Edles Tobsdorfer Chorgestühl in Mediascher Margarethenkirche

Abschluss der Restaurierung durch Fachkräfte aus Hildesheim gefeiert

Inmitten der lichtdurchfluteten evangelischen Margarethenkirche zu Mediasch nimmt sich das Tobsdorfer Chorgestühl als schmucker Blickfänger aus. Foto: der Verfasser

Ein hölzerner Gegenstand von biblischem Alter und kunsthistorisch unermesslichem Wert stand im Zentrum des Festgottesdienstes, den die Evangelische Kirchengemeinde A.B. in Mediasch am Sonntag, dem 4. November, in der Margarethenkirche im lokalen Kirchenkastell feierte. Am viertletzten Sonntag des ersten Kirchenjahres nach der Erfüllung des 500jährigen Jubiläums der Reformation bewahrheitete sich in Mediasch der über lange Jahre von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) und von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) im Bundesland Niedersachsen gemeinsam gehegte Traum der Wiedereinweihung des 1537 vom Schäßburger Meister Johannes Reychmuth angefertigten Chorgestühls aus der evangelischen Kirche von Tobsdorf/Dupuș. Dem Anlass entsprechend traf sich in der Mediascher Margarethenkirche eine um zahlreiche Gäste erweiterte Gottesdienstgemeinde, die den kirchlichen Festtag mit der Feier des Heiligen Abendmahls sowie mit freudiger Chor- und Orgelmusik ausführlich beging.

Stadtpfarrer Gerhard Servatius-Depner begrüßte die Gastgeber aus Mediasch und ihre aus Hermannstadt/Sibiu, Kronstadt/Brașov, Budapest, Köln und weiteren in- und ausländischen Städten angereisten Gäste mit folgenden Worten: „Es gibt bei diesem Fest nur Gewinner.“ Am 22. Oktober 2018 war das von Johannes Reychmuth mit wunderschönen Blockintarsien versehene und durch die HAWK Hildesheim während sieben Jahren in minutiöser Feinarbeit restaurierte Tobsdorfer Chorgestühl in Mediasch eingetroffen, wo es nun die linke Innenwand des Chorraumes der evangelischen Margarethenkirche ziert. Ähnlich wie die Schwarze Kirche in Kronstadt ist auch die Mediascher Margarethenkirche für ihre zur Betrachtung aushängenden anatolischen Teppiche weithin bekannt. Um eine Überbelastung des optischen Gesamtbildes zu verhindern, hatte die evangelische Kirchengemeinde Mediasch beschlossen, einige auf der linken Wandseite des Chorraumes hängende Teppiche abnehmen zu lassen, um die neuen alten Farbmuster des Tobsdorfer Chorgestühls zukünftig an einem von restlichen Ablenkungen freien Standort erstrahlen lassen zu können. Die auf diese Art und Weise erfolgte Verlegung hängender Teppiche hatte zur Folge, dass die Mediascher Kirchengemeinde den einschlägigen Rat des Teppichkompetenz-Zentrums der evangelischen Kirchengemeinde Kronstadt, die in derartigen logistischen Fragen über ein Vielfaches an Erfahrung verfügt, einholte. Aus diesem Grund war auch die Koordinatorin des Büros für Kulturerbe der Schwarzen Kirche, Dr. Ágnes Ziegler, unter den Gästen des Festgottesdienstes in der Mediascher Margarethenkirche anwesend.

Vonseiten des Begegnungs- und Kulturzentrums „Friedrich Teutsch“ der EKR in Hermannstadt nahmen Kulturreferentin Gerhild Rudolf und Museumsleiterin Heidrun König an der festlichen Wiedereinweihung des Tobsdorfer Chorgestühls in Mediasch teil. Eine diesbezüglich wichtige Schlüsselrolle hatte 2002 der technische Leiter des Teutsch-Hauses Hans-Jürgen Binder inne gehabt, da er kunsthistorisch versierten Gästen vonseiten der HAWK Hildesheim den Tipp gegeben hatte, das seinerzeit in der evangelischen Kirche in Großau/Cristian aufbewahrte Tobsdorfer Chorgestühl einer eingehenden Betrachtung und Begutachtung zu unterziehen. Dr. Dipl.-Rest. Ralf Buchholz, Leiter der Restaurierungswerkstatt Möbel und Holzobjekte, und die Koordinatorin der Abteilung Konservierung und Restaurierung an der Fakultät Bauen und Erhalten der HAWK, Prof. Dr. Gertraud Maierbacher-Legl, bestätigen, dass der Zustand des Chorgestühls zum Zeitpunkt seiner Wiederentdeckung grenzwertig vom Holzwurm befallen gewesen war. Die Wiedereinweihung des drei Meter hohen und mehr als vier Meter breiten Chorgestühls war auch für die Ehrengäste der HAWK eine Sternstunde.

