EU-Wahlen unterm Chaosstern

„Krieg der Populisten mit Europa” titelte die Zeitung der Gruppe für Sozialen Dialog (GDS), „22”, einen Beitrag über das, was in den kommenden drei Monaten des Wahlkampfs für das Europaparlament auf uns zukommt. Der Wahlkampf hat Fahrt aufgenommen. Noch nicht offiziell, aber alle Interessenten beziehen Stellung. In Rumänien machten es die „bewährten“ Parteien wie immer: In ihren höchsten Gremien verteilten sie unter sich die Kandidatenposten (oder haben das vor – siehe die PSD) in geheimnisvoller Stille. Es geht, auch hier, um reiche Pfründe und hohe Rentenzusicherungen, egal ob der EU-Parlamentarier in Brüssel und Straßburg den Mund aufmacht oder vor sich hindöst (siehe Vasilica Dăncilă, die mittels Dahindösen und Daddy-Protektion Premierministerin Rumäniens wurde...).

Transparent den Wahlkampf fürs EU-Parlament eingeläutet haben hierzulande die an dieser Stelle bereits in einen positiven Kontext gestellten USR und +PLUS, mit ihrer „Allianz 2020“. Die Cioloș-Partei schleppt noch Bleikugeln am Fuß mit (den Nationalisten Avram Fițiu, einen persönlichen Freund von Dacian Cioloș – ?!? – und den wegen Kritik an Fițiu auf Vorschlag von Cioloș aus +PLUS ausgeschlossenen George Gima). Erfreulich, dass zu den +PLUS-Kandidaten auch der vielseitig engagierte Roma Valeriu Nicolae gehört. Übrigens: es spricht sich in Intellektuellenkreisen Rumäniens herum, dass ein politisches Tandem Dacian Cioloș (+PLUS, Präsident) – Dan Barna (USR, Premierminister) weitaus beträchtlichere Sympathie- und Wahlchancen hätte als das Tandem Klaus Werner Johannis – PNL (Ludovic Orban, oder egal wer), das die letzten Präsidentschaftswahlen entschieden hat.

Hinsichtlich der Wahlen für das EU-Parlament (23.-26. Mai) gibt es noch viel Unbekanntes. Etwa: In wie viel Ländern finden nun die Wahlen statt, in 27 oder 28 (ein Brexitdatum steht noch immer nicht ganz fest...)? Oder: Werden 705 EU-Parlamentarier gewählt (27 Staaten) oder 751(mit Großbritannien)? Vorsorglich gibt es einen Schlüssel, mit dem die beim Brexit frei bleibenden Parlamentssitze auf die restlichen 27 verteilt werden (Rumänien bekommt einen mehr, insgesamt sind es dann 33 für unser Land). Gewinner der Umverteilung sind Frankreich und Spanien (jeweils plus fünf EU-Parlamentarier).

Außer für die Kandidaten stellen die EU-Wahlen für Rumänien traditionell ein geringes Interesse dar. Die Wahlbeteiligung lag immer unter dem EU-Durchschnitt: am 25. November 2007 (bei den Wahlen nach EU-Beitritt) bei 29,5 Prozent (EU-Durchschnitt bei den regulären Wahlen 2004: 45 Prozent); 2009 bei 26,5 Prozent (EU-Durchschnitt: 41,97 Prozent); 2014: 30,4 Prozent (EU-Durchschnitt: 42 Prozent). Allerdings verzeichneten 2014 die Slowakei (12,7 Prozent), Tschechien (18,14 Prozent), Polen (23,1 Prozent), Slowenien (23,5 Prozent), Kroatien (24,3 Prozent), Ungarn (28,8 Prozent) und Lettland (29,9 Prozent) geringere Wahlbeteiligungen. Über dem EU-Durchschnitt lag Litauen (44,7 Prozent).
Dadurch, dass die Rechtspopulisten (Lega Norte, Alternative für Deutschland, Front National, Dänische Volkspartei, FPÖ usw.) und die Illiberalen Ostmitteleuropas konsequent ihre Fronten ausbauen und Bereitschaft zum Zusammenrücken zeigen (das Resultat wäre eine starke ultrarechte EU-Parlamentsfraktion), werden auch die Pro-Europäer gezwungen, klar Flagge zu zeigen. Nur Macron tut es. In Rumänien ist keiner über Lippenbekenntnisse hinweggekommen.

Außerdem steigt die Gefahr der Cyber-Bedrohungen der Sicherheit der Wahlen besorgniserregend. Fake News können wahlentscheidend werden, zumal die politische Rechte Europas beste Kontakte zu Moskau pflegt. Nicht zuletzt: Wir reden von EU-Wahlen, meinen aber Wahlen auf nationalem Gebiet. Belgien organisiert am EU-Wahltag einfach auch eigene Nationalwahlen. Frankreich will am 26. Mai ein Referendum zu den „Gelbwesten” veranstalten...