Ein kulinarischer Botschafter in Bukarest

Wie die Rumänen das Kochen wieder erlernen / Die „Societe Gourmet“ in Bukarest

Chefkoch Daniel Wendorf in seinem Element, der Küche.

Teambuilding

Messerwand:gutes Gerät ist Voraussetzung für gutes Gelingen
Fotos: richim@societegourmet.ro

Untergebracht in einer alten Villa samt Garten in der Nähe des Dacia Boulevards, erfreut sich die „Societe Gourmet“ (http://www.societegourmet.ro/en/) von Chefkoch Daniel Wendorf und Managerin Raluca Ichim wachsender Beliebtheit. Allein die Räumlichkeiten beeindrucken: blitzende Messer, ein riesiger Induktionsherd und das helle, freundliche Ambiente vermitteln unmittelbar, dass hier jemand seine Liebe zum Kochen umgesetzt hat. Selbst wer Küchen eher meidet wird hier positiv überrascht. Kochen kann Spaß machen und gleichzeitig verblüffende Erkenntnisse produzieren. Oder wussten Sie, dass man Gnocchi nicht bei Regen machen darf? Unsere Redakteurin Angelika Marks traf die beiden Gründer der Kochschule in ihrem natürlichen Habitat, wo sie über ihr Leben, also das Kochen und alle seine Aspekte, freimütig berichteten.

Zunächst einmal das Offensichtliche: Wie kommt ein Hamburger Koch nach Bukarest?

Wendorf: Tja, das war wohl Zufall. Ich habe meinen ehemaligen Ausbilder aus der Elb Lounge Hamburg getroffen, und der kannte einen rumänischen Kellner, der unbedingt ein Restaurant in Bukarest aufmachen wollte. Die haben immer wieder angerufen und mich schließlich für vier Tage eingeladen. Bukarest hat mir auf Anhieb gefallen, ich dachte, hier kann man was machen. Vor sieben Jahren war Rumänien hinsichtlich der gehobenen Küche ein Entwicklungsland, es gab also ein großes Potenzial. Die Kochkurse waren aber Ralucas Idee. Sie hat damals in der Marketing-Abteilung eines großen Hotels gearbeitet und für Kochevents einen ausländischen Koch gesucht.
Der Start war schwierig, denn ich hatte gerade einen Vertrag in der Schweiz (Kempinski Grand Hotel des Bains St. Moritz) unterzeichnet, konnte das Konzept also nur für drei Monate ausprobieren, dann war ich für die Wintersaison erst mal in der Schweiz. Aber zu meiner Überraschung ist dieses Konzept gleich gut angelaufen, und nach den fünf Monaten bin ich dann hier wieder eingestiegen. Natürlich gab es Anfängerfehler, aber seit wir das Haus eingerichtet haben, hat sich einiges entspannt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Kochen zu vermitteln, statt in einem Restaurant zu kochen? Hatten Sie eine entsprechende Ausbildung?

Wendorf: In Hamburg war das üblich. Bereits in der Ausbildung samstagmorgens gab es regelmäßig Kochkurse, deshalb fällt es mir leicht, auch wenn ich erst wieder hier in Rumänien damit angefangen habe. Und ehrlich gesagt, für mich ist das entspannter. Langweilig finde ich, wenn jeder mit Schneidebrett vor mir steht. Aber wenn man verschiedene Stationen hat, kann jeder was ausprobieren. Wenn man Fisch filetiert, soll das auch jeder ausprobieren, dann nimmt man was mit.

Woher nehmen Sie die ganzen Ideen für ihre wechselnden Menüs?

Wendorf: Menüs zu schreiben für Koch-Events bzw. Kochkurse ist nicht einfach. Eigentlich ist das für einen Koch kein Problem, aber man muss bedenken, zehn Prozent der Kursteilnehmer kommen zweimal im Monat; es gibt also viele Stammgäste, da darf sich nichts wiederholen, und es muss sich auch in der Küche als Aktivität interessant für alle umsetzen lassen. Wir machen hier häufig sehr komplizierte Dinge, damit man möglichst viel sieht. Deshalb sage ich immer: Macht ein Gericht, und vorher Salat und hinterher Dessert. Hier sind die Leute sehr für die italienische Küche, aber auch Kurse rund ums Rinderfilet sind sehr beliebt. Allerdings gibt es oft Probleme die richtigen Zutaten zu bekommen. Für Kalbfleisch habe ich mittlerweile meinen eigenen speziellen Lieferanten. Oder bei dem Menü für den Valentinstag, da brauche ich garantiert frische Austern, die musste ich aus Deutschland bestellen. Das wichtigste ist das Produkt, das fängt bei der Auster oder dem Rinderfilet an und hört beim Öl oder Salz auf.

Ich war überrascht, dass so viele junge Leute teilgenommen haben. Ist das für junge Bukarester so etwas wie ein neuer Trend, eine Frage des Lebensstils?

Wendorf: Laut Facebook sind die meisten unter 50. Ja, ich glaube, dass so etwas mittlerweile zum Lebensgefühl junger erfolgreicher Arbeitnehmer gehört. Außerdem denke ich, wir haben weniger ältere Leute, weil die noch wissen, wie man kocht.

Sie haben also eine Mission, etwa wie Jamie Oliver, der z. B. Kindern die Liebe zu gutem Essen vermitteln will?

