„Es geht nicht um mich, sondern um die Idee, für die ich mich einsetze“

Ștefan Vaida verteidigt die Dorflandschaft in Rumänien

Heimweh hatte Ștefan Vaida zum ersten Mal, als er gesehen hat, wie die Arbeit auf einer Baustelle in Berlin organisiert ist. Er hat die traditionelle Arbeitsweise in Rumänien vermisst, denn „die Baustellen sind offen, organisch und dynamisch, nicht so isoliert“. Foto: die Verfasserin

Berlin im Frühling. Rund um den Alexanderplatz wimmeln die Straßen von Touristen. Die evangelische Marienkirche an der Karl-Liebknecht-Straße gehört zu den Top-Sehenswürdigkeiten, die Reisende anziehen. Durch den Besuch der ältesten, städtischen Pfarrkirche in Berlin, die noch sakral genutzt wird, begeben sich viele auf eine Zeitreise ins Mittelalter. Während die Besucher das Fresko „Totentanz im Erdgeschoss“ betrachten und mit ihren Blicken sorgfältig jeden Winkel des Innenraums erkunden, arbeitet der rumänische Restaurator Ștefan Vaida ein paar Etagen über ihnen auf einem Gerüst an der Decke. Seit ungefähr fünf Monaten beschäftigt sich der 35-Jährige gewissenhaft mit Restaurierungsmaßnahmen in der Kirche.

 

Vaida gelingt der Balanceakt zwischen ländlichem und städischem Gebiet, Gegenwart und Vergangenheit, Leidenschaft und Alltag. Er kommt aus dem Dorf Alzen/Alțâna im Harbachtal und die Marienkirche war seine erste Mission, als er im November letzten Jahres in der deutschen Hauptstadt angekommen ist. Im Gespräch zeigt er, wie viele Zentimeter die Wände sich bewegt haben, erklärt, wie jede Fassung einem bestimmten Zeitalter angehört. Die Rankenmotive, der gotische Bogen, die Rippen und die Wendeltreppe: Solche Elemente setzt er als Puzzlestücke zusammen und gleitet mühelos zwischen den verschiedenen Perioden der Geschichte hin und her. In der Berliner Kirche hätte er noch viel zu tun, aber das würde bedeuten, den Sommer in der deutschen Hauptstadt zu verbringen. „Ich bleibe bis Donnerstag“, kündigt der Mann mit der sanften Stimme an. „Im Sommer ist es schön in Berlin, aber auch in Rumänien. Ich will meine Projekte fortführen“, fügt er hinzu.

Das Lieblingsgebiet von Ștefan Vaida ist seine Heimat Siebenbürgen. „Es geht nicht um mich, sondern um die Idee, für die ich mich einsetze“, präzisiert er. Damit meint er seine verschiedenen Aktivitäten, zum einen die Eingriffe an verfallenden Denkmälern in Rumänien, die dringend wiederbelebt werden müssen, zum anderen das Betreiben des interethnischen Harbachtalmuseums. Dabei geht es eigentlich um eine private Kollektion: Zusammen mit seinem Bruder besitzt der Restaurator eine große Sammlung mit über 2000 Objekten, die in 20 Jahren aus ungefähr 30 Dörfern zusammengetragen wurden.

Das interethnische Harbachtalmuseum


Das Museum sei im Schlafzimmer seiner Eltern entstanden: „Wir haben das Zimmer besetzt“, lächelt Vaida. Irgendwann wurde die Sammlung so groß, dass man sich Gedanken machen musste, wie man diese Objekte pflegen kann. So hat er erfahren, dass es einen Beruf, ein Studium über die Restaurierung von Objekten gibt, erinnert sich Vaida. Der Weg, den er beschreiten wollte, war damit klar.
Das Museum hat eine ganz spezifische Richtung: Die Beziehungen zwischen Minderheiten sind ein zentrales Anliegen der ethnografischen Sammlung. Die verschiedensten Objekte hier gehören mehreren Kulturen - der rumänischen, sächsischen, ungarischen und Roma-Kultur. Es geht dabei um Möbelstücke, Trachten, Keramik und Alltagsgegenstände.„Neulich haben wir jüdische Objekte gefunden, Grabsteine, die ich ausstellen will“, begeistert er sich. Besonders gerne erinnert sich der Restaurator an einen Stein aus dem Jahre 1746, der im Fundament eines sächsischen Hauses gefunden wurde und den er „Ana“ nennt. Dabei muss er an die Legende des Meisters Manole denken, auch wenn es nicht klar ist, ob die Sachsen mit dieser Geschichte von der eingemauerten Ehefrau vertraut waren. Die Sammlung wächst ständig. Das Ziel der Gründer ist es, das Museum zu einem lebendigen Ort für Aktivitäten in verschiedenen Bereichen zu gestalten, wie zum Beispiel Bildung, Forschung, Handwerk, Tourismus.


