Erst der Beruf, dann das Studium

Drei Jungs berichten von den Vorteilen der dualen Berufsausbildung nach deutschem Muster

Bogdan Fedorca kommt aus Temeswar. Er absolviert in diesem Jahr die Ausbildung zum Elektriker.

Florian Papuc überzeugte auch seinen langjährigen Freund Romulus, nach Temeswar zu kommen, um hier eine Berufsschule abzuschließen.

Romulus Mărginean: „Ich habe große Ansprüche an mich selbst“. Wie seine beiden anderen Kollegen strebt auch er ein Hochschulstudium an.
Fotos: Zoltán Pázmány

Sie sind jung, intelligent und haben für ihre Zukunft vorgesorgt: Drei motivierte Jungs schließen in diesem Jahr die dreijährige duale Berufsausbildung nach deutschem Muster in Temeswar/Timişoara ab. Drei Vertreter der jungen Generation, die kapiert haben, dass es keine Schande ist, eine Berufsschule zu absolvieren, sondern ein erheblicher Vorteil jenen Schülerinnen und Schülern gegenüber, die lediglich ein theoretisches Lyzeum abschließen. Für sie hört mit der Berufsschule das Kapitel „Ausbildung“ aber noch lange nicht auf. Alle drei wollen anschließend auch ein Lyzeum besuchen, das rumänische Abitur schaffen und weiter studieren. Deutsch lernen und eine Schule zur Ausbildung zum Meister zu  absolvieren, das sind nur einige der Ziele, die die drei jungen Männer verfolgen.

Bogdan Fedorca, Romulus Mărginean und Florian Papuc verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie wünschen sich einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz, die Möglichkeit zum Aufstieg auf der Karriereleiter und – wie nur wenige, die schon einen Beruf in der Tasche haben – weiter zu studieren. Die dreijährige duale Berufsausbildung nach deutschem Muster werden die drei 18-Jährigen in diesem Jahr abschließen. Bogdan Fedorca ist Elektriker, die anderen beiden Jungs haben eine Ausbildung zu Elektromechanikern gewählt.

10.30 Uhr am Technischen König-Ferdinand-I-Kolleg in Temeswar. Die Jungs sind schon da, noch ehe Journalistin und Fotoreporter am Treffpunkt erscheinen. Vielleicht haben die drei die typisch deutsche Pünktlichkeit im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt, vielleicht aber haben sie diese schon immer im Blut gehabt. Wie dem auch sei: „Wir sind jeden Morgen pünktlich um 8 Uhr im Betrieb. Das wird von den Chefs geschätzt – man fällt positiv auf“, sagt Romulus Mărginean. Seine beiden Kollegen teilen seine Meinung. Obwohl sie noch keine richtigen Arbeitskräfte für ContiTech, wo sie zurzeit ihr Praktikum ablegen, darstellen, ist ihre Anwesenheit im Betrieb allemal wichtig. „Man sagt zwar `die Juniors´ zu uns, aber wir werden auf alle Fälle auch sehr ernst genommen“, fügt Florian Papuc hinzu.
Drei Jungs entschieden sich in der neunten Klasse, selbstständig und ungezwungen, für einen Beruf. Und nicht für ein theoretisches Lyzeum. Wieso? „Ich habe über die Vorteile der dualen Berufsausbildung gelesen und das hat mich überzeugt. Ich gebe zu: Auch ich hatte gewisse Vorurteile den Berufsschulen gegenüber, denn man hatte immer gesagt, dass nur die, die es anderswo nicht schaffen, in einer Berufsschule landen“, gesteht Bogdan Fedorca. Der junge Temeswarer, der die Allgemeinbildende Schule Nr. 6 in der Stadt an der Bega abgeschlossen hat, bereut seine Entscheidung, eine Berufsschule zu besuchen, überhaupt nicht. Etwa einen Monat habe es gedauert, bis er sich an das neue Milieu, an die neuen Kollegen und die neue Art des Unterrichtens gewöhnt hat. „Es war ja alles neu am Anfang“, fügt er lächelnd hinzu. Bogdans Eltern haben keine Hochschulstudien. Seine Mutter hat in der Patisserie gearbeitet, sein Vater war ein Leben lang in der Solventul-Fabrik tätig gewesen. Doch seine Eltern haben ihn schon immer dazu ermutigt, sich hohe Ziele zu setzen, sagt er.

