Ein gewagter Blick in die Zukunft des Menschen

Über Jobs, Roboter und die neue Revolution auf dem Arbeitsmarkt

Das „City Business Centre“ in Temeswar beherbergt vorwiegend Firmen

Dora sitzt in der Vorlesung, trägt eine selbstgestrickte Weste und notiert sich alles fleißig in ein Heft. Ein unübliches Bild von einer Studentin heute, aber Dora ist Anfang 50 und war bis vor Jahren „technische Zeichnerin“. Ein Beruf, dessen Namen man heute als Anachronismus verstehen muss. Denn mit diesem Beruf kann man längst nicht mehr sein Brot verdienen. Computer, von jungen Leuten betätigt, haben den Beruf längst „passé“, längst „out“ erscheinen lassen. Jetzt sitzt Dora in einer Vorlesung zu „Europäischem Journalismus“ und hat ihre Mühe mit der englischsprachigen Bibliografie, neben ihr sitzen andere Magisterstudenten, die ihre Kinder sein könnten. Dora hat tatsächlich zwei Kinder, zwei Söhne, der eine hat Informatik studiert, der andere Sprachen. Der erste verdient gut, der zweite „so lala“, aber Computer waren nun mal nicht in seinem Blut.
Die heutige Vorlesung ist über Arbeitslosigkeit in Europa mit Schwerpunkt Jugendarbeitslosigkeit – ein weites Feld, und das seit einigen Jahren. Ein Problem, das die Europäer zwar identifiziert, aber immer noch nicht im Griff haben. Wenn Deutschland jungen Arbeitslosen zum Beispiel aus Spanien durch Ausbildungsplätze hilft, ist das gut, aber nicht genug. Denn Spanien hat viele junge Arbeitslose, 40 Prozent der Arbeitslosen machen die jungen Leute aus.

Dora greift ein, als die Daten vom Arbeitsamt projiziert werden. Es waren laut der Statistik Ende August 5402 Arbeitslose im Kreis Temesch. Auf Altersgruppen sieht die Aufteilung so aus: Die jungen Menschen unter 25 Jahren machen 14,81 Prozent aus, Doras Altersgruppe 12,57 Prozent. Dora findet sich in dieser Statistik nicht wieder: „Die Anzahl ist viel größer. Ich werde seit Jahren, seit ich kein Arbeitslosengeld mehr bekomme, nicht mehr zu den Arbeitslosen gezählt. Und es sind viele in derselben Lage. Man verschwindet einfach aus der Statistik, es interessiert keinen“. Wer kein Arbeitslosengeld mehr bekommt, ist nicht mehr in der Statistik erfasst. Dora hat vor drei Jahren umdenken gelernt, nach jahrelanger Suche hat sie es – damals Ende vierzig – eingesehen, dass ihr Beruf zu den „Fossilien“ aus dem ausgeklungenen 20. Jahrhundert gehört. Also musste sie „umdenken“, „eingreifen“, „proaktiv sein“, wie man es vorwiegend den Mitarbeitern in den Großkonzernen nahelegt. Dora hat nach einem neuen Beruf gegriffen und zum ersten Mal die Universitätsbank gedrückt – als Studentin der Informations- und Dokumentationswissenschaften. Dass sie mit den umbenannten und sanierten Bibliothekswissenschaften wieder einmal nicht den Treffer landete, muss  Dora mittlerweile eingeleuchtet haben: Jetzt macht sie ihren Magister in Kommunikationswissenschaften und will demnächst auch Englisch lernen. „In der Schule hatte ich nur Französisch und Russisch, das ist damals so gewesen!“ Es klingt wie eine Entschuldigung.

In der Vorlesung wird heute über Europa und Arbeitslosigkeit gesprochen. In Europa sind viele junge Menschen davon betroffen, auch viele durchaus qualifizierte. Da hat Euronews zum Beispiel eine Reportage gebracht, in der ein junger Berliner mit Uniabschluss fließend in zwei Fremdsprachen erzählt, wie er zum Minijob in einer Bar gekommen ist. Und sich noch glücklich schätzen kann im Vergleich zu einer 21-jährigen Griechin, die bei ihren Eltern lebt und 20 Euro pro Woche verdient. Von den EU-Staaten, die unter dem EU-Rettungsschirm gestanden haben, eben finanzielle Hilfe erhielten, um aus der Krise zu kommen, haben einige eingesehen, worauf sie setzen müssen, um die Arbeitslosenzahlen niederzudrücken: die Berufsschulen bilden in Irland keine Handwerker mehr aus, sondern Programmierer. Man orientiert sich eben am Markt, also  an der Nachfrage. Außerdem ist Programmieren in sieben EU-Staaten als Pflichtfach in den Schulen eingeführt worden: in Bulgarien, Zypern, Tschechien, Griechenland, Polen, Portugal und in Großbritannien. Ein Wahlfach ist es in Dänemark, Estland, Irland, Italien und in Litauen.

