„Eine Heimatmelodie, die ich nicht missen möchte“

ADZ-Gespräch mit Helen Alba, der Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Temeswar

Helen Alba gestaltet jede Woche die Pipatsch-Seite der BZ: „Ich pflege ganz viel Schriftverkehr mit meinen Mitarbeitern und Freunden“.
Foto: Zoltán Pázmány

Man kennt sie als Koordinatorin der BZ-Pipatsch-Seite, aber auch aus der Deutschen Sendung bei Radio Temeswar, wo sie für die Hörerinnen und Hörer die Rubrik „Daheim und unterwegs“ in banatschwäbischen Mundarten gestaltet: Helen Alba (67) sorgt bereits seit Jahren dafür, dass das Banatschwäbische nicht in Vergessenheit gerät. Unlängst lud die Vorsitzende des Temeswarer Deutschen Forums zu einem Treffen unter Mundartsprechern ein, bei dem die Teilnehmer frei erzählen durften, allerdings unter einer Bedingung: Es soll auf „Schwowisch“ geschehen. ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu führte anschließend ein Gespräch mit Helen Alba, der Veranstalterin des Treffens, „Mir rede schwowisch“.

In der zweiten Oktoberhälfte fand in Temeswar ein banatschwäbisches Mundarttreffen statt, zu dem Banater Schwaben von überall gekommen sind. Der Karl-Singer-Saal des AMG-Hauses war voll, was das große Interesse für das „Schwowische“ bezeugt. Was motiviert Sie, die banatschwäbischen Mundarten zu fördern?

Einer der Gründe, der mich vor mehr als 25 Jahren veranlasste, im Banat zu bleiben, war mein starkes Gefühl zur Banater Heimat. Dazu zählt auch die banatschwäbische Mundart, sie ist für mich wie eine Heimatmelodie, die ich nicht missen möchte. Es war mir seit damals bewusst, jemand muss doch das Schwäbische weiter pflegen und hegen. Ich begann, die Banater Ortschaften zu bereisen, und freute mich, mit den verbliebenen Landsleuten in unserer Mundart zu sprechen und danach Erzählungen und Begebenheiten in der Pipatsch zu veröffentlichen.

Wie viele Variationen des Schwäbischen gibt es im Banat bzw. wie stark unterscheiden sich diese voneinander?

Das Banatschwäbische umfasst mehrere Dialekte, die sich, je nach den Mundarten der verschiedenen Herkunftsgebiete, aus denen unsere Ahnen im 18. Jahrhundert einwanderten, am meisten durchgesetzt haben. Der größte Teil der Einwandererfamilien kam aus moselfränkischen und rheinfränkischen Gebieten, aber auch aus südfränkischen, ostfränkischen, schwäbischen, alemannischen oder aus dem Westfälischen. Sie verständigten sich anfangs in sechs Mundarten. Die heute gesprochene Mundart soll eine vorwiegend moselfränkische sein. Doch es fanden Ausgleiche zwischen den Mundarten statt, denn die Sprecher trachteten danach, ihre Sprachgewohnheiten zu vereinheitlichen. So setzte sich im Laufe der Zeit die Mundart durch, die sich am meisten der Hochsprache näherte und die auch in den Nachbarorten verstanden wurde.

Bei dem Mundarttreffen waren auch viele Jugendliche dabei. Wie viel Prozent dieser Jugendlichen können noch „Schwowisch“?

Ich kann die Teilnehmerzahl der Jugendlichen, die das Mundarttreffen mitgestalteten oder als Zuschauer dabei waren, zwar nicht in Prozenten ausdrücken, doch von den ungefähr 250 Teilnehmern denke ich, dass vielleicht 25 Personen im Alter zwischen 11 und 40 Jahren das „Schwowische“ sprechen oder wenigstens verstehen.

Vor einigen Jahren hatte das Mundarttreffen auch eine wissenschaftliche Komponente – es kamen Mundartautoren wie Germanisten aus diesem Anlass zusammen. Heuer war es ein lockeres Treffen unter Banater Schwaben. Wieso dieser Wandel?

Im Banat lebende Mundartautoren gibt es ja kaum noch. Es ist schwierig, die im Ausland lebenden hinzuzuziehen. Es sind ältere Menschen, denen die Reise ins Banat schwer fällt. Bei einem Treffen, das zwei Tage, mit Referaten, Lesungen und Kulturprogramm, anhalten soll, muss man bedenken, dass sich unsere Banater Landsleute aus den Ortschaften der Kreise Temesch, Arad und Karasch-Severin nicht zweimal auf den Weg nach Temeswar machen würden.

Viele Banater Schwaben verwenden im Beruf das Hochdeutsche. Sie selbst sprechen mit ihrem Enkel hochdeutsch, zum Beispiel. Wie schwer ist es für Sie, von dem Hochdeutschen auf das Banatschwäbische zu wechseln?

Mit dem Wechsel vom Hochdeutschen auf das Banatschwäbische habe ich überhaupt keine Probleme. Da möchte ich ganz weit zurückdenken: Bis zum Alter von drei Jahren habe ich nur die Mundart gesprochen. Dann kam ich in den Kindergarten, es begann die Zeit, hochdeutsch zu sprechen. Die Erzieherin gab meinen Eltern den Rat, mir zu Hause ganz viele Märchen vorzulesen, diese nicht mehr frei in der Mundart zu erzählen. Als ich dann zur Schule kam, „saß“ das Hochdeutsche. Mein Enkel fragt manchmal: „Oma, wieso sprichst Du denn mit meinem Papa so komisch“? Ich habe ihm erklärt, dass wir so von seiner Uroma sprechen lernten. Sein Kommentar: „Verstehe, die war ja auch uralt“!

Sie gestalten seit vielen Jahren die wöchentliche Pipatsch-Seite in der BZ. Was ist das Schwierigste an Ihrer Arbeit?

Wenn man Freude und Genugtuung an der Arbeit hat, sollte diese nicht schwierig zu bewältigen sein. Doch bei fortgeschrittenem Alter tauchen manche Probleme auf. Und da ich ja nicht mehr die Jüngste bin, fallen mir die Ausfahrten zu Veranstaltungen am schwersten.

Und trotzdem: Was macht Ihnen am meisten Spaß?

Das Schreiben macht mir Spaß. Nicht nur, was die Pipatsch anbelangt. Ich pflege ganz viel Schriftverkehr über E-Mail oder Whatsapp mit meinen Mitarbeitern und Freunden. Letztere geben mir oft genug Anregungen und aus einem kurzen Schreiben wird dann eine humorvolle Geschichte.

Ein halbes Jahrhundert feiert die Pipatsch-Seite im Jahr 2019. Was planen Sie für das runde Jubiläum?

Es ist zwar etwas früh, darüber zu sprechen. Doch ich stelle mir das Jubiläum mit „Pipatsch-Mädchen“ in roten Röckchen, weißen Blusen und mit Körbchen voller gebastelter Pipatsch-Blumen, die an die Zuschauer verteilt werden, vor. Mit ganz vielen Lesern und Mitarbeitern, mit Ausschnitten/Lesungen aus Pipatsch-Exemplaren oder Kalendern. Ein vielseitiges, vielleicht sogar „Wander“-Programm, damit dieses von je mehr Landsleuten genossen werden kann. Doch: Kommt Zeit, kommt Rat!