnen.

Die beiden europaweit derzeit bekanntesten amtierenden Pfeifenraucher sind wohl Karl Schwarzenberg und Heinz Fischer. Der moderat-konservative tschechische Außenminister Schwarzenberg ist seit der Wende 1989 in seiner Heimat politisch aktiv und sehr populär. Der 75-jährige enge Vertraute des seinerzeitigen Bürgerrechtlers und späteren Staatspräsidenten Václav Havel ließ sich für Wahlplakate mehrmals mit Pfeife ablichten. Zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen im Januar 2013, bei denen er mit 45,2 Prozent  der Stimmen einen sensationellen Achtungserfolg erringen konnte.

Österreichs Bundespräsidenten Heinz Fischer hat zwar in jüngster Vergangenheit nicht mehr mit Pfeife und Tabak Wahlkampf betrieben, doch seine Leidenschaft ist in der Bevölkerung weithin bekannt. Ein besonders schönes Stück seiner Pfeifensammlung stellte der Sozialdemokrat im Jahr 2006 für eine Versteigerung zugunsten des Roten Kreuzes zur Verfügung.

Rauchende Größen, jenseits der Ideologien

Die Zeit der 60er und 70er Jahre, in denen Menschen unabhängig von ihrer Weltanschauung ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit sakrosankt war, sind natürlich lange vorbei. Heute – ein halbes Jahrhundert später – scheint es einen überparteilichen Konsens in moralisierender Genussfeindlichkeit zu geben. Wie hoch die „Dunkelziffer“ rauchender Politiker, die sich von ihren Imageberatern das Rauchen in der Öffentlichkeit verbieten lassen, wirklich ist, bleibt natürlich ein Geheimnis.

Doch die Beispiele der amtierenden Politiker unserer „Tabakspfeifenkoalition“ geben den Imageberatern nicht zwingend recht: Heinz Fischer wurde zweimal hintereinander (2004 und 2010) mit über fünfzig Prozent zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. Karl Schwarzenberg fehlten 2013 nicht mal fünf Prozent auf die Hälfte der Stimmen. Teodor Paleologu gehört derzeit zu den wenigen Politikern seiner Partei, deren Worte gelegentlich auch außerhalb seiner deklarierten Stammwählerschaft auf offene Ohren stoßen und der kettenrauchende Helmut Schmidt ist heute – im 95. Lebensjahr und 30 Jahre nach dem Ende seiner Kanzlerschaft – in Deutschland beliebter denn je.

Würde der Pfeifenraucher Josef Stalin nicht seinen Schatten auf das entstandene Bild werfen, könnte man meinen, das positive Vorurteil, Pfeifenraucher wären immer ausgeglichene, ruhige und für ihre Besonnenheit geschätzte Menschen, sei korrekt. Oder ist Stalin bloß die Ausnahme, die die Regel bestätigt?

Arme rauchfreie Welt

Ob nun Pfeifenraucher allein aufgrund eben dieser Leidenschaft mit einer besonderen Qualifikation für politische Ämter behaftet sind oder nicht, muss gewiss jeder für sich beurteilen. Als ein Symbol für einen bestimmten Lebensstil sollte das Pfeifenrauchen jedoch tunlichst nicht zur Gänze aus dem Gedächtnis der Menschheit gelöscht werden.

Ebenso wie die Vorliebe für einen speziellen Kleidungsstil, eine bestimmte Frisur, einen spezifischen Freizeitsport oder ganz einfach die persönliche Art und Weise zu leben, waren und sind die Tabakkonsumgewohnheiten der Menschen seit jeher ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft. Die heutige Zurückdrängung der Tabakspfeife aus der politischen Öffentlichkeit ist ein Kollateralschaden in dem Krieg, den das genussfeindliche Establishment gegen die Zigarette führt.

So ist mit dem Rauch gewiss auch ein Stück Menschlichkeit aus der öffentlichen politischen Debatte verschwunden. In Zeiten, in denen hüben wie drüben die wachsende Kluft zwischen der sogenannten politischen Klasse und der in immer geringerem Maße demokratisch partizipierenden Bevölkerung beklagt wird, mag es sich beim allgemeinen, frustrierten Nachdenken über Lösungen eventuell lohnen, auch dieses Detail zu beachten.


Stefan Bichler (36), lebt in Hermannstadt/Sibiu und ist Gründer des „Hermannstädter Pfeifen- und Zigarrenraucherstammtisches“. Der Beitrag ist in rumänischer Sprache auf www.sibiupipecigar.blogspot.ro/erschienen.