Ein Fest mit Ausstrahlung in die ganze Region

Zum vierten Mal Kulturwoche Haferland mit großem Erfolg

Fröhliche Trachtenträger im sommerlichen Sonnenschein

Werner Hans Lauk und Ehefrau, Bernd Fabritius, Raluca Prună, Vasile Dâncu, Michael Schmidt, Ovidiu Ganţ (v. r.) beim Konzert vor der evangelischen Kirche

Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli (l.) mit dem orthodoxen Pfarrer Ionel

Munteanu von Bodendorf nach dem Gottesdienst

Es ist eine alte Gewohnheit in der siebenbürgisch-sächsischen Kultur: Wenn Mitglieder einer Familie abwesend sind, dann kümmern sich die Nachbarn um diejenigen, die Unterstützung brauchen. „Die Familie der Siebenbürger Sachsen ist jetzt alt und krank geworden und ist manchmal überfordert von der Last der verschiedenen Probleme und Sorgen“, erklärt Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli einem zahlreichen Publikum. „Die evangelische Gemeinschaft braucht diese Nachbarn, um das Kultur- und Architekturerbe aufrechtzuerhalten, das von vielen geschätzt wird“, setzt er fort und erinnert anschließend an das Gleichnis von dem Saatgut: Es liege an uns allen, dass wir das Saatgut zum Blühen bringen.

Die Familie der Siebenbürger Sachsen ist nicht alleine

Der Bischofsvikar war einer der vielen Gäste in Deutsch-Kreuz zu einem besonderen Anlass: Vom 10. bis 15. August fand die Kulturwoche Haferland statt. Von einem Jahr zum anderen wurde das Fest immer größer, mehrere Tausende Menschen haben die Veranstaltung im Laufe der Zeit besucht. Die diesjährige Auflage hat alle Erwartungen übertroffen: Die Siebenbürger Sachsen haben alle in der Familie herzlich willkommen geheißen und 4000 Besucher sind der Einladung ins Haferland gefolgt. Die Veranstaltung, die jetzt die vierte Auflage erreicht hat, ist eine der größten Veranstaltungen, die sich der sächsischen Kultur widmen. Nach dem Gottesdienst, dem ein  Konzert und ein Trachtenumzug folgten, sind die Gäste von
Moderatorin Christel Ungar Țopescu begrüßt worden.

Es scheint eher ein Treffen alter Freunde zu sein: Bernd Fabritius, Vorsitzender des Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Deutschen Bundestages und Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, hatte sich schon vor der Veranstaltung öffentlich begeistert gezeigt, die Schirmherrschaft über die Veranstaltung zu tragen und – gemeinsam mit seinem Kollegen aus dem Deutschen Bundestag Dr. Christoph Bergner – dabeizusein. Dem deutschen Botschafter Werner Hans Lauk wurde eine angenehme Überraschung bereitet: Die Kapelle, die heuer konzertierte, wurde aus seiner Heimatstadt gebracht, aus dem Schwarzwald. Die zwei Initiatoren der Kulturwoche Haferland, Michael Schmidt und Peter Maffay, traten zusammen auf die Bühne: Während Schmidt seine Zufriedenheit über die große Anzahl der interessierten Besucher äußerte, übermittelte Peter Maffay eine Botschaft, in der Werte wie Solidarität, Respekt und Transparenz hervorgehoben wurden. „Das Wichtigste ist, dass es Menschen gibt, die versuchen, diese Gemeinschaften wieder aufzubauen“, betonte Vizepremierminister und Minister für regionale Entwicklung, Vasile Dâncu, der letztes Jahr mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde.

Anwesend waren auch andere Freunde der Familie der Sachsen in Siebenbürgen, darunter die Justizministerin Raluca Prună, Emil Hurezeanu, Botschafter Rumäniens in Berlin, und der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Ovidiu Ganţ. Dass die Menschen zusammenhalten sollen, tauchte in den Reden der Gäste immer wieder auf: Bernd Fabritius bezeichnete die Kulturwoche Haferland als Raum der Begegnung, der „Menschen verbindet und gleichzeitig zum Erhalt dieser wunderbaren siebenbürgisch-sächsischen Kultur als Teil der ganzen rumänischen Kultur beiträgt und damit auch die gegenseitigen Freund-schaftsbeziehungen stärkt.“ Er lud Rumänien ein, das deutsche Modell zu übernehmen und die eigene Diaspora im Ausland und die rumänische Kultur im Ausland zu unterstützen, denn „die Bewahrung dieses kulturellen Erbes ist mit das Beste, was wir für kommende Generationen leisten können.“

Die Brückenfunktion der deutschen Minderheit

„Es ist ein starkes politisches Signal, nicht zuletzt für die Brückenfunktion der deutschen Minderheit zwischen unseren Ländern, Rumänien und Deutschland, aber vor allem ein starkes für die Brückenfunktion der Minderheit hier im eigenen Land in Rumänien“, sagte der deutsche Botschafter Werner Hans Lauk. Christoph Bergner, Vorsitzender des Deutsch-Rumänischen Forums in Berlin, bezog sich anschließend auf die rumänisch-deutsche Freundschaft, auf die 10-jährige EU-Mitgliedschaft Rumäniens und die engen deutsch-rumänischen Beziehungen, die seit 50 Jahren sehr gut sind. Die Kulturwoche Haferland betrachtet er als Quelle der Motivation für die weitere Entwicklung der Beziehung zwischen Deutschland und Rumänien.

