Ein Museum der anderen Art

Zwei Bergschüler verbrachten ihre Ferien freiwillig in der Schule

Florin Iuonaş und Felix Bozeşan stellen sich vor die „Klasse“ und sprechen vor Touristen über die Geschichte der Bergschule.

Sehr reich bestückt ist die Sammlung an Materialien für den Naturkundeunterricht.
Fotos: die Verfasserin

„Wir freuen uns, dass die Bergschule den Namen meines Urgroßvaters, des früheren Schulleiters und Sammlers sächsischer Volksmärchen trägt.“ Unterzeichnet hat den Eintrag im Gästebuch Dr. Edgar Josef Haltrich. Darunter setzte Walter Haltrich seinen Namen. Die beiden Urenkel Haltrichs haben Schäßburg/Sighişoara am 4. Juli besucht. „Es war ein sehr regnerischer Tag, in das Schulmuseum kam eine Gruppe Touristen aus Deutschland mit einem Reiseleiter, den wir bereits kannten“, erinnern sich Felix Bozeşan und Florin Iuonaş. „Nachdem wir die übliche Einführung gemacht hatten, gingen die Touristen durch den Raum und sahen sich die Exponate an.“ Der Reiseleiter aber stellte ihnen die Urenkel von Josef Haltrich vor – mit denen die beiden selbstverständlich gleich Fotos machten, da so besondere Gäste nicht alle Tage ins Museum kommen. „Sie haben sich gewundert, dass die Schule immer noch Joseph Haltrich heißt, aber auch mitgeteilt, dass der Vornamen mit ‘ph’ falsch geschrieben ist“, erzählen die beiden Schüler.

Felix Bozeşan und Florin Iuonaş, beide ab dem Herbst in der 12. D-Klasse der Bergschule, d. h. des Joseph-Haltrich-Lyzeums, betreuen seit dem 5. Juni das Schulmuseum. Zunächst machten sie es nach den Schulstunden, seit Ferienbeginn kamen sie zunächst täglich von 11 bis 18 Uhr. Seit dem Juli aber bleiben sie oftmals bis 20 Uhr am Schulberg, selbst wenn Iuonaş aus Elisabethstadt/Dumbrăveni pendelt. Sie hatten sich freiwillig für die Beaufsichtigung des in der einstigen Bibliothek im alten Schulgebäude (gleich oberhalb der Schülertreppe) eingerichteten kleinen Museums gemeldet und blieben freiwillig die ganzen Ferien über da. Ihr Einsatz macht ihnen inzwischen großen Spaß. „Einige Gruppen oder Touristen stecken uns schon mal was für einen Saft zu“, und das motiviert auch, sodass sie keine Abwechslung beantragt haben. Im vorigen Sommer waren es nämlich mehrere Absolventen der damaligen Elften gewesen, die hier Feriendienst geleistet hatten.

Felix und Florin haben sich mittlerweile zu richtigen Profis gemausert. Anfangs teilten sie den Besuchern nur sehr kurz mit, wann die Schule gebaut wurde und was die Schüler so lernten. Von Reiseleitern – mit einigen haben sie sich inzwischen richtig befreundet – erhielten sie Tipps, was sie sonst noch Interessantes erzählen könnten. Nun stellen sie nicht nur den alten Klassenraum vor – an dessen Decken zum Beispiel alte Schriftzeichen zu sehen sind –, sondern auch die ausgestellten Objekte aus dem Biologie- und dem Physiklabor, wie Kaulquappen, Maikäfer, Larven von Bienen oder ein altes Mikroskop. Vorhanden ist ein Foto von Hermann Oberth, der hier zur Schule gegangen ist und über dessen Erfindungen sie berichten. Ansehen kann man alte Bilder von Schäßburg oder Bücher, in gotischer Schrift gedruckt, aus der Schulbibliothek – die insbesondere die Touristen aus deutschsprachigen Ländern bewundern. Immer wieder freuen sich Eltern, die mit ihren Kindern ins Museum kommen, dass sie diesen zeigen können, in was für Schulbänken sie ihre Schulzeit verbracht haben und wie das Lehrmaterial damals ausgeschaut hat.
 

Mehr als nur Schulmuseum

Ursprünglich trug die Einrichtung die Bezeichnung „Schulmuseum“. „Viele Touristen dachten, es ist ein Museum unserer Schule, in dem deren Geschichte anhand von Fotos vorgestellt wird, und fanden das wenig interessant“, meinen die beiden Schüler. Sie änderten die Titulatur und laden nun in die älteste Schule aus Schäßburg ein. Tatsächlich ist auf der Fassade die Jahreszahl 1619 zu lesen und auf den Grundmauern des damals errichteten Gebäudes steht das jetzige. Erklärungen erhalten die Besucher der alten Schule auch zu der Schülertreppe, aber auch zu Schäßburg selbst. Anfangs hing im Klassenraum nur eine Weltkarte, die Schüler hängten eine aus der Zeit von Mihai Viteazu dazu sowie eine Karte Rumäniens, anhand derer sie die Geschichte leichter erklären können. Weil sie feststellten, dass Touristen sich freuen, wenn man sie in ihrer Sprache anredet, lernten Felix und Florin (von Reiseleitern) die Einführung zum Museum außer in Rumänisch, Deutsch, Englisch und Französisch kurz auch in Ungarisch, Spanisch, Italienisch und Polnisch.

Ihre Idee war es, ein Gästebuch anzulegen. Reingeschrieben haben Kinder, festzustellen sind aber auch asiatische Schriftzeichen. Besucher kamen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Taiwan, Japan, China, Brasilien oder Australien. Wenn es nicht regnet bzw. an Wochenenden schauen auch mal um 400 Leute in die alte Schule rein, während der Tage des Mittelalter-Festivals waren es schätzungsweise 700. Da hat es sich allemal gelohnt, eine Spendenschachtel aufzustellen, die heuer wesentlich voller ist, als in den vorigen Jahren.

Erklärt wird den Touristen, dass dies eine deutsche Schule war mit deutschen Lehrern – wie übrigens auch anhand der Fotos zu sehen ist. Viele Besucher wundern sich, dass hier immer noch Deutsch gesprochen wird, weil sie wissen, die Sachsen seien alle weg. Nun ja, einige sind geblieben, die beiden Schüler zogen Erkundungen ein und erfuhren, dass allein in Schäßburg etwa 3000 Rumänen die deutsche Sprache beherrschen. Gefragt werden sie wiederholt, warum sie die deutsche Schule besuchen. Geschickt haben ihre Eltern sie hin, sie versprechen sich nun bessere Berufschancen. Ob sie in der Tourismusbranche einsteigen möchten? Beide sind in der Mathe-Informatik-Klasse und wollen eher in diesem Bereich studieren, da ihnen aber dieses Volontariat so großen Spaß gemacht hat, möchten sie während der Uni-Ferien als Reiseleiter jobben.