Ein mehr oder weniger radioaktiver Sommernachtstraum

Premiere an der Deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Nationaltheaters

Fotos: Andrei Văleanu / Radu Stanca Nationaltheater

Eine von Trümmern, die an ehemalige Wohnblocks erinnern, bedeckte Bühne. Schauspieler in Schutzkleidung gegen radioaktive Strahlungen mit entsprechenden Masken. Naturgeister, die anscheinend der Strahlung ausgesetzt worden sind und ins Unkenntliche verändert wurden. Waldarbeiter, die ein Theaterstück aufführen sollen. Oberon und Titania in Steam-Punk-Kleidung. Das alles erwartete die Zuschauer bei der Premiere der Aufführung von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ an der Deutschen Abteilung des „Radu Stanca“-Theaters in Hermannstadt/Sibiu am 17. Februar 2024.

Der Regisseur Florian von Hoermann hatte in der der Premiere vorangehenden Pressekonferenz die Aufführung als „dystopisches Märchen“ und als eine Reise ins „eigene Selbstbewusstsein“ bezeichnet, wobei aber das komische Element, welches dem Text innewohnt, erhalten bleiben soll. Dabei sollten aus „zeitgenössischer Perspektive“ Themen wie Umweltschutz und Krieg angesprochen werden.

Dass im Theater der Text öfters nur noch als Vorwand für das Konzept des Regisseurs oder der Regisseurin dient, ist bekannt. Bedeutet dieses im Umkehrschluss, dass anhand jedes Textes jede beliebige Idee transportiert werden kann? Theoretisch ja. Funktioniert jede Idee in dem Korsett eines jeden x-beliebigen Textes? Nicht immer. Ausschlaggebend bleibt die Kohärenz des Konzeptes und dessen schlüssige Bühnenumsetzung. Leider gelingt dieses in der jüngsten Darbietung des Hermannstädters Ensembles nicht immer. Das Gefühl, dass so manches auf der Bühne in moderne Formen und Kleider gesteckt wurde, nur weil es modern und aktuell wirken soll, verlässt den Zuschauer nicht. Zugleich erklären sich die mit einer dystopischen Welt verbundenen Probleme (Krieg, Umweltschäden usw.) jenseits des Bühnenbildes und der Kostüme nicht wirklich. Eine Verbindung zwischen Text, Bühnengeschehen, Spiel der Darsteller und der suggerierten postapokalyptischen Welt ist nicht zu erkennen. Der im gesamten Stück erzielte Verfremdungseffekt findet leider in der Umsetzung keinen wirklichen Halt und bleibt nichts anderes als nur ein Effekt.      
       
So zum Beispiel gibt es keine schlüssige Erklärung, wieso Lysander von einer Schauspielerin (Johanna Adam) und Helena von einem Schauspieler (Daniel Bucher) gespielt werden mussten. Dabei werden durch diese Art der Besetzung karikierte Varianten der entsprechenden Gattung (Mann/Frau) auf die Bühne gebracht, als ob der von Shakespeare geschriebene Text in den bekannten Waldszenen nicht genügend Text- und Situationskomik liefern würde. In diesem Fall geht der Schuss nach hinten los, denn der erzielte Humor bleibt meistens aus. Auch sind die dargestellten Beziehungen in den besagten Szenen nicht einmal im Stil einer Netflix-Political-Corectness, im Sinne von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, zu Ende gedacht (mit oder ohne angedachter Ironie). Sondern auf der Bühne spielt eine Frau einen kleinen, in künstliche Muskeln gepackten Mann und ein Mann eine übertrieben hysterische Frau. Beides wirkt unglaubwürdig und aufgesetzt, was aber nicht an den beiden Schauspielern liegt.

Den gleichen Effekt haben die Musikeinlagen. Wenn man schon Schauspieler auf der Bühne hat, die des Singens mächtig sind und ihnen ein Mikrophon in die Hand gedrückt wird, sollte man sie auch nur mit einer Instrumentalbegleitung vom Band singen lassen und die Stimme des Sängers weglassen. Man kann sagen, dass die Musikeinlagen nicht schlecht gewählt sind und stimmig in das Bühnengeschehen eingebaut wurden, doch manchmal hat man auch ein wenig zu viel des Guten.    
Ab dem Augenblick, wo dem Text im Stück seine zentrale Rolle gelassen wird, die Beziehungen auf der Bühne an Glaubwürdigkeit gewinnen und man das Bühnenbild als Zuschauer ignorieren kann, gewinnt das Stück sowohl an Rhythmus wie auch an Humor und macht Spaß. Puck (Olga Török), als alles verbindender Geist, bringt alles durcheinander, um dann alles richtig zu stellen und durchbricht die sogenannte vierte Mauer, indem er (sie) das Publikum direkt in das Geschehen miteinbezieht. Man würde sich auch für den Anfangsteil der Darbietung ein derartig verbindendes Element wünschen, weil die drei parallelverlaufenden Ebenen (die der Naturelemente, die der Verliebten und die der theaterspielenden Meister), doch schwierig oder gar nicht zu einer Gesamtheit finden.   

Die Schauspieler werden den ihnen gestellten Aufgaben gerecht, obwohl in manchen Momenten der eine oder andere ein wenig zu dick aufträgt, um zu zeigen, dass es, er oder sie gerade eine komische Situation spielt, was eben das Gegenteil bewirkt. Leider lassen sich auch in mehreren Szenen die Schauspieler von dem von der Komik verlangten schnellen Rhythmus auch sprachlich mitziehen, was sich zum Nachteil der Aussprache auswirkt und das Hörverstehen zur Herausforderung macht (der auf rumänisch eingeblendete Text bietet hier eine Hilfeleistung). Dennoch ist die Besetzung (jenseits der schon genannten Problemstellen) gut gewählt und die Schauspieler kommen als gut eingespieltes Team rüber. Mit der Zeit wird mit Sicherheit auch eine gewisse Leichtigkeit gewonnen werden, was so manches Energietief auf der Bühne verschwinden lassen wird.   

Fazit: Abgesehen von den genannten Problemen funktioniert der Hermannstädter „Sommernachtstraum“ gut und die Leistung, sich an einen derart bekannten klassischen Text zu wagen, muss gewürdigt werden. Vom Konzept her ist die an vielen Punkten erzwungene Modernisierung ein Beispiel für „mehr könnte ganz gut auch weniger sein“. Dass es auch besser geht, hat das Hermannstädter Ensemble immer wieder unter Beweis gestellt, doch sollte man sich die zwei Stunden trotzdem nehmen, um sich die Darbietung anzusehen. Verlorene Zeit ist es mit Sicherheit nicht.