„Es liegt viel Freude in der Arbeit mit dem Buch“

Interview mit Marilena Brânda, Leiterin des Buchverlags der West-Universität Temeswar

Marilena Brânda: „Ich biete das Buch als Allheilmittel an.“
Fotos: Zoltan Pazmany

Marilena Brânda leitet den Buchverlag der West-Universität Temeswar, zieht drei Kinder auf und liebt Bücher über alles. Über Bücher und die Kunst, diese an den Mann zu bringen, sprach mit ihr ADZ/BZ-Redakteurin Ştefana C i o r t e a - N e a m ţ i u.

Frau Brânda, wie sieht bei Ihnen ein Arbeitstag im Verlag aus?

Der Tag beginnt früh und endet spät am Abend. Denn neben dem Geplanten tauchen sicher auch immer viele andere Dinge auf. Wir redigieren und drucken den ganzen Tag lang, planen die Teilnahme an Buchmessen, erarbeiten den Pressespiegel zu den bereits erschienenen Buchtiteln. Wir versuchen, so gut wie möglich für alles zu werben, was im Verlag der West-Universität erscheint. Das Unvorhersehbare eines jeden Tages ist ein Anreiz, lässt einen nicht einschlafen, man vergisst leicht, dass der Arbeitstag acht Stunden hat. Wenn man stark impliziert ist, spürt man nicht, dass die Zeit vergeht und es sind Themen, die einen anregen. Kein Arbeitstag ist langweilig. Es steckt viel Freude in der Arbeit an einem Buch und mit den Autoren. Sicherlich ist es nicht immer ein ebener Weg, aber die ständigen Hochs und Tiefs lassen einen ruhigere Tage umso mehr schätzen.

Wie funktioniert die Beziehung zu den Autoren?

Der Autor bringt das Manuskript, mehrere Leute schauen sich das an, der Leitungsstab des Verlags, dann beginnt ein langer Dialog mit dem Autor, angefangen mit der Frage, in welcher Kollektion der Titel erscheinen soll, bis hin zum Format - allem, was zur internen Organisation gehört und zum Erscheinen des Buches. Wenn man schon zur Druckversion kommt, möchte vielleicht der Autor noch etwas ändern, es ist ein ständiger Dialog, den ich persönlich anrege, weil mir viel an jedem Buch liegt, das bei uns erscheint, und ich möchte, dass wir uns lange daran erfreuen. Man kann sich an dem Objekt Buch nur dann mit allen Sinnen erfreuen – am Äußeren, Deckel oder Inhalt, wenn man vorher einen permanenten Dialog mit dem Autor führt. Das Buch in seiner elektronischen Variante wandert zwischen dem Verleger und diesem mehrmals hin und her, erst aus dem kontinuierlichen Dialog entsteht ein gutes Produkt. Dieser Vorgang kann nur wünschenswert sein.

Wie viele Bücher haben Sie in den beiden Jahren begleitet, seitdem Sie beim Verlag arbeiten?

Das sind an die 120 Titel gewesen – in diesem Jahr mehr als im vergangenen.

Welches ist heute der Platz und die Rolle eines akademischen Verlags in der Verlagslandschaft? Wie werden akademische Verlage vom Publikum wahrgenommen?

Sie werden sehr gut wahrgenommen. Sicherlich legt ein akademischer Verlag seinen Schwerpunkt auf die Titel, die von den Lehrkräften stammen, die an Universitäten lehren, was uns betrifft, von der West-Universität in Temeswar. Doch die Rolle eines solchen Verlags ist nicht nur, die Autoren der eigenen Universität zu veröffentlichen und zu fördern, bekannt zu machen, sondern meiner Meinung nach auch, Übersetzungen bedeutender Bücher aus anderen Sprachen in den Lehrbereichen der Universität zu veröffentlichen. Das fände ich sehr angebracht. Es würde mir sehr gefallen, wenn die Lehrkräfte außer ihren Manuskripten auch Übersetzungen vorschlagen würden.