Das noch nicht offizielle Museum wird von mehr als 1000 Menschen jährlich besucht, informiert Vaida. Er betätigt sich als Restaurator und Fremdenführer: „Ich kombiniere beides, auch wenn es scheint, dass es unterschiedliche Sachen sind. Alle Restaurationsprojekte haben eine Gemeinsamkeit – Siebenbürgen. Es ist kein Zufall, dass es unlängst eine Podiumsdiskussion zum Thema Fachtourismus in Siebenbürgen in der rumänischen Botschaft gab. Viele Spezialisten wollen mehr erfahren und werden Touristen. So kommt man in Kontakt mit ihnen, denn sie wollen eine Restaurationsstelle sehen, sie wollen die Techniken und Materialien kennenlernen, die wir benutzen. So entstehen allerlei Partnerschaften und Austäusche.“ Aber er könne nicht mehrere Besucher empfangen. Er kümmere sich alleine darum und pa-rallel müsse er auch arbeiten, so Vaida. „Auch wenn die Touristenanzahl von einem Jahr zum anderen um ungefähr 20 Prozent wächst, stellt sich die Frage, wie wir darauf reagieren, wie wir Tourismus gestalten, damit er nicht toxisch wird.“ Eine der Fragen auf der Tagesordnung bezieht sich auf Siebenbürgens Kirchenburgen. Wichtig ist, zu entscheiden, was mit ihnen geschieht, welche Rolle sie haben sollen, werden sie zum touristischen Reiseziel oder haben sie nur kulturelle Bedeutung?


Eine Ambulanz für verfallende Gebäude


Die rurale Landschaft ändert sich ständig, erklärt der Restaurator. „Wir kümmern uns eher um laizistische Bauten in den Dörfern“. Die Mode aus dem Westen oder aus der Stadt beeinflusst die gesamte Architektur - Menschen zerstören Fassaden, dekorative Elemente, und benutzen manche Materialien, nur weil sie modern sind. Dramatische Veränderungen gibt es auch bezüglich der Farben, erläutert Vaida: Nach dem Kommunismus – in dem die dominierende Farbe grau war – wollen die Menschen ihre Häuser pink, türkis oder orange. Deshalb werden Häuser im ländlichen Gebiet auch fotografisch dokumentiert. In nur ein paar Jahren ist so ein riesiges Archiv entstanden, das über 20.000 Häuser aus Landkreisen wie Hermannstadt/Sibiu, Kronstadt/Brașov und Neumarkt/Târgu Mureș umfasst. Nun soll eine Datenbank für architektonische Elemente aufgebaut werden, die Fachleuten dienen soll, die sich mit solchen Gebäuden beschäftigen wollen.


Ștefan Vaida widmet sich dem traditionellen Dorfleben in mehrfacher Hinsicht. Er gehört zu den Mitbegründern des Vereins Monumentum. Die Organisation existiert seit 2012 und ihr Ziel ist der Schutz der traditionellen Architektur in Rumänien. „Durch unsere Organisation Monumentum greifen wir ein und der Schlüssel unserer NGO ist der Rettungswagen“, sagt Vaida. Wie kann man ein Denkmal retten? Mit einem gut ausgestatteten Rettungswagen, ein paar Experten und lokalen Handwerkern und 10 bis15 freiwilligen Architekturstudenten. „Ein Mal pro Monat rettet man ein Denkmal. Prinzipiell geht es eher um Dächer, egal ob Holzkirchen oder Wehrburgen in Siebenbürgen – wir wollen nur die Gebäude für die nächsten 30 bis 40 Jahre in Sicherheit bringen. Was mit dem Denkmal später passiert, ist nicht mehr unsere Mission. Die Gemeinschaft hat dann ein paar Jahrzehnte Zeit, sich zu überlegen, was sie mit dem Denkmal machen kann. Wir wollen nur das Leben des Objekts verlängern“, erläutert der Restaurator.