„Ehrlichkeit währt am längsten“

ADZ-Gespräch mit dem Kronstädter Lokalrat Arnold Ungar

Arnold Ungar vollendete sein Rechtsstudium in Deutschland, wo er auch den Namenswechsel durchführte (Ungureanu/Ungar). Der ehemalige Geschichtslehrer hat große Achtung vor dem rumänischen Königshaus, daher trägt er immer ein Abzeichen mit der Krone. Seine Bewunderung gilt aber auch der militärischen Disziplin, und dafür steht das Tatzenkreuz, das Zeichen der Bundeswehr.

Auch in dieser Legislaturperiode ist das Lokalforum Kronstadt im Stadtrat mit zwei Mitgliedern vertreten. Christian Macedonschi ist bei seinem zweiten Mandat, der zweite Vertreter, Arnold Ungar bei seinem ersten als Ratsmitglied, bringt aber eine lange Erfahrung als Beamter im städtischen Verwaltungsapparat mit. Über die Schwierigkeiten und Herausforderungen dieses Amtes sprach mit Arnold Ungar ADZ-Redakteur Hans Butmaloiu.

Der Name Arnold Ungureanu war vor einigen Jahren in der Kronstädter Lokalpolitik gut bekannt. Danach zogen Sie sich eine Zeit aus dem politischen Leben der Stadt zurück. Heute sprechen wir mit Arnold Ungar, Stadtrat seitens des Lokalforums Kronstadt. Was ist in der Zwischenzeit geschehen?

Zwei Dinge! Einmal gab es Entwicklungen außerhalb meiner Person und dann gab es das, was mir geschehen ist. Ich habe mich langsam zurückgezogen, als ich gesehen hatte, wie die rumänischen Parteien funktionieren. Dazu erlaube ich mir einen einzigen Hinweis auf die täglichen Mitteilungen der Antikorruptionsbehörde DNA und füge nichts mehr hinzu. Das war nichts für mich, also habe ich mich zurückgezogen und bin meiner Wege gegangen. Nach 2008, als ich auch mein Rechtsstudium abgeschlossen hatte und Forumsmitglied wurde, habe ich eingesehen, dass man mitmachen kann, ohne Kompromisse zu machen, wie es im Falle der politischen Parteien ist. Als Argument beschränke ich mich auf einen Hinweis: Es gib kein in Gremien gewähltes Forumsmitglied, welches auch nur unter dem Verdacht der DNA stand oder steht. Also habe ich mich dazu entschlossen, denn schon meine Mutter hat es mir eingetrichtert und der Alltag beweist es immer wieder: Ehrlichkeit währt am längsten! Ich war damals aus der Politik ausgetreten, denn ich konnte damals schon bemerken, dass um mich herum nach anderen Regeln gehandelt wurde. Jetzt kann ich sagen: Ich habe richtig entschieden.

Sie haben sich bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr für eine Stelle im Stadtrat gestellt. Was hat Sie dazu bewogen?

Es ist sehr einfach: Zehn Jahre lang war ich in der Stadtverwaltung in leitender Stellung, zeitweilig auch als Stadtsekretär, und kenne die Befugnisse, Pflichten und Rechte der Beamten und Stadträte in- und auswendig. Ich war es, der den Stadträten die Unterlagen ausarbeitete und vorlegte, ich war es, der für den Stadtrat die rechtlichen Grundlagen erörterte. In den letzten zwölf Jahren jedoch hatte sich sehr viel verändert und der Stand bewog mich, mich zu entscheiden. Diesen Zustand möchte ich näher beschreiben: Bis jetzt, da hatte der Bürgermeister einen Stadtrat mit Mehrheit aus seiner Partei, die vor ihm Habtacht standen, sodass er absolute freie Hand hatte. Das konnte man sehen, das sieht man jetzt aus den Gerichtsverfahren und dem, was die DNA unternimmt. Dazu haben aber auch Gespräche mit meinem jetzigen Stadtratskollegen Christian Macedonschi beigetragen, der sich bei mir gelegentlich auch Rechtsberatung holt.

Auf diese internen Abläufe, der eigentlichen Arbeit als Stadtrat, bitte ich Sie, etwas näher einzugehen.

Diese waren ungefähr so: Drei Tage vor der Ratssitzung, in welcher über 80 Punkte der Tagesordnung abgestimmt werden sollte, bekamen die Mitglieder die Unterlagen. Nicht immer vollständig. Das ist völlig ungenügend, um über-haupt lesen zu können, über was abgestimmt wird. Dazu kommt, dass die angestellten Beamten des Bürgermeisteramtes, welche diese Unterlagen verfassten, nicht ihrer Pflicht nachkamen, den Ratsmitgliedern zu erklären, welches die Rechtsgrundlagen der vorgeschlagenen Punkte sind. Das ist die Pflicht des Rechtsapparates des Bürgermeisteramtes: Diese Grundlagen zu erklären und die Punkte so zu verfassen, damit diese den Gesetzen entsprechen. Kurzum: Das war nicht der Fall! Und ist auch jetzt noch nicht immer der Fall! Die Abstimmung erfolgt dann nach Anweisung des Fraktionsführers, sehr oft, wenn nicht meistens, in völliger Unkenntnis des Gegenstandes der Abstimmung.

Damit haben Sie ein wenig vorgegriffen, denn die nächste Frage ist: Inwieweit haben die Ratsmitglieder berufliche Kompetenzen für die Ämter, welche sie in den Fachausschüssen besetzen, oder über-haupt für die zur Abstimmung vorgelegten Punkte der Tagesordnung?