Ovidiu Ganţ nannte das Fest die „Spitze des Eisbergs“ und verwies auf die Organisatoren als Initiatoren von Projekten für die regionale Entwicklung, die für die ganze Gesellschaft, die in dieser Region lebt, nützlich sind: „Diese Projekte bedeuten bei Weitem mehr als diese wunderbare Kulturwoche“. Das Modell empfiehlt er weiter: „Wenn jeder weiter für sich arbeitet und wir kein gemeinsames Ziel haben, das für alle nützlich ist, dann werden wir ein großes Problem haben“. Für eine enge Zusammenarbeit sprach sich auch Emil Hurezeanu, rumänischer Botschafter in Berlin, aus: „Bevor wir uns mit unserem wunderbaren Treffen im Namen der Vergangenheit beschäftigen, können wir mehr füreinander tun. Wir haben ein inneres Europa hier, das wir mit Erinnerungen und Glasscherben wiederherstellen. Weiterhin können wir sehr viel erreichen“.  

Auf den Spuren der Sachsen: Eine Ansichtskartensammlung

Die Michael Schmidt Stiftung ist im kulturellen Bereich sehr aktiv: Auf dem Fest wurden das Buch „Criţ, istoria, poveştile şi viaţa unui sat de saşi“ („Deutsch-Kreuz, die Geschichten und das Leben eines sächsischen Dorfes“) von Ruxandra Hurezean und die Ansichtskartensammlung „Auf den Spuren der Sachsen“ mit Fotos von Barna Nemethi vorgestellt. Diese Publikationen gehören zur Initiative mit der Absicht, das breite Publikum für dieses Thema zu sensibilisieren. Die aus 45 Postkarten bestehende Sammlung mit Bildern aus Schäßburg, Deutsch-Kreuz, Malmkrog, Reps, Meschendorf, Klosdorf, Keisd, Radeln und Deutsch-Weißkirch ist im Verlag Curtea Veche erschienen. Das Ziel ist, die sächsische Kultur zu würdigen. Die Michael Schmidt Stiftung will sich weiterhin auf die Aufrechterhaltung des sächsischen Kulturerbes und auf die Entwicklung von Bildungsprojekten für die Förderung der deutschen Sprache hierzulande konzentrieren.

Die erste Monografie des Dorfes Deutsch-Kreuz auf Rumänisch

„Criţ, istoria, poveştile şi viaţa unui sat de saşi“ ist die erste Monografie des Dorfes in rumänischer Sprache: „Ich habe die Lebensgeschichte einer Gemeinschaft niedergeschrieben, so wie vor einem Jahrhundert gelebt wurde“, sagt die Autorin. Für das Buch, das im Verlag Şcoala Ardeleană de la Cluj erschienen ist, hat der rumänische Botschafter Emil Hurezeanu das Vorwort geschrieben, das Nachwort der deutsche Botschafter in Rumänien, Werner Hans Lauk. Dabei hat Sofia Folberth, die jetzt 94 Jahre alt ist und sich als Fremdenführerin in der Kirche in Deutsch-Kreuz betätigt, eine wesentliche Rolle gespielt: Sie hat der Autorin Ruxandra Hurezean alles über das Leben im Dorf erzählt. „Die Erinnerungen der Frau Folberth sind nicht nur für das Dorf spezifisch. Die Bräuche, die im Buch dargestellt werden, waren die Bräuche der meisten Dörfer in Siebenbürgen“, sagt Michael Schmidt. Das war auch das Ziel, nämlich diese Traditionen zu dokumentieren: „Manche erinnern sich daran, andere können daraus etwas lernen“, fügt Moderatorin Christel Ungar Ţopescu hinzu.

Das Buch findet Emil Hurezeanu beeindruckend, weil es mit „einfühlsamer Sorgfalt“ geschrieben ist: „Das Buch über die Geschichte eines einzigen Dorfes in der Landschaft Siebenbürgens sagt viel aus über die hiesige Kultur, sogar mehr als eine frühere Geschichtsstudie von der Klausenburger Universität: Es geht um ein unmittelbares Bekenntnis und sehr spannende Einzelheiten.“ Botschafter Werner Hans Lauk ermutigt solche Initiativen: „Wir reden oft über die Geschichte der Menschheit, aber wir müssen viel mehr sprechen über die Geschichte der Menschen“.