Eine ungewohnte Urlaubswahl

Florian Kerzel lief einen Halbmarathon in Nordkorea

Hoch verehrt in Nordkorea: Die Statuen von Kim Il Sung und Kim Jong-Il

Proben für die groß angelegten Veranstaltungen zum 105. Geburtstag von Kim Il-Sung. Fotos: Florian Kerzel

Exotische Strände, spektakuläre Berglandschaften, moderne Städte: Dafür entscheiden sich viele Menschen, wenn sie eine Urlaubsreise buchen wollen. Nur die wenigsten zieht es in abgelegene oder gar gefährliche Regionen. Einer dieser wenigen ist Florian Kerzel (30). Der in Deutschland gebürtige und zurzeit in Temeswar lebende Florian Kerzel entschloss sich in diesem Jahr, einige Tage in Nordkorea zu verbringen. „Ich bin über die Jahre hinweg sehr viel gereist. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es interessante und touristisch nicht erforschte Orte gibt, die man unbedingt sehen sollte“, sagt Florian Kerzel, der schon immer politisch interessiert war. Während seines Studiums schrieb er mal eine Seminararbeit über Nordkorea. Der Wunsch, sich das diktatorisch geführte, kommunistische Land anzuschauen, wurde in ihm wach. „Nordkorea ist eines der Länder weltweit, über die nur negativ berichtet wird. Individualtourismus ist hier praktisch verboten“, sagt der junge Mann. Um nach Nordkorea reisen zu können, meldete er sich beim internationalen Marathon Anfang April an, der jedes Jahr in Nordkorea veranstaltet wird. „2014 wurde dieser Marathon, den das nordkoreanische Sportministerium veranstaltet, für Ausländer geöffnet. Da ich gern laufe, nahm ich die Gelegenheit wahr, daran teilzunehmen“, erzählt Florian Kerzel. An die 2000 Läufer gingen an den Start – das Stadion war voll, die Sportler wurden bejubelt, ihnen wurde applaudiert. Florian Kerzel lief bei dieser Gelegenheit einen Halbmarathon.

Die Reise der Ausländer war bis ins Detail geplant. „Wir hatten zwei Reiseführer, die uns überall begleiteten. Das Hotel war wie eine Insel, weit entfernt von anderen Siedlungen und natürlich überwacht“, sagt er. Interessanter noch als die offizielle Tour war für Florian Kerzel aber vor allem, wenn er bei zum Teil langen Zug- oder Busfahrten durch das Land kleine Einblicke auf das Alltagsleben in Nordkorea werfen konnte. Die Marathonläufer konnten verschiedene Orte in Pjöngjang besichtigen, unter anderem ein Museum über den Korea-Krieg, die Geburtshütte von Kim Il Sung, dem ewigen Präsidenten Nordkoreas, die Statuen von Kim Il Sung und Kim Jong-Il, u. a. „Die Leute gehen zu diesen Statuen und verneigen sich. Das war einer der angespanntesten Momente, weil die Reiseführer Angst hatten, dass sich jemand daneben benehmen könnte“, sagt Florian Kerzel. Die Gäste wussten aber, wie sie sich zu verhalten haben. „Man geht hin und verbeugt sich. Das wird auch erwartet. Uns wurde danach auch gedankt, dass wir uns an ihre Traditionen gehalten haben“, sagt er. Was das Fotografieren angeht, so mussten sich die Reisenden an sehr viele Regeln halten. So zum Beispiel sollte man keine im Bau befindlichen Wohnungen, Bahnhöfe, Polizei oder Armee ablichten oder beim Fotografieren der Statuen keine Teile davon abschneiden.

Vier Tage verbrachte der Wahltemeswarer in Nordkorea. Vier Tage, in denen er keinen Handyempfang oder Zugang zum Internet hatte. „Wir wurden vor der Reise kontrolliert. Man darf keine Reiseführer, keine Bibeln oder religiösen Objekte, keine amerikanischen Flaggen mitbringen. Es gab sehr viele Regeln, aber bei der Ausreise waren die Grenzbehörden so überlastet mit den unverhältnismäßig vielen Touristen, dass sie nicht alles durchgeschaut haben“, sagt Florian Kerzel. „Die Straßen sind breit und leer. Man sieht Armut, die Leute bearbeiten die Felder noch mit der Hand – was aber überall picobello ist, das ist die Propaganda“, berichtet er. „Ich habe viel darüber nachgedacht, wie viel Kraft eine solche Propaganda auf die Menschen, die keinen Zugang zu alternativen Informationsquellen haben, haben kann. Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Leute vorgeht, aber ich würde mich auch nicht über sie erheben. Ich denke schon, dass eine Propaganda diese Auswirkung haben kann, dass man denkt, Nordkorea sei das beste Land der Welt“, sagt Florian Kerzel. Die wenigen Nordkoreaner, die er dort antraf, fand er nett, das Essen schmeckte lecker. „Der Reiseführer erzählte Witze und wir haben zusammen Bier getrunken“, sagt er. Zwar bestätigte sich im Allgemeinen das Bild, welches er von Nordkorea hatte, dennoch konnte er auch einiges beobachten, von dem in westlichen Medien nicht berichtet wird. „Es stimmt zum Beispiel nicht, dass die Metro nur für Touristen fährt. Die Leute auf der Straße, vor allem die Frauen, die kleiden sich schon moderner, als man es sich vorstellt“, sagt er. „Diese Gesellschaft, wo eigentlich jeder gleich sein soll, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. In Pjöngjang hat sich eine Mittelschicht gebildet. 2002 wurden Märkte legalisiert und die Leute können das verkaufen, was sie in ihrem Garten anbauen. Das sind alles große Veränderungen für ein Land wie Nordkorea“, sagt er. 

„Es waren nur vier Tage, aber es hat sich definitiv länger angefühlt“, überlegt Florian Kerzel im Nachhinein. Auf die Frage, ob er wiederkommen würde, antwortet er spontan: „Das war eine einmalige Sache. Aber es wäre sicherlich mein Ziel Nummer 1, falls sich die politische Lage ändert, in 20 Jahren wiederzukommen. Ich bin sicher, dass sich Pjöngjang so verändern könnte, dass ich es nicht wiedererkennen würde“, sagt er. Die meisten führenden Nordkorea-Experten sagen einen Fall des Regimes innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre voraus. „Gut, das machen sie schon seit den 70er Jahren und das Land ist immer noch stalinistisch regiert. Aber jetzt sind die Gegebenheiten anders“, glaubt Florian Kerzel. „Viele sagen, dass sie nicht in ein solches Land reisen würden, weil ein Teil des Geldes an die nordkoreanische Regierung geht. Aber ich finde, dass Isolation und Abschottung der koreanischen Bevölkerung nie gut getan haben“, schließt Florian Kerzel.