Ein warmes Essen für die dritte Generation

Suppenküche in Nadrag feierte 15-jähriges Jubiläum

In Nadrag ist seit 15 Jahren eine Senioren-Suppenküche in Betrieb. Anlässlich des Jubiläums wurden die Empfänger in die Sozialstation eingeladen. Bernhard Balsliemke (1.v.l., stehend) sammelt jedes Jahr Spenden für das Projekt über die Interessengemeinschaft „Hilfe für Nadrag“.
Foto: die Verfasserin

Nadrag – Nădrag. Die Gemeinde am Fuße des Poiana-Ruscăi-Gebirges liegt in einer idyllischen Berglandschaft. Doch es gibt wenige Möglichkeiten für junge Menschen, hier Fuß zu fassen. Nach der Stilllegung des Hüttenwerks „Ciocanul“, einst der größte Arbeitgeber im Ort, ging es mit der Ortschaft bergab. Die arbeitsuchende Jugend zog in die Städte oder sogar ins Ausland – und der Bergort mit vormals deutscher Prägung wurde allmählich entvölkert. Heute leben hier weniger als 3000 Menschen, davon nur eine Handvoll Deutsche. Viele der Bewohner von Nadrag gehören der älteren Generation an. Für diese Menschen gibt es seit 15 Jahren Unterstützung. Die Senioren-Suppenküche versorgt über 50 Leute mit einer warmen Mahlzeit pro Tag. Das 15-jährige Jubiläum der Nadrager Sozialeinrichtung wurde Mitte Oktober feierlich begangen.

Die Initiative zur Senioren-Suppenküche hatte die Interessengemeinschaft „Hilfe für Nadrag“ aus Münster unter der Leitung von Bernhard Balsliemke. Dieser hatte Ende der 1990er Jahre Rumänien besucht und den Bedarf an Hilfe, den es damals hier gab, kennengelernt. Es war ihm klar, dass hier Unterstützung dringend notwendig war. Über Josef Hollschwandner, den römisch-katholischen Ortspfarrer, kam Bernhard Balsliemke im Jahr 2001 nach Nadrag und verteilte Lebensmittelpakete an besonders Bedürftige. „Vor vielen Jahren habe ich die Armut hier gesehen und dann habe ich zu mir gesagt: ´Mensch, Bernhard, dir geht´s gut, du musst was tun!´ So geschah es“, erinnert er sich an die Anfänge des Projekts. Zwei Jahre später wurde mit Unterstützung des Caritasverbands der Römisch-Katholischen Diözese Temeswar/Timișoara und der Nadrager Kommunalverwaltung die Suppenküche für damals 15 Seniorinnen und Senioren eröffnet. Die Sozialstation befindet sich in dem Gebäude, wo einst die Kinderkrippe untergebracht war. Auch eine Suppenküche für Kinder ist in dem Haus eingerichtet worden.

Das 15-jährige Jubiläum der Suppenküche für Senioren wurde in Nadrag am 22. Oktober gefeiert. Zu diesem Anlass reiste Bernhard Balsliemke zusammen mit einem weiteren Mitglied der Interessengemeinschaft und einem Freund, der sich das Projekt einfach ansehen wollte, nach Rumänien. Der Initiator der Suppenküche kommt zweimal im Jahr ins Banater Bergland, um sich zu erkundigen, wie das Projekt läuft bzw. um Spenden zu bringen. Auch diesmal wurden Lebensmittel und Kleidungsstücke an die Senioren verteilt. Anlässlich des Jubiläums wurden die Empfänger in die Sozialstation eingeladen. In der Mensa versammelten sich etwa 20 ältere Menschen, die sich bei Kaffee und Kuchen über Verschiedenes unterhielten. Anwesend waren Bürgermeister Liviu Munteanu, Caritas-Direktor Herbert Grün, Pfarrer Josef Hollschwandner und die Gäste aus Deutschland. Das Projekt wird vor Ort von der Familie Huţanu verwaltet. Drei Köchinnen sorgen dafür, dass die Senioren von Montag bis Freitag ein warmes Mittagessen genießen können. Marius Huţanu bringt das Essen 20 Menschen nach Hause, die anderen holen sich die Mahlzeit selbst von der Kantine ab.

Vor der Jubiläumsfeier fanden Gespräche mit Bürgermeister und Vizebürgermeister im Rathausgebäude statt, die recht positiv ausgingen. „Die Caritas konnte den Mietvertrag von einem Jahr auf fünf Jahre verlängern. Das bedeutet Sicherheit für die Senioren-Suppenküche“, erklärt Bernhard Balsliemke. Auch wichtige Reparaturen am Gebäude sollen dank des längeren Mietvertrags durchgeführt werden, sagte Balsliemke. Womit angefangen werden soll, das stünde momentan nicht fest, allerdings könnte man endlich auf längere Zeit planen und einiges in das Gebäude investieren, erklärte er.

„Was die Empfänger angeht, so sind die meisten jetzt abgesichert. Die Leute, die es wirklich brauchen, die bekommen auch was“, sagte Bernhard Balsliemke. Zu den 55 Empfängern der Suppenküche zählen viele mit sehr geringen Renten. 200 bis 300 Lei im Monat – mit diesem Geld müssen einige der Senioren monatlich auskommen. Wenn man bedenkt, dass viele der Menschen im Winter Brennholz verbrauchen und Medikamente einnehmen müssen, dann kann man schon erahnen, wie schwer es manchen ergeht. „Wenn in Deutschland jemand wirklich arm ist, dann ist das immer noch eine andere Größenordnung, als wenn in Rumänien jemand wirklich arm ist. Hier haben Leute Renten, die ein ganz, ganz einfaches Überleben gar nicht möglich machen. Das ist bei uns anders. Und es gibt bei uns auch andere Einrichtungen, die die Problemfälle auffangen können“, erklärt Bernhard Balsliemke. Der Leiter der Interessengemeinschaft kennt die Situation der Menschen in Nadrag recht gut. Besonders schwierig sei es, wenn die Menschen vereinsamen und den Kontakt zur Außenwelt verlieren, weiß er. „Pfarrer Hollschwandner erzählte mir einmal, dass eine Frau gestorben war und man es erst Tage später merkte. Das schockierte mich“, sagt Bernhard Balsliemke. Nicht wenige der älteren Leute, die ein warmes Essen von der Suppenküche bekommen, leben allein. „Sie sind allein in der Ortschaft geblieben und ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück. Sie sind nicht mehr präsent auf der Straße“, sagt Bernhard Balsliemke.

Der Deutsche, der zweimal im Jahr nach Nadrag fährt, freut sich auf den Besuch in Westrumänien. Er habe hier einige sehr liebenswerte Bekanntschaften geschlossen, sagt er. „Trotzdem bin ich auch immer wieder ein bisschen negativ überrascht darüber, wie es hier aussieht und dass sich so wenig ändert“, fügt er hinzu. Schaut man sich die idyllische Berglandschaft um Nadrag an, so ist es offensichtlich, dass das touristische Potenzial der Gegend stark unterschätzt wird.