Die Wahrheit als Kostenfrage

Die teilweise Einweihung der Nationalen Kathedrale in Bukarest Ende November hat die Diskussionen um Sinn und Un-Sinn des megalomanischen Bauwerks wieder aufflammen lassen. Zu den wenigen Intellektuellen, die sich zu Verteidigern des Bauwerks und der – zumindest was Staatsgelder betrifft – verschwenderischen Rumänischen Orthodoxen Kirche (BOR) aufschwangen, gehört der Chefredakteur des von Andrei Pleșu gegründeten Intellektuellenblatts „Dilema veche“, Sever Voinescu (derselbe, der unlängst auch die Volksbefragung um die traditionelle Ehe vehement verteidigt hatte). Ansonsten konnte man fast durch die Bank feststellen, dass wenigstens die Intellektualität Rumäniens im Geiste eines laizistischen Staates lebt und denkt. Ein Hoffnungsschimmer in einer geistig in vieler Hinsicht noch im tiefsten Mittelalter befindlichen Landschaft.

In Richtung Dunkelhalten tut die rumänische Orthodoxie, was sie am besten kann. Und sei es auch nur, indem sie Halbwahrheiten verbreitet. Auch wenn es um die Kosten dieses megalomanen Kathedralenbaus geht. Gegenüber Mediafax behaupteten Wortführer der BOR, dass der (ziemlich geschmacklose) Riesenbau bis zur Fertigstellung des Altars und inklusive Mehrwertsteuer 110 Millionen Euro gekostet habe – zu gut 75 Prozent aus öffentlichen Mitteln. Anders gesagt: Warum so viel Aufhebens? Die BOR hat doch bloß 83 Millionen aus öffentlichen Säckeln eingeheimst!
Das haben Journalisten von safielumina.ro (Es werde Licht!...) nicht so auf sich beruhen lassen und sind den Geldflüssen Richtung BOR nachgegangen. Und eigentlich, so ihre Schlussfolgerung, haben allein die Regierungen Rumäniens an die BOR 82 Millionen Euro im Laufe der Jahre überwiesen, während die Rathäuser der Bukarester Stadtbezirke 1, 2, 3, 5 und 6 sowie das Oberbürgermeisteramt der Hauptstadt gemeinsam weitere 39 Millionen Euro überwiesen haben. Damit sind allein aus öffentlichen Geldern nachprüfbar 121 Millionen Euro an die BOR überwiesen worden. Andere Rathäuser oder Kreisräte Rumäniens, die gespendet haben, erst gar nicht dazugerechnet. Damit wird die Wahrheit der BOR zu einer Kostenfrage.

Längst vergessen ist die Grundstücksschenkung der Regierung Tăriceanu. 2005 erreichten die Grundstücke an der Calea 13 Septembrie Spitzenpreise von 2000 Euro/Quadratmeter. 2017, so Marktstudien im Immobilienwesen, kosten die Grundstücke dort, wo die Kathedrale errichtet wird, mindestens 817 Euro/qm – Richtpreis der Notare. Das geschenkte Grundstück ist 110.000 Quadratmeter groß, also rund 90 Millionen Euro wert.
Insgesamt beläuft sich die errechnete Gesamtsumme auf 211 Millionen Euro aus öffentlichen Geldern, aber eigentlich betragen die Gesamtkosten bisher rund 238 Millionen Euro, wenn es stimmt, was die BOR über ihren Eigenbeitrag von rund 27 Millionen Euro behauptet – aber es schadet auch nicht, daran zu erinnern, dass zum Baubeginn die BOR behauptet hatte, über die nötige Gesamtsumme bis zur Fertigstellung zu verfügen...

Es ist lohnend auszurechnen, wie viele Krankenhäuser, Schulen oder wie viel Kilometer Autobahn man mit diesen Staatsgeldern – unseren Geldern – hätte bauen können. Aber es ist irreführend und populistisch, wenn man solche Behauptungen in den Raum stellt, so wie jede fiktive Geschichte reinste Spekulation ist. Es dürfte weniger ausgefallen sein, wenn man Architekten fragt, wie viele Kathedralen – etwa vom Ausmaß jener von Alba Iulia – man mit diesem Geld bauen könnte. Weniger als vier kaum, ist die gängige Antwort.
Da kommen einem die protzigen Straßenkreuzer in den Sinn, mit denen die hohen Kleriker zur Weihe der Prunkkathedrale vorgefahren sind, aber auch die Tatsache, dass das Weihezeremoniell ausschließlich geladenen Gästen vorbehalten war und dass die BOR versucht hat, den Zugang der einfachen Gläubigen in den darauf folgenden Tagen unmöglich zu machen…