Das Fossil von morgen

Noch mehr Jobs sollen demnächst zu den Fossilien gezählt werden, wenn man Michio Kaku glauben sollte, dem amerikanischen Professor, einem Guru der Physik und Futurologie. Für eines seiner jüngsten Bücher, „Die Physik der Zukunft. Unser Leben in 100 Jahren“ (2012 in deutscher Übersetzung erschienen) hat der prominente Doktor der Physik über 200 Topforschern aus aller Welt auf die Finger geschaut. In dem Buch kann nachgelesen werden, welche Technologien unsere Welt in den nächsten Jahrzehnten verändern werden. Und konkreter, was und wer noch „in“ sein wird, und was und wer „out“.
So kann man darin lesen, dass die den Patienten wohl am nächsten stehenden Ärzte – die Hausärzte – in den nächsten zehn Jahren durch Apps und Avatars ersetzt werden. Unsere Smartphones werden uns demnächst beim Aufwachen ein komplettes Check-up mit den aktuellen medizinischen Werten bieten, der Gang zum Hausarzt erübrigt sich. Ab und zu – sollten die Apps keine Fragen beantworten können – kann ein Avatar eines Arztes, also ein elektronischer medizinischer Berater aufgerufen werden, der weiterhilft. Zuckerspiegel- und Blutdruckmessen sind über Smartphones möglich geworden oder werden demnächst möglich sein. In Zukunft sollen die intelligenten Phones uns auch auf etwaige Krebszellen scannen können, damit schnell eingegriffen werden kann.

Meine Hausärztin ist Mitte vierzig, sie wird diese Revolution miterleben und wahrscheinlich arbeitslos werden, wenn man Michio Kaku glauben soll. Im Prinzip stimmen die Vorhersagen, die die Futurologen von seinem Kaliber in die Welt setzen, für die nächsten zehn Jahre. Was vielleicht im Falle der Vorhersagen für eine Welt in 50 Jahren oder sogar 100 Jahren nicht zutrifft. Ich habe aber mit meiner Hausärztin vor ein paar Jahren eine gute Erfahrung gemacht, als sie eine Diagnose nicht rein mechanisch gestellt hat. Ein Mensch kann eben auf Wissen, Erfahrung, aber auch auf etwas, was man Fingerspitzengefühl oder Intuition nennt, zurückgreifen. Anders als die App. Nicht nur meine Hausärztin ist gefährdet. Vergangenes Jahr wurde Nao vorgestellt: klein, weiß und aus Plastik – der Roboter, der Grundschülern Erdkunde und Mathe beibringt. Man müsse sich einen solchen Lehrer der Zukunft folgendermaßen vorstellen: Er weiß alles, kann alle Fragen beantworten, selbst wenn neunmalkluge Schüler, die ein besonderes Interesse für ein Fach zeigen, die Frau Lehrerin etwa mit urkomischen Namen aus der Tierwelt bedrängen: z. B. „Dugong“ (eine Seekuh).

Nao ist ein Lehrer ohne Stimmungsschwankungen, er wirkt nicht zu lustig und nicht zu traurig, er hat kein Privatleben, also kann er sich auf das eine fokussieren, was er machen muss: nämlich lehren. Nao ist korrekt: Er hat keinen Lieblingsschüler, trägt alle Abwesenden ein und bewertet die Teste korrekt. Und: Nao ist unbestechlich! Der perfekte Lehrer? Denkste! Fällt einer der Schüler und schlägt sich an, wird ihn Nao bestenfalls mit seiner Roboterstimme trösten. Wenn das ein Trost ist. Die Wärme, die gerade bei Lehrern notwendig ist – da bleibt der kleine Roboter auf der Strecke. Es gibt aber mehrere Visionen von den Roboterlehrern. Nao ist mit seinem klassischen Roboterlook und dem Schmollmund vielleicht nicht der kinderfreundlichste. Aber da sind zum Beispiel Furby-ähnliche (Furby ist ein zotteliges interaktives Trendspielzeug), flauschige Lehrer der Zukunft vorgestellt worden: richtig kuschelige Alleswisser, die Kinder in den Tests auch gerne angefasst haben! Eher zum Spielen als zum Lernen geeignet!

3-D-Drucker, Smartcars und Roboter

Nicht nur den Hausärzten und Lehrern geht es an den Kragen: Ade Jamie Oliver, Anthony Bourdain und Nigella! Die Chefs werden durch „Foodini“ ersetzt. Den 3-D-Drucker gibt es schon, er spuckt Burger, Pizzas und Schokolade – in der Varietät, in der man sich das nur wünscht oder vorstellt. Und mein liebster Pasta-Hersteller – Barilla – arbeitet auch an einem Drei-D-Drucker – vorerst für Restaurants, der die beliebten Teigwaren in allen nur denkbaren Formen „ausdrucken“ wird: ein personalisiertes Pasta-Abendessen wird dadurch möglich.
Dass das Ganze nicht nur für Futurologen von Interesse ist, beweist, dass CNN, der Nachrichtenkanal schlechthin, eine seiner ersten Sendungen im neuen Jahr dem Thema „Robots“ gewidmet hat. Ehrlich gesagt, das intelligente Auto („Smartcar“) hat es mir auch angetan: Man muss nur ein paar Mal mit den Armen fuchteln, nicht einmal mehr Buttons mehr gibt es, dann rollt es auch schon. Wenn man keinen Parkplatz gefunden hat, sich aber beeilt, lässt man das Auto unbemannt seinen Platz selber suchen.

In den Lagerhallen von Amazon freut man sich auf die Drohnen, die effizienter als jeder Angestellte sind. Weniger freut man sich, wenn man hört, dass ganze Armeen von Robotern entstehen: Roboter, die irgendwann gegen Menschen kämpfen sollen. Ebenfalls in der ersten Woche nach Silvester kam in den rumänischen Medien etwa die Nachricht, dass Russland eine solche Armee von Robotern aufbaut. Wenn das nicht gruselig ist!
Roboter nehmen nach und nach den Platz von Menschen ein, die Menschen, die hinter den Robotern stecken, sind nur noch Programmierer.