Florian und Romulus kommen aus dem Verwaltungskreis Gorj. Genauer, aus der Kleinstadt Rovinari, wo Romulus bereits die neunte Klasse an der Abteilung für Biochemie des dortigen Lyzeums begonnen hatte, als er von der dualen Berufsausbildung nach deutschem Muster erfuhr. Eine Tante seines Freundes Florian habe davon im Fernsehen gehört – Florian habe es dann sofort auch Romulus erzählt. Es dauerte nicht lange, bis für die beiden ganz entschieden feststand: Wir fahren nach Temeswar und lassen uns am Ferdinand-Kolleg einschreiben! Auch Florian hatte bereits die neunte Klasse – Fachbereich Elektromechaniker – in Târgu Jiu begonnen und musste nach dem Wechsel nach Temeswar diese wiederholen. „Ein fester Arbeitsplatz, praktische Erfahrung im Betrieb – was will man mehr?“, sagt Romulus Mărginean. „Meine Eltern haben mich sofort unterstützt, mit der Bedingung, dass ich meine Studien fortsetze. Das hätte ich sowieso getan, denn ich habe hohe Ansprüche an mich“, gesteht der ambitionierte junge Mann, der in Temeswar zur Miete wohnt. Für Florian war es nicht so schwer, ab der neunten Klasse nach Temeswar zu wechseln. Seine ältere Schwester studiert Pharmazie in der Stadt an der Bega. „Auch meinen kleinen Bruder werde ich hierher holen“, sagt Romulus. „Man sieht ihm jetzt schon an, dass er eine gewisse Neigung zur Technik hat“. Romulus´ Vater ist Automechaniker, seine Mutter  Hausfrau. Florians Vater arbeitet als Förster, seine Mutter als Landwirtschaftsagentin im Bürgermeisteramt seiner Heimatstadt.

Die duale Berufsausbildung nach deutschem Muster wurde in Temeswar von mehreren Unternehmen, die Mitglieder im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub „Banat“ sind, initiiert und umgesetzt. Allen voran das Unternehmen Continental, das ausgebildete Fachkräfte suchte und 2012 die erste Klasse – mit 17 Schülern damals – ins Leben rief. Elektromechaniker, Elektriker, CNC-Maschinen-Bediener sind die drei Berufe, die die Schüler des Ferdinand-Kollegs erlernen können. Neun Unternehmen unterstützen in der Stadt an der Bega diese Art der Berufsausbildung – außer dem Ferdinand-Kolleg bietet auch noch das I. C. Brătianu-Kolleg die Berufsausbildung nach deutschem Muster an. Die Schülerinnen und Schüler, die sich für diese Art der Ausbildung entscheiden, bekommen ein Stipendium, wenn sie sich der Schule mit Engagement widmen. Dieses beträgt 400 Lei im Monat – 200 Lei stellt der rumänische Staat, 200 Lei das jeweilige Unternehmen zur Verfügung. „Es kommen auch viele Schüler vom Dorf, für die vor allem dieses Stipendium wichtig ist. Doch wenn sie nicht am Ball bleiben, wenn sie das Lernen vernachlässigen und den Unterricht schwänzen, dann wird auch das Stipendium gestrichen“, sagt Romulus Mărginean. „Nicht alle erkennen die Vorteile der Berufsausbildung. Schade“, fügt Bogdan Fedorca hinzu. Theoretisch sollen in diesem Jahr 24 Elektriker und 22 Elektromechaniker das Ferdinand-Kolleg mit einem neuen Beruf in der Tasche verlassen. Praktisch werden aber nicht alle die Prüfung schaffen, glauben die drei Jungs zu wissen. Außerdem plant nur etwa die Hälfte der Berufsschulabsolventen, anschließend das Lyzeum weiter zu besuchen.

Für Bogdan Fedorca, Romulus Mărginean und Florian Papuc scheint der Lebensweg vorgezeichnet zu sein. Leicht werden sie es aber nicht haben und das wissen alle drei ganz genau. „Nach dem Abschluss treten wir in die Arbeitswelt ein – und werden neben dem Job auch noch das Lyzeum besuchen und lernen müssen, um das Abi zu schaffen. Anschließend steht der Besuch einer Universität an“, sagt Florian Papuc. Höchstwahrscheinlich zieht es die drei Jungs an die TU Politehnica – Mechatronik könnte eine der Varianten, die für sie in Frage kommen, sein. Ihnen wird das technische Studium überhaupt nicht schwer fallen, denn sie wissen schon, was der Beruf konkret bedeutet. „Wir treffen manchmal Studierende der technischen Uni im Betrieb an. In unseren Augen ist es oft zum Lachen, wie wenig praktische Erfahrung sie besitzen“, sagt Romulus Mărginean.

Dass die duale Ausbildung, die sie nun abschließen, auch eine Lebens- und Charakterschule sein kann, das bewiesen die drei bei der Werbeveranstaltung des deutschen Konsulats Temeswar und des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs „Banat“ für dieses von Deutschland übernommene Schulungssystem. Selten haben Lehrer Gelegenheit – und sie waren das hauptsächliche Zielpublikum – so souveräne und selbstbewusste Jugendliche zu erleben, die meisterhaft ihr Lampenfieber in einen glänzenden Auftritt vor großem Auditorium umwandelten.
Am 27. Juli legen Bogdan Fedorca, Romulus Mărginean und Florian Papuc ihre Abschlussprüfung in Temeswar ab. Eine Prüfung, die die drei mit Links schaffen werden, denn schließlich gehören sie zu jenen Auszubildenden, die mit Herz und Seele ihrem Beruf nachgehen. Ans Auswandern denken die drei überhaupt nicht, aber an die persönliche Weiterbildung auf alle Fälle. „Wir wollen einen Deutschkurs belegen und die Schule zur Ausbildung zum Meister besuchen“, sagt Romulus. So können sie schon Mal ihre eigenen Kenntnisse und Erfahrungen auch an andere weitergeben.