Eine verlorene türkische Insel inmitten der Donau

Ada Kaleh-Wanderausstellung wurde in der Hauptstadt eröffnet

Seit drei Jahren recherchiert Forscherin Magda Andreescu für die Ausstellung der verlorenen Insel Ada Kaleh
Foto: Aida Ivan

Drei Kilometer entfernt von Orschowa/Orşova, inmitten der Donau, befand sich bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Insel Ada Kaleh. Die üppige mediterrane Vegetation, die mittelalterliche Festung und das Minarett waren Kennzeichen einer einzigartigen Ortschaft. Die schmale Insel liegt heute 40 Meter unter dem Wasserspiegel der Donau. Der kleine türkische Tropfen an der heutigen Grenze zwischen Rumänien und Serbien hatte ein trauriges Schicksal.

Das ist das Hauptthema der Ausstellung im Bukarester Bauernmuseum, die bis zum 19. August besichtigt werden kann (von dienstags bis sonntags, zwischen 10 und 18 Uhr). Die Organisatoren haben sich zum Ziel gesetzt, die Einzigartigkeit dieses exotischen Raumes wiederzugeben. Mit Hilfe von historischen Gegenständen der ehemaligen Inselbewohner und deren Berichten ist es den Forschern gelungen, das Leben auf Ada Kaleh einigermaßen zu rekonstruieren. Nur auf diese Weise war die Dokumentation über einen Raum möglich, der jetzt zu einem Mythos geworden ist. Obwohl die Informationen subjektiv sind, vermittelt die Ausstellung einen umfassenden Überblick. Die Wanderausstellung wird auch in Konstanza/Constanţa (14.-28. September) und Drobeta-Turnu Severin (9.-31. Oktober ) gezeigt. Magda Andreescu, die Initiatorin des Projektes, erzählt über die Anfänge des Vorhabens: Sie hat zufällig in den Sammlungen des Bauernmuseums Objekte von der kleinen Insel gefunden. Ausgehend vom Dokumentarfilm „Ada Kaleh Stories“ (2008) hatte das Rumänische Kulturinstitut in der Türkei eine Ausstellung in Istanbul veranstaltet. Da sich ziemlich viel Material gesammelt hatte, recherchierten Magda Andreescu und ihr Team ab 2009 weiter.

Die Geschichte Ada Kalehs

Die ersten Erwähnungen der kleinen Insel stammen aus der Antike, sind aber tief im Mythos verankert: Herodot nennt sie „Cyraunis“, Eratosthenes „Yernis“. Im Mittelalter wurde sie erstmals unter dem Namen „Ada Kaleh“ (die Inselfestung) erwähnt. Die Insel war abwechselnd unter österreichischer und osmanischer Herrschaft. In späteren Urkunden tauchen immer wieder die Namen „Caroline“, „Porizza“ und „Ada-I-Kebir“ als Bezeichnung für die Insel auf. Die Festung wurde im 18. Jahrhundert von den Habsburgern gebaut.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Insel rumänisches Territorium, so haben die Bewohner der Insel nach einem Referendum entschieden. Zwei Staatschefs haben danach die Insel besucht.
König Carol II. wurde willkommen geheißen und er hat gesehen, wie arm die Menschen waren. Er hat Steuererleichterungen für eine Reihe von Produkten versprochen und sein Wort auch gehalten. Für Süßigkeiten und Tabakprodukte musste man keine Gebühren mehr zahlen.

Der kommunistische Parteisekretär Gheorghe Gheorghiu-Dej kam 1949 auf die Insel. Auch er hat gefragt, was die Bewohner brauchen. Da die meisten arm waren und keine Arbeitsplätze hatten, hat Gheorghe Gheorghiu-Dej beschlossen, eine kleine Fabrik bauen zu lassen. Er war es auch, der den Vertrag mit Jugoslawien unterschrieben hat, wodurch das Wasserkraftwerk Eisernes Tor I gebaut wurde. Was auch das Ende der Insel bedeutete.

Laut Forscherin Magda Andreescu hätte das Wasserkraftwerk an einem anderen Platz errichtet werden können, nur wäre es nicht so gewinnbringend gewesen. Während des Kommunismus waren Technologie und Elektrizität wichtig, die Insel mit 500 Bewohnern war hingegen keine Priorität, erklärt sie. Als die Entscheidung getroffen wurde, die Insel zu überfluten, wohnten da 150 Familien. Es gab die alte Festung, zwei Fabriken, ein Kino, eine orthodoxe Kirche und eine Moschee, mehrere Cafés und Restaurants, die während der Saison überfüllt waren. Die Häuser und das Minarett wurden in die Luft gesprengt, damit sie den Schiffsverkehr später nicht behindern.

Die meisten Bewohner sind in die Türkei ausgewandert, nur einige von ihnen sind nach Rumänien zurückgekommen. Es fiel ihnen schwer, sich schnell an eine andere Gesellschaft anzupassen. Die in Rumänien Verbliebenen sind in Ortschaften umgezogen, wo es Moscheen gab, hauptsächlich in die Dobrudscha. Der Plan, die Bewohner von Ada Kaleh auf die nicht weit entfernte Insel Şimian umzusiedeln, ist gescheitert, da derjenige, der das Projekt verwirklichen sollte, gestorben ist. Manche wollten auf die andere Insel umziehen, aber niemand hat das organisiert und die Insel Şimian ist immer noch unbewohnt.