Wendorf: Ja, das ist wichtig! Neben Geburtstagsfeiern geben wir seit fünf Jahren einmal die Woche nachmittags Unterricht in der Deutschen Schule Bukarest. Bei diesem Afterschool Cooking kochen wir auch mal etwas Ungewöhnliches wie Muscheln. Aber wenn wir Pizza machen, dann machen wir auch die Salami selbst, die muss dann erst einmal drei Wochen trocknen - Pizza ist bei uns kein schnelles Gericht! Außerdem lassen wir die Kinder schmecken und riechen, damit sie die verschiedenen Zutaten kennenlernen.
Abgesehen davon: In Bukarest gibt es zahlreiche, recht teure Restaurants. Und nur sehr wenige sind wirklich gut! Ich möchte den Leuten beibringen, dass sie selbst beurteilen können, welches Restaurant wirklich gut ist, also einen Sinn für Qualität entwickeln.

Was denken denn andere Restaurants über diese „Erziehungsziele“?

Wendorf: Manchmal gibt es Chefs, die ihre Köche bei uns einschreiben, um etwas zu lernen. Und ich denke mir oft, warum fragen sie uns nicht auf einem professionellen Niveau, so dass wir Programme für Köche machen, die gerne von uns trainiert werden wollen? Wir würden so etwas gerne öfter anbieten, aber die Restaurantbesitzer sind nicht bereit, ausreichend in die Ausbildung ihrer Köche zu investieren, das ist eine Mentalitätsfrage.

Also wollen Sie die Öffentlichkeit so informieren und sensibilisieren, dass das Publikum eine höhere Qualität nachfragt?

Wendorf: Ja, wir zäumen das Pferd ein wenig von hinten auf, dann kann das Publikum den Druck gegenüber den Restaurantbesitzern erhöhen. Auf diese Art könnten sie erkennen, dass ihr Personal eine bessere Ausbildung braucht. Ein Restaurant könnte z.B. in ein einwöchiges Trainingsprogramm investieren, aber bisher gibt es dafür kaum Interesse!

Gibt es denn auch eine Tendenz, die eigene Küche weiter zu entwickeln, traditionelle Gerichte zu modernisieren?

Wendorf: Ich habe das mal probiert, traditionelle rumänische Gerichte zu modernisieren bzw. neu zu interpretieren. Aber ich weiß nicht, ob das Publikum wirklich bereit dazu ist. Ich sage immer, ich warte auf ein Restaurant, das so etwas wie die „Nouvelle Cuisine“ auf Rumänisch anbietet. Einmal hab ich „Salată de boeuf“ gemacht, die gleichen Zutaten, aber anders interpretiert. Die Leute sagten, das sieht wunderbar aus, es schmeckt auch gut, aber es ist kein „Salată de boeuf“! Da ist man sehr traditionell, aber bei ausländischer Küche ist man sehr viel aufgeschlossener und versucht auch mal ein Experiment.

Ichim: Wir versuchen auch immer, mit lokalen frischen Produkten zu arbeiten, dafür gibt es ein Interesse. Häufig kommen Ausländer zu uns, die uns erklären, ihr habt das Mangalitza-Schwein, das ist viel gesünder, und nun wird es wieder populär. Also man will keine neue Art, Sarmale zu kochen, aber die lokalen Produkte, die wir vergessen hatten, kommen wieder. Wir machen z.B. Salami aus Mangalitza-Schwein. Das gleiche gilt für Trüffel, die sind hier fantastisch, häufig Burgundertrüffel, aber bisher wussten die meisten nicht, was sie damit anfangen sollten. Darum hatten wir die Trüffeljagd in Siebenbürgen (z.B. Deutsch-Weißkirch/Viscri) organisiert. In Zukunft werden wir Tagesausflüge in die Umgebung von Bukarest unternehmen. Wir fahren morgens los und gehen mit den Trüffelhunden in den Wald, kommen anschließend hierher und kochen mit den Trüffeln.

Und wie kommt dann deutsche Küche hier an? Haben Sie das schon probiert?

Wendorf: Ja, das war ein „Großmutter-Menü“ mit Hamburger Pannfisch und Senfsoße, aber richtig begeistert waren die Rumänen von Rinderrouladen samt Gurken und Senf, weil es einfach war und es kaum jemand kannte.

Zu Ihren Angeboten gehören auch Kochevents als Teambuilding-Maßnahme. Wie kamen Sie auf die Idee, so etwas anzubieten?

Wendorf: Das war auch Ralucas Idee. Ich wusste gar nicht so genau, was sie damit meinte und ich habe nicht geglaubt, dass dies hier so populär sein könnte.
Ichim: Wir unternehmen gerne etwas mit Kollegen, das war schon immer so. Und es ist viel besser, sein eigenes Fleisch zu räuchern, oder Fische. Besonders Männer lieben solche Aktivitäten, die mit Rauch und Feuer zusammenhängen. Und man sieht recht schnell, ob die Chemie in der Firma stimmt. Aber für tiefer gehende Probleme arbeiten wir mit dem Coach, Toine Kets, der spezielle Programme nach Wunsch der jeweiligen Firma erarbeitet. Da ist das Kochen mehr Mittel zum Zweck, z.B. wenn nach einer Umstrukturierung neue Leute integriert werden müssen. So verbessert sich das Arbeitsklima in der Firma.

Welche Motive haben die Leute, die zu Ihnen kommen?

Wendorf: Viele kommen wegen des besonderen Erlebnisses, einige vielleicht auch, weil sie hier angenehme Leute treffen. Manche sind aber auch vom Kochen richtig begeistert und ich kann sehen, wie sie langsam mutiger werden und sich verbessern. Für mich ist das die erste Generation, die das Kochen entdeckt, und das ist dann für mich wie ein Geschenk.

Daniel Wendorf und Raluca Ichim, vielen Dank für das Gespräch.