Ein Erfolg im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit

Triale Ausbildung – ein Sondermodell der dualen Ausbildung

Schon seit 2012 wird an der Deutschen Berufsschule Kronstadt im dualen Berufsausbildungssystem unterrichtet. Zu diesem Zweck wurde das Gebäude der ehemaligen Berufsschule des Kugellagerwerkes in Kronstadt/Braşov vollkommen saniert und neu eingerichtet. Initiator des Projektes war der Deutsche Wirtschaftsklub Kronstadt, Vorsitzender Werner Braun
Foto: Hans Butmaloiu

Seit mehreren Jahren bemüht sich Rumänien, auf Initiative der deutschsprachigen Wirtschaftsklubs in unserem Land das duale Berufsausbildungssystem nach deutschem Vorbild zu übernehmen, um akute Ausbildungsdefizite sowie Defizite der schulisch-professionellen Lehrpläne auszuschalten und letztendlich beruflich solide ausgebildete Arbeitnehmer in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu haben – bzw. dass sich die Unternehmen diese selber möglichst nach eigenen Zielsetzungen und Bedürfnissen ausbilden. Unser Mitarbeiter Thomas Wagner stellt im Folgenden die Grundzüge des erfolgreichen österreichischen Modells vor, das in vieler Hinsicht sogar für Deutschland beispielhaft sein kann. Mit Sicherheit kann in einem Staat wie dem rumänischen auch einiges davon übernommen, anderes angepasst werden.

Wird das so genannte „duale Ausbildungssystem“ weit über die Grenzen Deutschlands hinweg bei jeder sich bietenden Gelegenheit hochgelobt und anderen Ländern zur Nachahmung empfohlen, geht man in Österreich noch einen Schritt weiter: Dort gibt es zwar auch die duale Ausbildung mit ihrer Verzahnung zwischen Lernen in der Schule und Lernen im Betrieb. Zusätzlich hat die österreichische Bundesregierung seit 1991 aber eine gesetzlich verbriefte Ausbildungsgarantie eingeführt. Das heißt: Jeder Jugendliche hat einen Rechtsanspruch auf eine Lehrstelle – und das ist europaweit einzigartig. Die Frage stellt sich allerdings: Kann’s jeder den Österreichern so einfach nachmachen? Denn: Das Ganze kostet Geld. Viel Geld. Konzentriert ist Daniela Kell, Anfang 20, bei der Arbeit – in der Küche des ehemaligen Nobelrestaurants „Steyrer Eck“, mitten in der Altstadt von Wien. Längst ist der bekannte Gourmettempel weggezogen. Nun gehören Küche und Restauranteinrichtung dem Bildungsträger „Jugend am Werk.“ Der betreibt hier einen jener staatlichen Lehrbetriebe für Jugendliche, die auf dem freien Ausbildungsmarkt keine Stelle gefunden haben.
Gerade in der Gastronomie ist das nichts Ungewöhnliches, erklärt Wolfgang Bamberger von „Jugend am Werk“: „Zum einen stimmt es, dass Betriebe sich ein wenig aus der Ausbildung zurückgezogen haben. Zum anderen merken wir schon, dass im Bereich der Gastronomie ein Wechsel passiert: Es ist eine saisonale Geschichte. Das heißt: Es gibt gerade im Städtebereich einen Städtetourismus, der in gewissen Bereichen boomt und in anderen weniger ausgeprägt ist.“

Staatlich finanzierte Lehrwerkstätten

Deshalb tun sich manche Restaurants und Hotels schwer, Lehrstellen anzubieten. Der Weg zu einem Ausbildungsplatz führt daher für interessierte Jugendliche häufig über den „Arbeitsmarktservice Österreich“, einer Organisation, vergleichbar der deutschen Bundesagentur für Arbeit oder den staatlichen rumänischen Büros zur Arbeitskräftevermittlung OJFM. Der nämlich garantiert in Österreich – und das ist europaweit einzigartig – jedem Jugendlichen eine Lehrstelle, wenn er denn eine haben will. „Wenn dann tatsächlich welche übrig bleiben, die keine Lehrstelle gefunden haben, dann haben wir die Ausbildungsgarantie in zwei Schienen”, erklärt Johannes Kopf, Vorstandschef beim Arbeitsmarktservice (AMS). „Die erste Schiene der Ausbildungsgarantie bezieht sich auf klassische Berufe, also etwa Tischler, Metall, Uhrmacher. Selbst Koch ist möglich. Und hier haben wir sehr gut ausgestattete Werkstätten, über ganz Österreich verteilt, die externe Partner für uns organisieren.“ Will heißen: Statt in regulären Betrieben werden die Jugendlichen in staatlich finanzierten Lehrwerkstätten beschäftigt. „Die gehen genauso mit den anderen Jugendlichen in die Berufsschulen, für den schulischen Teil. Und die praktische Arbeit passiert in unseren Ausbildungsstätten. Es gibt also die klassischen, ich möchte sagen, handwerklichen Berufe, die man in einer Lehrwerkstatt ohne Betrieb üben kann.