Ada Kaleh und ihre Geschichten

Um den Namen der Insel gibt es eine Legende, die besagt, dass es einen Sultan namens Kaleh gab, der sehr verliebt in eine seiner Ehefrauen war. Deswegen hat er sich entschieden, seinen ganzen Harem aufzulösen und allein mit Ada auf der Insel inmitten der Donau zu leben. Weil diese ein solches Schicksal nicht akzeptieren wollte, hat sich die verzweifelte Sultanin ins Wasser geworfen und ist ertrunken. Stumm unter Wasser liegt heute auch die türkische Enklave, die 1700 Meter lang und 500 Meter breit war, mit ihrer jahrhundertealten Geschichte und den damit verbundenen Sagen und Legenden.

Das Klima auf Ada Kaleh war anders als das Klima auf dem Festland: Die Vegetation war üppig mit zahlreichen Sorten von Feigen-, Maulbeer-, Mandel- und Esskastanienbäumen. Die verschiedenen Früchte wurden für die Erzeugung der berühmten Konfitüren verwendet, die auf der Insel zubereitet wurden. Andere Süßigkeiten wie Lokum (Rahat) oder Sorbett, die vorwiegend aus Zucker und Früchten zubereitet wurden, waren bei den zahlreichen Touristen sehr beliebt. Aus Rosen wurden Öl und Parfum hergestellt. Die Hauptstraße auf der Insel hieß Ezarzia, hier befanden sich die meisten Läden, wo man Schmuck, Stoff oder Ada-Kaleh-Zigaretten kaufen konnte. Die Luft roch nach berauschendem Tabak, Tee oder Kaffee. Es war einer der wenigen Orte in Rumänien, wo man im glühenden Sand zubereiteten Kaffee trinken konnte. Die Insel war nah am Festland und exotisch, also der perfekte Ort für romantische Eskapaden. In den Jahren vor der Überflutung hat sich hier der Tourismus stärker entwickelt, weil man schon wusste, dass die Insel nicht mehr sein wird. Für die Besucher wurden spezielle Vorkehrungen getroffen, da die rumänischen Behörden befürchteten, dass die Menschen über die Grenze fliehen könnten: Bei der Ankunft mussten alle ihre Ausweise den Grenzwächtern überlassen. Außerdem durfte man die Nacht nicht auf der Insel verbringen.

Die strikte Überwachung war auch für die jungen Inselbewohner problematisch. Nach 8 Uhr abends gab es keine Möglichkeit, vom Festland zurückzufahren. Wenn sie länger in Turnu-Severin bleiben wollten, um ins Kino oder zum Tanzen zu gehen, mussten sie bis zum Morgen auf eine Transportmöglichkeit warten.

Das Leben war hart und die Menschen einfach. Sie arbeiteten sehr viel, entweder als Bootsführer und Fischer oder in den Fabriken. Manche wesentlichen Produkte, die man auf der Insel nicht hatte, mussten vom Festland gebracht werden, das Feuerholz beispielsweise. Es passierte auch oft, dass die Donau einen hohen Stand hatte, sodass die Häuser überflutet wurden, was aber für die Inselbewohner nicht als großes Problem galt. Die Menschen hatten sich an die launische Donau gewöhnt: Sie brachten ihre Möbelstücke in Sicherheit und machten in Ruhe mit ihrem Leben weiter. Die ehemaligen Inselbewohner sprechen über diese Insel wie über ein verlorenes Paradies, auch wenn sie ihr Leben unter schwierigen Lebensbedingungen führen mussten.

„Schade, dass eine solche Gemeinschaft aufgelöst wurde.“ Die Atmosphäre hier war ganz besonders, erklärt Magda Andreescu. Die Inselbewohner waren wie eine große Familie, alle hatten Vertrauen zueinander und die Türen der Häuser waren nie zugesperrt. Eine kleine Gemeinschaft, die isoliert aber glücklich war, erklärt die Forscherin. Auf der Insel gab es nicht nur Türken, sondern auch Rumänen, Ungarn und Deutsche.

Die Entwurzelung war tragisch, aber die seelische Verbindung der ehemaligen Inselbewohner zu diesem Ort ist nicht ausgestorben: Manche sind nach der Versenkung der Insel in Turnu-Severin oder Orschowa geblieben, da sie die Donau-Gegend nicht verlassen konnten. 
Aber weder die Insel noch die Gemeinschaft und deren Stimmung können rekonstruiert werden. 

Ein potentieller Mittelweg: die Şimian-Insel

Im Rahmen der Ada Kaleh-Wanderausstellung wurde auch ein Prospekt über die Şimian-Insel ausgestellt, um die kleine Insel als Sehenswürdigkeit zu fördern. Die Lokalbehörden in Turnu-Severin arbeiten schon an einem Projekt, wodurch man die wilde und unbewohnte Şimian-Insel umwandeln möchte. Ein Plan für die Gestaltung der Insel wurde schon vorbereitet. Und touristisches Potential gibt es viel, da die Schiffsreisen auf der Donau immer zahlreicher sind. Auf der Insel werden ein kleiner Teil (ein Zehntel) der ursprünglichen sternenförmigen Festung auf Ada Kaleh und der Friedhof wiederangelegt. Aber die Şimian-Insel hat nicht dasselbe Klima wie Ada Kaleh, auch nicht deren vorteilhafte Position. Es ist auch schwer zu glauben, dass ehemalige Bewohner von Ada Kaleh noch zurückkommen würden. Manche seien damit einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass sie nicht die Einzigen sind. Dass eine solche Ansiedlung möglich sein könnte, ist zweifelhaft, bedenkt man, dass die ehemaligen Bewohner in alle Ecken der Welt zerstreut sind.