Im internationalen Kontext ist es wichtig, den Studenten den Zugang zu den besten Lehrmitteln zu gewährleisten. Sicherlich ist es zudem angebracht, eine oder zwei Kollektionen herauszubringen, die kommerziell sind. Dabei denke ich nicht an  leichte Lektüre, sondern an bekannte, bewährte Autoren, denen man entgegenkommen sollte, wenn sie in unserem Verlag veröffentlichen wollen, auch wenn sie nicht an der Universität angestellt sind - weil es uns eine Ehre ist. Bücher solcher Autoren herauszubringen, ist ein gegenseitiger Gefallen. Wir haben auch Kollektionen, die nicht zur akademischen Nische gehören, wie zum Beispiel „Dialoguri, interviuri“ (Dialoge, Interviews), in der Interviews veröffentlicht werden, die leicht lesbar sind und sich gut verkaufen.

Können Sie drei Bücher nennen, die sich gut verkauft haben und vom Publikum besonders gut aufgenommen wurden?

Ich kann Ihnen mehrere Namen nennen, die sich gut verkaufen lassen, es ist schwierig, von 120 Büchern nur drei herauszugreifen. Aber ich nenne die Bücher von Prof. Otilia Hedeşan, oder von Prof. Dan Negrescu, das Interviewbuch von Cristian Pătrăşconiu, die Bücher von Prof. Marcel Tolcea oder die des Dichters und ehemaligen Professors Şerban Foarţă, er hat drei Bücher bei uns veröffentlicht. Ich kann nicht nur drei Namen nennen. Und es geht nicht nur um den Umsatz, sondern auch um Werbung. Solche Autoren werfen ein gutes Licht auf den gesamten Verlag, auf nationaler wie auf internationaler Ebene. In diesem Jahr waren wir auf der Buchmesse in Budapest dabei, letztes Jahr waren wir in Belgrad, wir versuchen, uns zumindest hier in der Nachbarschaft bekannt zu machen.

Sie nehmen auch an Buchmessen im Inland teil, an wie vielen solchen Events pro Jahr?

Wir gehen abwechselnd nach Jassy/Iaşi, Craiova oder Klausenburg/Cluj-Napoca, jedes Jahr zwei Mal nach Bukarest, zum Bookfest und zur internationalen Buchmesse Gaudeamus. Dazu kommen die Buchvorstellungen, in diesem Jahr waren es zirka 35 in Temeswar und auch in Lugosch/Lugoj.

Welches Zielpublikum haben Sie?

Einerseits sind es selbstverständlich die Studenten der West-Universität, an-dererseits das breite Publikum. Täglich haben wir Anfragen per Internet und verschicken Bücher nach Sălaj, Buzău, Constanţa. Wir richten uns an alle. Das Internet macht dies leichter. Indem wir auf der Internetseite Bücher vorstellen, kann jeder, der Interesse hat, ein Buch bestellen.

Haben Sie es als Verlegerin schwerer, ist das Verlagswesen eine Männerwelt?

Nein, keinesfalls. Auf Rumänisch ist das Buch – „cartea“ – ein Femininum. Es ist eine schöne Welt, eine große Chance, in diesem Bereich zu arbeiten, weil es eine Arbeit ist, die nicht müde macht. Die Welt der Verlage hat kein Geschlecht.

Wie sieht es mit dem Gleichgewicht zwischen Familie und Arbeit aus?

Es gibt kein Gleichgewicht. Es gibt Jahre, in denen die Waage in Richtung Familie zieht, dann wiederum in Richtung Arbeit. Als die Kinder klein waren, habe ich mich vorwiegend ihnen gewidmet. Jetzt arbeite ich hier, die Kinder sind das Publikum, sie haben sich hier integriert und da ich mehr als acht Stunden pro Tag arbeite, kommen sie manchmal mit mir. Es gefällt ihnen und zwei meiner drei Kinder wünschen sich, ebenfalls Verleger zu werden. Sie freuen sich, hier zu sein. Wenn wir Buchmessen in Temeswar haben, dann sind sie auch immer mit dabei, sie sind glücklich dabei und fühlen sich richtig heimisch.

Wie bringen Sie Menschen dazu, ein bestimmtes Buch in die Hand zu nehmen?

