Dolmetscher für Arabisch

Gestern um 7.30 Uhr in der Früh war ich wieder bei der Polizei dolmetschen, sie holten mich schon um halb sieben aus dem Bett, denn sie brauchten mich dringend, diesmal nicht als Rumänisch-, sondern als Französisch-Dolmetscher. Ich trank auf die Schnelle einen Milchkaffee, aß ein Croissant, schwang mich aufs Fahrrad und düste zum Düsseldorfer Polizeipräsidium.

Zur Vernehmung auf der Kriminalwache wurde ein mutmaßlicher Straftäter aus Algerien aus seiner Haftzelle im angrenzenden Gefängnis gebracht, der aber, wie es sich rasch herausstellte, nur Arabisch sprach. Aber kein Wort Französisch, bis auf „Oui, je parle Français“. Da ich aber sowieso schon da war, dolmetschte ich trotzdem all das, was er zu sagen hatte. Das ging so: Der Kommissar stellte die Fragen auf Deutsch, ich übersetzte das Ganze ins Französische, was der Algerier jedoch nicht verstand. So half ich ein wenig nach, und vermittelte ihm das Ganze mit Händen und Füßen, alles gespickt mit einer merkwürdigen Esperanto-Sprache, die ich an Ort und Stelle erfand. Tu t’appelles comment? Nix, keine Antwort, Schulterzucken. Dann zeigte ich auf mich: Io traduttore, Dolmetscher, io Cornelius. E tu? Nuome, name! Ali? Muhammad? Aladdin? Daraufhin sagte er mir tatsächlich seinen Namen: Hakim. Hakim Sharif. Das gab ich dann an den Kommissar weiter: Hakim Sharif. Die Ermittlung des Geburtsdatums war wiederum sehr viel einfacher, da Hakim, um es zu benennen, bloß die arabischen Zahlen dafür auf ein Blatt Papier aufschreiben musste.

Nach der Feststellung der Personalien, wurde die Rechtsbelehrung durchgeführt. Er habe als Beschuldigter das Recht, sich zum Vorfall zu äußern oder zu schweigen. Er könne sich, wenn er es für nötig halte, auch einen Rechtsanwalt nehmen. Also Klartext auf Arabisch: Tu parlare o no hablar? Say what happened? Maybe you want advocatus? Lawyer? Russkyi advokat? Rechtsanwalt oder kein Rechtsanwalt? No lawyer, sagte Hakim. Me no criminale. Okay, sagte ich. Beschuldigung: You stole portefeuille. Brieftasche, wuups weg! Zeichen mit den Fingern, wie man eine Brieftasche in die Tasche verschwindet lässt. Yes? Oui? Dann fragte ich ihn auf Rumänisch und Russisch: Oder nein? Nu? Njet? Der Beschuldigte: Never! I njet criminal. Und so weiter.

Es lief also wunderbar, ich verstand alles, was der Algerier auf Esperanto-Arabisch sagte, und übersetze es für den Kommissar ins Deutsche. Aufgrund der besonderen Umstände dauerte die Vernehmung etwas länger als sonst, aber der Kommissar war ein geduldiger Mensch und wartete ruhig und gelassen. Und ich spickte mein Arabisch, in dem ich noch gar nicht so geübt war, um mir ein wenig auf die Sprünge zu helfen, nicht nur mit englischen, italienischen, spanischen, sondern, aufgrund meines osteuropäischen Ursprungs, selbstverständlich auch mit russischen und rumänischen Vokabeln. Der Beschuldigte hatte keine Probleme, mir zu folgen, stritt die Tat jedoch vehement ab. Hinzu kam, dass er die Brieftasche, bevor man ihn erwischte, hatte fallen lassen und man so kein corpus delicti bei ihm vorgefunden hatte, und da er auch nicht vorbestraft war, wurde der Staatsanwalt gar nicht mehr angerufen.

Am Ende haben der Beschuldigte und ich unter dem Vernehmungsprotokoll unterschrieben, und ich auch noch dafür, nach bestem Wissen und Gewissen gedolmetscht zu haben. Dann ließ man Hakim Sharif wieder laufen, und ich durfte nach Hause gehen. Der Kommissar jedoch nicht, denn es war Samstag, und in der Altstadt herrschte ein riesiges Gedränge, also warteten noch andere mutmaßliche Taschendiebe ohne festen Wohnsitz in ihren Haftzellen auf die Vernehmung. Aber mich brauchte man, wie gesagt, nicht mehr, denn sie sprachen wohl alle Deutsch. Aber vielleicht auch nicht, vielleicht hatte der Kommissar ja gerade durch mich gelernt, wie man mit jeder  beliebigen Fremdsprache klarkommt, und brauchte ab sofort keinen Dolmetscher mehr.