Aus dual mach trial und´s geht

„Bei anderen Berufen, vor allem im Dienstleistungssektor, geht das nicht so ohne Weiteres:  Bankkaufmann, Frisör, Einzelhandelskaufmann – hier lässt es sich ohne Kundschaft schwerlich üben. Und hier ist es so, dass wir aus der dualen Ausbildung eine triale machen. Soll heißen: Einen Tag Berufsschule. Zwei Tage bei uns in einer Ausbildungseinrichtung und zwei Tage bezahlen wir Betriebe, dass die Praktikumsplätze für unsere Lehrlinge zur Verfügung stellen”, erklärt AMS-Vorstandschef Johannes Kopf die zweite Schiene der staatlichen Ausbildungsgarantie in Österreich.
„Also: ich bin die Patricia, eine Restaurantfachfrau”, sagt unsere nächste Gesprächspartnerin. „Durch einen Kurs bin ich in das Projekt eingestiegen. Irgendwie braucht man immer Hilfe. Es ist einfach sehr wichtig: Wenn man keine Lehrstelle findet, hat man hier die Chance, eine zu finden.“ Auch Patricia ist im staatlich finanzierten Ausbildungsrestaurant untergekommen, absolviert seit einem Jahr eine Lehre zur Restaurantfachfrau – und kann nach dem Abschluss auf einen guten Job hoffen: „Also mein Traum wäre, nach der Ausbildung in einem großen Hotel zu arbeiten, in einem Fünf-Sterne-Hotel, richtig gut...“ Ob genau dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird? Patricias Jobchancen nach der Ausbildung im staatlich finanzierten Lehrbetrieb sind jedenfalls deutlich besser, als wenn sie sich nur durch Kellnern oder andere Hilfsjobs über Wasser halten oder hocharbeiten würde.
AMS-Chef Johannes Kopf stellt in diesem Zusammenhang fest, „dass in Österreich die Arbeitslosenraten von Personen, die keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung haben,  aktuell derzeit bei 23 Prozent liegen, die bei Personen mit einem Lehrabschluss bei sieben Prozent. Damit zusammenhängend ist der Ansatz, dass man möglichst jedem Jugendlichen zu einem Lehrabschluss verhilft, glaube ich, ein sehr richtiger. Österreich hat ja diese Garantie auch durch Gesetz sozusagen verankert, ist damit Vorbild für die Jugendgarantie in ganz Europa. Über Österreich verteilt, haben wir derzeit 11.000 Jugendliche in solchen Ausbildungen.“

Erfolgschancen bei 50 Prozent

Die Formel lautet: Je mehr Jugendliche einen Lehrabschluss haben, desto geringer die Arbeitslosigkeit. Und das trifft auch auf diejenigen zu, die ihre Ausbildung in einem der staatlichen Lehrbetriebe absolvieren. Viele dort haben schon vor dem Abschluss ein Erfolgserlebnis: „Erfolg ist es für uns, dass es gelingt, aus dieser Ausbildung bei uns direkt in den Betrieb zu wechseln und dort ihre Lehre fortzusetzen. Und das gelingt bei mehr als 50 Prozent, die das zweite Lehrjahr schon in einem Betrieb machen.“ Das heißt: Die Hälfte aller Jugendlichen, die in den staatlichen Lehrwerkstätten untergekommen sind, werden von Betrieben noch während der Ausbildung regelrecht herausgekauft. Johannes Kopf sieht darin einen Beleg für die gute Ausbildungsqualität in den staatlich finanzierten Lehrbetrieben. All das allerdings ist nicht zum Nulltarif zuhaben: Die österreichische Ausbildungsgarantie kostet, weiß AMS-Chef Johannes Kopf, einiges an Geld: „Wir geben pro Jahr etwa 130 Millionen Euro aus für die staatliche Ausbildungsgarantie. Das ist viel Geld für den Arbeitsmarktservice Österreich. Es sind etwa 15 Prozent unseres Budgets. Aber es ist politisch völlig unbestritten, unter allen Parteien, dass das notwendig ist, dass sich das auszahlt.“

Diesen Spaß muss man sich leisten können

So sehr das Modell der österreichischen Ausbildungsgarantie derzeit EU-weit auf Interesse stoßen mag – wenn es um die Finanzierung geht, wird es meistens schwierig. Hinzu kommt: In Ländern mit besonders hoher Jugendarbeitslosigkeit, wie beispielsweise Spanien oder Griechenland, gibt es kein duales Berufsausbildungssystem. Das wäre aber Grundvoraussetzung für eine Übernahme des österreichischen Modells. Zweite Grundvoraussetzung: Es muss ordentlich viel Geld für die staatlich finanzierten Lehrbetriebe da sein. Selbst jene sechs Milliarden Euro, die die EU-Regierungschefs für die so genannte „Jugendgarantie“ bis 2020 locker machen wollen, ist nach Ansicht von Johannes Kopf nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein: „In diesem Sinne ist es ein sehr, sehr positives Signal, dass die EU diese sechs Milliarden in die Hand genommen hat für die Ausbildungsgarantie, die sie Regionen zur Verfügung stellt, wo die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch ist. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Aber so sehr es ein positives Signal ist – das ist natürlich viel zu wenig Geld, um das in dem Stil zu machen, in dem es wir machen.“