Ich suche kulturelle Vermittler, die das Buch präsentieren. Tatsächlich muss man oft zu Tricks greifen, um den Zugang zum Buch zu erleichtern. Ein Beispiel: Eine Überraschung in diesem Jahr war für mich, ein Flugdrachenfestival zu organisieren, aber der Schwerpunkt dabei ist nicht auf den Drachen gefallen, sondern auf das Buch, weil ich Verlegerin bin und mir das Buch nahe steht. Ich habe das Festival „Scripta volant“ genannt, zusammen mit Şerban Foarţă. Er hat ein Buch herausgebracht, das so betitelt ist: „Scripta volant. Mică enciclopedie a zmeielor“ („Scripta volant. Kleine Enzyklopädie der Drachen“). Das Festival war rund um das Buch aufgebaut. Şerban hat den Text geschrieben, ich habe das Buch in Form eines Flugdrachen herausgebracht und dann wurde es Seite für Seite hoch in den Himmel lanciert. Es ist das erste Buch, das ich auf diese Weise vorgestellt habe. Der Drachen ist ein wunderbarer Kulturvermittler.

Ohne diesen Aufwand wäre bei einer normalen Buchvorstellung viel weniger Publikum zusammengekommen. So waren es am ersten Tag 6000, am zweiten 2000 Leute. 8000 Menschen, die an einer Kulturveranstaltung teilnehmen, hatten wir noch nie! Somit habe ich diesen Trick gefunden: Sport, Kunst, Literatur, es gibt so viele Texte über Drachen. Die Besucher kommen zum Festival, um die Drachen anzuschauen, aber man zeigt ihnen auch den Buch-Drachen, es gibt Workshops für kreatives Schreiben, für Lektüre. Es sind viele Schriftsteller zugegen, bildende Künstler. Wir haben auch eine Zeitschrift für Kinder vorgestellt, „Fabulafia“. Es ist interessant, wie ein Objekt, das von außerhalb der Schreibzone kommt, wie der Drachen, das Publikum zur Lektüre mitreißt.

Es wird ständig beklagt, wie wenig heutzutage gelesen wird. Warum sollte man heute noch lesen?

Für mich ist das so augenscheinlich, dass Lesen glücklich macht. Man kann mit Hilfe eines guten Buches schwierige Momente oder auch Depressionen überbrücken. Das Buch gibt einem die Chance des Entfliehens, der kleinen Freuden, wenn die Wirklichkeit nicht mehr ausreicht, die Chance, einen zu sich selbst zurückzuführen. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Leser gäbe. Das Lesen bringt einen nicht nur weiter in einem bestimmten Bereich und auf den neuesten Wissensstand, es bringt einen auch zu sich selbst zurück. Es bildet, macht einen zu dem was man ist, es bietet einem  das Leben an, das man nicht führt, denn wir wissen nicht, wie viel wir nach außen leben und wie viel in der inneren Welt.

Ich habe keine Rezepte für die Leser, aber ich greife zu Tricks und komme damit an die Öffentlichkeit ran, um ihre Aufmerksamkeit auf dieses einfache Objekt zu richten: das Buch, das einen so bereichert. Und es kann einen Unterschied machen. Ein gebildeter Mensch ist ein Mensch, der anders an Probleme herangeht, sie anders löst, nicht in den Problemen untergeht.

Ich muss zugeben, ich habe nie Verständnis gehabt, wenn meine Kinder nicht lesen wollten. Bei allen dreien habe ich dasselbe Rezept angewandt: Sie haben anfangs ungefähr ein-zwei Jahre lang lesen müssen. Ich habe es ihnen eingebläut, ich wusste nicht, wie ich das anders hätte handhaben sollen. Ich habe ihnen eine gewisse Zeit pro Woche für die Lektüre eingeräumt, nicht eine gewisse Anzahl Seiten oder Bücher.

Bei jedem von ihnen hat es zirka ein Jahr - anderthalb Jahre gedauert, bis sie dann selbst entschlossen das Buch in die Hand genommen haben.
Sie lesen jetzt überall, auch im Auto. Wenn wir auf einer Buchmesse sind, muss ich sie bremsen. Wenn ich von jedem von ihnen eine Liste mit zwölf Büchern bekomme, dann ist es nicht nur schwierig, sie zu bezahlen, sondern auch, sie zu schleppen. Aber ich glaube, in jedem Alter kann dieses Bedürfnis nach einem Buch, nach dem Lesen, entstehen. Ich biete das Buch als Allheilmittel an.