Vielleicht muss ich da ein wenig genauer sein: Der Rechtsapparat des Bürgermeisteramtes hat die Pflicht, die Rechtmäßigkeit der Vorschläge zu prüfen und zu erklären. Dann stimmen die Räte über den Punkt ab, je nach ihrer Meinung oder der Meinung ihrer Partei, wobei bei einem Punkt über Verkehr, zum Beispiel, nicht jedes Mitglied die notwendigen Fachkenntnisse hat. Dafür sind die Fachausschüsse da, welche die Richtigkeit der Vorschläge zu prüfen haben, und da gibt es erhebliche Probleme. Und gerade jetzt habe ich auch ein gutes Beispiel für diese Sachlage: Im Bereich der Johannisgasse/Sf. Ioan, also in der Inneren Stadt, zentraler geht es nicht mehr, wird zurzeit gearbeitet: Fahrbahn, Bürgersteig, Leitungen, Abfluss, einiges wird ersetzt, anderes wird umgebaut. Doch das gesetzlich vorgesehene Schild mit Nummer der Genehmigung des Stadtrates, Gegenstand der Arbeiten, durchführendes Unternehmen, Fristen und so weiter fehlte.

Mein Kollege, Herr Macedonschi, reichte einen Antrag ein, mit der Aufforderung, dass der Bürgermeister erklären soll, was dort passiert. Danach wurde schnell-stens ein Schild aufgestellt, von dem jedoch das Wesentliche fehlt: die Nummer der Baugenehmigung. Der Bürgermeister erklärte, es soll ein neuer Fußgängerbereich angelegt werden, doch das bedeutet, laut Gesetz, eine Änderung im Bebauungsplan (Rumänisch PUZ: plan urbanistic zonal), den es nicht gibt. Außerdem sieht das Gesetz in solchen Fällen auch die Befragung der Bewohner vor, die ja dort leben, vielleicht ein Auto haben, also für ihre Straße ein Mitspracherecht haben. Aber es wurde über ihre Köpfe hinweg entschieden. In wessen Interesse und für wessen Nutzen, stellt sich da der betrogene Bürger völlig zurecht die Frage. Denn der Zustand ist zur Stunde völlig außerhalb des gesetzlichen Rahmens. Dieses Beispiel zeigt, wie noch gearbeitet wird, wie entschieden wird und dass in den Ausschüssen nicht immer die richtigen Fachleute vertreten sind.

Es sind sieben Ausschüsse, Haushalt und Wirtschaft verfügt über Fachleute, aber in dem für Gesundheitswesen haben wir keinen Arzt, in dem für Stadtplanung, um mein Beispiel zu rechtfertigen, keinen Architekten, geschweige denn einen Stadtplaner. Im übrigen: Im ganzen Stadtrat haben wir keinen Architekten. Im Rechtsausschuss ist ein einziger vom Fach, aber es ist nicht der Vorsitzende. So geht das nicht. Der Bürger muss wissen: Jede Gemeinde oder Stadt funktioniert mit zwei Elementen, d. h. eine Exekutive, der Bürgermeisterapparat, und eine Legislative, der Lokal- oder Stadtrat. Letzterer entscheidet, was und wie gemacht werden soll, und der Bürgermeister mit seinem Apparat führt das aus. Bei uns ist es noch genau umgekehrt: Der Bürgermeister bringt seine Vorschläge vor den Stadtrat und dieser genehmigt sie. Das hatte üble, sehr üble Folgen! Denn ohne Rechtsaufsicht wurden Beschlüsse gefasst, welche jetzt Stoff für die Strafverfolgung sind. Das hätte nicht passieren dürfen: Wenn die Rechtslage richtig ist, passiert so etwas nicht, ohne Rechtsaufsicht stehen die Türen für Übergriffe und Fehler weit offen.

Mit anderen Worten: Hat die Exekutive unbeaufsichtigt handeln können?

Genau!

Was haben Sie sich für die Zeit Ihres Mandats vorgenommen? Welches sind ihre wichtigsten Pläne?

Um zu dem gesetzlich vorgesehenen Stand zu kommen: Welches sind die genauen Pflichten von Bürgermeister und Stadtrat? Zweitens: die Stadtbewohner müssen wissen, dass sie sich immer an die Stadträte wenden können, wenn sie Unzufriedenheiten haben. Drittens: In der ganzen Stadt wird gebaut, was an sich nicht schlecht ist. Doch ich habe nicht die Sicherheit, dass all die Baustellen auch dem gesetzlichen Rahmen und den Auflagen entsprechen. Um zusammenleben zu können, haben die Menschen schon immer Gesetze aufgestellt, doch diese müssen auch eingehalten werden. Wäre Kronstadt in den letzten zwölf Jahren nach Gesetzen regiert worden, so hätte der Bürgermeister nicht mittlerweile drei Strafverfahren vor Gericht. Aufsicht hat Vorrang, denn Nachsehen ist schmerzhaft. Wir, die Stadträte, die vom Bürgermeister nicht abhängig sind, haben die Aufgabe, ihm auf die Finger zu sehen, damit die Abläufe rechtmäßig verlaufen.
Und noch etwas, was mir sehr am Herzen liegt: Transparenz in den Handlungen. Transparenz und Gesetzmäßigkeit bewahren vor Amtsmissbrauch und Korruption. So einfach ist es!

Herr Ungar, wir danken für Ihre Ausführungen.