Ein unermesslicher Gewinn für die siebenbürgische Gemeinschaft

Laudatio auf Dr. Karl Scheerer bei der Verleihung der Honterus-Medaille

Bischof emeritus D. Dr. Christoph Klein
Foto: Hannelore Baier

Dr. Karl Scheerer wurde auf dem Treffen der Siebenbürger Sachsen am 21. September 2013 in Schäßburg mit der Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums geehrt. Damit wurde sein Einsatz für die Erhaltung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes gewürdigt. Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus der Laudatio.

Ich habe diese Aufgabe sehr gerne übernommen, nachdem mir der heute Geehrte in vielerlei Hinsicht nahesteht und es mir darum nicht schwer fällt, an dieser Stelle seine Verdienste zu würdigen, so wie das in einer Laudatio erwartet wird. Denn unsere Verbundenheit geht auf frühe, Jahrzehnte zurückreichende Zeiten zurück, nachdem unsere Eltern eng befreundet waren, und unsere Väter die Freundschaft, so gut das in jenen schweren Jahren ging, gepflegt haben. Während der Vater, Pfarrer Josef Scheerer (als Sepp Scheerer bekannt) in den Krieg gezogen war, erfuhr die Mutter Herta, geb. Ungar (...) ein anders Schicksal. Sie musste, wie viele unserer Nordsiebenbürger, flüchten, doch nach ihrer Flucht 1944 mit den Kindern, (...) 1945 zurückkehren. Erst 1957 gelang  durch ihre Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland die langersehnte Familienzusammenführung.

So lebte Karl Scheerer, der seine Kindheit in Nadesch verbracht hatte,  ab seinem 14. Lebensjahr in Mainz. Er studierte nach dem Abitur Geschichte, Germanistik und Politologie in Innsbruck, Wien und Mainz. 1968/69 legte er mehrere Studienaufenthalte in Bukarest und Jassy ein, was schon seine frühe Verbundenheit mit seiner angestammten Heimat beweist. Nach der Promotion zum Dr. phil., der Heirat mit Annemarie Schmitt und der Geburt des Sohnes Peter folgte seine wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Mainz und schließlich die Berufung als Leiter des Bildungszentrums Sambachshof in Bad Königshofen.

Prägend für Dr. Karl Scheerer war – wie er mir einmal erzählte –, dass im Elternhaus in Mainz, neben den vielen, besonders siebenbürgischen Gästen, oft auch führende Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen in Deutschland aus dem weltlichen und kirchlichen Bereich ein- und ausgingen. So erlebte er, wie diese oft bis in die Nacht hinein über die Gestaltung der Zukunft ihres Volkes miteinander disputierten und nicht selten auch stritten. Damals hat er die Tragik der Zerrissenheit der Siebenbürger Sachsen mitbekommen, die Gräben zwischen ihnen aufbrechen ließ. Und das durch die unterschiedlichen Meinungen über die „Heimatpolitik“ und die damit verbundenen Folgen.

Als Leiter des „Sambachshofs“ bin ich Dr. Karl Scheerer 1993 zum ersten Mal bewusst begegnet. Damals schon konnte ich, ebenso wie bei der „Versöhnungsfeier“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen 1997, das feststellen, was sich durch das ganze Leben von Karl Scheerer wie ein roter Faden hindurch gezogen hat: sein Einsatz für den Dialog, für Versöhnung untereinander und für Heilung von Verletzungen und der daraus folgenden Parteiung und Zwietracht innerhalb unserer Gemeinschaft.
Als Karl Scheerer dann 2002 in den vorzeitigen Ruhestand trat, war damit die Absicht verbunden, sich nun vermehrt dem Dienst an seinen in der Heimat verbliebenen Landsleuten zu widmen.

So fand er in Hermannstadt bzw. Michelsberg und bald darauf in Schäßburg, wo er seinerzeit die 8. Klasse der Bergschule besucht hatte, ein zweites Zuhause. Als Mitarbeiter der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung und als Vertrauter ihres Geschäftsführers Uwe Stiemke, konnte er diesen für eine tatkräftige und langfristige Unterstützung unseres Kulturerbes durch die Stiftung gewinnen und wurde dessen Vertreter für die Projektabwicklungen in Siebenbürgen.

Das führte zur Verwirklichung einer Reihe von großen Baumaßnahmen, vor allem auf kulturellem Gebiet, wie der Sanierung der Bergschule in Schäßburg und anderer Gebäude der Stadt, des neuen Sitzes des Instituts für Geisteswissenschaften und ebenso des Theologischen Instituts in Hermannstadt. Das war und ist ein unermesslicher Gewinn für die siebenbürgische Gemeinschaft, der bis heute Früchte trägt. Bald darauf kamen Projekte zur Sanierung und Renovierung von Kirchenburgen, besonders in der Umgebung von Schäßburg, und weitere Baumaßnahmen in Kronstadt dazu, wofür beide, Kirche und Forum gleichermaßen, Dr. Karl Scheerer zu großem Dank verpflichtet sind. Das auch darum, weil er die Ausweitung der Förderung von kulturellen Projekten, die die Stiftung statusgemäß prioritär verfolgte, auf die Sanierung und Renovierung von Kirchenburgen erreichen konnte. (...)

Zu großem Dank verpflichtet ist ihm auch das Schäßburger Zentrumsforum für sein Engagement als Vorstandsmitglied, gleichzeitig auch als stellvertretender Vorsitzender des Siebenbürgenforums und  Mitglied im Vorstand des Landesforums. Und das besonders für die Organisierung und Durchführung kultureller und wissenschaftlicher Veranstaltungen, für viele Zeichen der Hoffnung und Ermutigung, die er damit seinen Landsleuten hier und an vielen Orten seiner Heimat gegeben hat. Auch ist sein Einsatz für Fortbildungsmaßnahmen am Sambachshof, die Studenten, Schüler und Professoren aus Rumänien seit 1991 zugutekommen, bis heute geblieben.

Zu danken ist dabei zuletzt, aber nicht in letzter Beziehung, seiner Ehefrau Annemarie Scheerer, die seinen Weg gutgeheißen und begleitet hat, der zwischen Deutschland und Rumänien nicht immer leicht war. Doch  was die meisten wohl nicht wissen: Die Idee, die Sanierung der Bergschule in Schäßburg der Niermann-Stiftung anzubefehlen, stammt von ihr!  Welch großer Segen ist davon und von allem Folgenden ausgegangen! Das wiegt wohl – so hoffen wir – alle Entbehrungen und Mühen des heute Geehrten und seiner Gattin auf. Und dieser Segen Gottes, der unsern Freund und Förderer Dr. Karl Scheerer gesund erhalten, gestärkt und gewiss auch innerlich erfüllt hat, möge weiter über seinem Leben und Wirken stehen.

Die Honterus-Medaille sei ein sichtbares Zeichen unseres Dankes, Ausdruck der Wertschätzung seines Einsatzes und Würdigung seiner Verdienste für die siebenbürgische Gemeinschaft und Kirche. Dr. Karl Scheerer hat in hervorragender Weise zu dem beigetragen, was das Motto unseres heutigen Sachsentreffens anmahnt: „Kulturerbe – Gabe UND Aufgabe“.