Die vergessene Beitrittserklärung

Am 27. April 1919 versammelten sich Roma-Vertreter in Elisabethstadt

„Die Unterzeichner, Vertreter der rumänisch-siebenbürgischen Zigeuner, angehalten durch unsere Liebe dem rumänischen Volk und unserem neuen Vaterland Großrumänien gegenüber, erklären feierlich und für immer, und bitten gleichzeitig untertänigst, dass uns, die bislang gelitten haben, unsere Wünsche erfüllt werden.“


Mit diesen Worten beginnt die Erklärung der „Nationalen Versammlung der Zigeuner in Siebenbürgen“, die am 27. April 1919 in Elisabethstadt/Dumbrăveni (damals rum. Ibașfalău) abgehalten wurde. 89 Vertreter versammelten sich an jenem Tag vor 100 Jahren im Apafi-Schloss, das einst als Fürstenresidenz diente. Die Wünsche der Roma sind schon beinahe banal, stellt man sie den Forderungen der Sächsischen Nationalversammlung gegenüber. „Wir bitten auch darum, dass ab sofort in allen offiziellen Akten, für uns und unsere Nachkommen, nicht mehr die spöttische Bezeichnung „Zigeuner“ verwendet wird, und wenn sie nicht vollständig aus dem amtlichen Gebraucht gelöscht wird, sollte sie zumindest mit einer geeigneteren Bezeichnung umschrieben werden.“ Doch während sich in Mediasch die Vertreter eines Volkes versammelten, das sich jahrhundertelang selbst verwaltet hatte, ist die Geschichte der Roma in Siebenbürgen von Leibeigenschaft sowie als Bewohner zweiter Klasse geprägt.


Entsandt wurden die Vertreter von vorausgegangenen lokalen Versammlungen, die in den Tagen zuvor in mehreren Ortschaften Südsiebenbürgens sowie in Iclod (damals rum. Iclodu Mare/Kreis Somesch, heute: Klausenburg) stattgefunden haben. Wegbereiter zu diesen lokalen Versammlungen war der erste Roma-Kongress in Siebenbürgen am 16. Januar 1919 in Reps/Rupea (damals rum. Cohalm). Etwa 700 bis 800 Roma waren dem Aufruf des Organisationskomitees gefolgt und versammelten sich im Hotel Schlosser. Zu den konkreten Forderungen zählten Gleichberechtigung, Siedlungskolonien, Pflege für Invaliden und Witwen, Landzuteilung sowie Vertretung in der kommunalen Verwaltung. Laut Dr. Petre Matei, der bei Lucian Boia zu „Roma in Rumänien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Identität und Alterität“ promovierte, wurde die Versammlung von der rumänischen Presse kaum beachtet. „Es gab wenige Kommentare und diese variierten zwischen Neugier, Hohn und Wohlwollen.“ Allerdings wurden die Forderungen vom Regierungsrat für Siebenbürgen angenommen.


Auch die Versammlung in Elisabethstadt wurde von den rumänischen Behörden unterstützt. Die Abschlusserklärung ähnelt den bereits in Reps formulierten Forderungen. Die Vertreter demonstrierten ihre Loyalität gegenüber Rumänien und ihre Unterstützung für den Anschluss Siebenbürgens und forderten elementare Rechte sowie das Ende ihrer Diskriminierung und die Zuteilung von Land. Da die Roma nicht in der Lage waren, diese Forderungen selbst zu lancieren, beschworen sie stattdessen ihren Rumänismus. „Heißen sie uns im Schoß des großen rumänischen Volkes willkommen, nicht nur jene mit der rumänischen Sprache, Tracht und Brauchtum, sondern auch die anderen Einwohner zigeunerischer Herkunft, die diesen Charakter verloren haben und sich in allen siebenbürgischen Ländern, dem Banat und den ungarischen Gebieten befinden, welche sich nun Großrumänien angeschlossen haben.“


Wie Petre Matei erklärt, ist wenig über die Roma-Versammlungen von 1919 sowie ihre inneren Organisationsformen und ihre Legitimität innerhalb der Roma-Gemeinschaft bekannt. Er vermutet, dass es sich in erster Linie um Rudari und sesshafte Roma aus mehrheitlich sächsischen Ortschaften handelte. „Wir glauben, dass es keine zufällige Überschneidung war, dass die Mehrheit der delegierten Roma aus Ortschaften kamen, in denen die Rumänen keine Mehrheit stellten.“ Matei vermutet, dass die Roma von den Rumänen ermutigt wurden oder sich ihrerseits Unterstützung von den Rumänen und der rumänischen Regierung erhofften.


Eine Nachwirkung der Roma-Versammlung in der Zwischenkriegszeit gibt es nicht. Die Rumänen schenkten ihr keine weitere Aufmerksamkeit. Doch auch die Roma selbst zeigten kein Interesse, ihren Forderungen weiteren Nachdruck zu verleihen oder die Versammlung symbolisch zu nutzen und eine Geschichte zu erzählen – im Gegensatz zu den Rumänen, die die Große Nationalversammlung von Karlsburg/Alba Iulia später zum „Höhepunkt der rumänischen Geschichte“ stilisierten.