Nach guter alter Mediascher Tradition trugen viele Menschen zum erfolgreichen Gelingen des Festes bei. Reinhart Guib, Bischof der EKR und vormaliger Stadtpfarrer der Mediascher Kirchengemeinde, predigte von der Kanzel aus, dass Gott „uns weder als Pragmatiker noch als Fundamentalisten, dafür aber als allzeit miteinander auf dem Fundament namens Jesus Christus beratende Gemeinde wissen möchte“. Bezeichnend, dass der beherzt Violine spielende Stadtpfarrer Gerhard Servatius-Depner, Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner, Pfarrerin Bettina Bija-Kenst und Bischof Guib zu viert durch den Mediascher Festgottesdienst führten. Gleichfalls ist auch der musikalisch wertvolle und unverzichtbare Einsatz von Kantorin Edith Toth hervorzuheben, die am Orgelpositiv und an der Johannes-Hahn-Orgel der Margarethenkirche sowie auch als Chorleiterin aus den vollen Registern ihrer reichen kirchenmusikalischen Führungserfahrung schöpfte.

Eine zeitlich ausgedehnte Episode des Festgottesdienstes wurde den Gästen vonseiten der HAWK gewährt. Prof. Dr. Gertraud Maierbacher-Legl trat an das Lesepult des Chorraumes der Margarethenkirche, gab einen überaus spannenden Abriss der erfolgreich abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten und erwies den Kunstwissenschaftlern der HAWK Ralf Buchholz, Christine Fiedler und Susanne Karius jeweils eine persönliche Würdigung mittels der Überreichung eines Exemplares des im Schiller Verlag herausgegebenen Bildbandes „Siebenbürgen. Bilder einer Reise II“ von Peter Jacobi. Je ein solches Buch erhielten auch sieben aktuelle Studierende der HAWK, die sich mit persönlichem Einsatz an entscheidenden Stellen um die glückliche Beendigung des Großprojektes verdient gemacht haben. Prof. Dr. Maierbacher-Legl war hochzufrieden, erklären zu können, dass über 70 Studierende der HAWK während der acht Jahre dauernden Restaurierungsarbeiten Hand an das Tobsdorfer Chorgestühl angelegt hätten. Mit Sicherheit haben die Kunsthandwerker der HAWK Hildesheim es hoch verdient, auf das Ergebnis ihrer Arbeit stolz zu sein.

„Wir bleiben Siebenbürgen erhalten und schauen uns derweil nach einem neuen Projekt um“, gab Prof. Dr. Maierbacher-Legl unzweideutig zu erkennen. Seit bald 20 Jahren halten die HAWK und das Landeskonsistorium der EKR Kontakt miteinander. Nicht zuletzt verdient die in deutscher und rumänischer Sprache verfasste Ausstellung „Das Tobsdorfer Chorgestühl und seine Restaurierung“, die ab sofort in der Mediascher Margarethenkirche besichtigt werden kann, Erwähnung. Auch gilt die freundlich-warnende Auflage, die Sitzflächen des restaurierten Chorgestühls nicht für ihren ursprünglichen Zweck zu nutzen. Ein sanftes Berühren des Tobsdorfer Chorgestühls mit der Hand ist auf freundliche Nachfrage möglich, ein Betreten jedoch allen Gastgebern und Besuchern gleichermaßen untersagt. Trotzdem bieten dessen Anblick und die Erinnerung an seine Wiederentdeckung allen Interessenten ausreichend Gelegenheit zur Freude. Letzteres brachte Stadtpfarrer Gerhard Servatius-Depner während der festlichen Mittagstafel in der Mediascher Gaststätte „Zur Traube“ poetisch einleuchtend auf den Punkt: „Durch Liebe und Arbeit und sehr viel Gefühl/strahlt heute wie einst das Tobsdorfer Gestühl!“. Auf dem Link www.hawk.de/de/newsportal/hawk-tv-und-radio/das-wunder-von-tobsdorf wartet die hochinteressante Geschichte des prestigeträchtigen Kirchenmöbelstückes darauf, entdeckt zu werden. Das „Wunder von Tobsdorf“ hält sein Versprechen.