Ex nihilo?

„Ex nihilo nihil!“ (Titus Lucretius Carus, De rerum natura, I, 149). Aus Nichts wird nichts. Die neue Regierung Rumäniens des in fünf Legislaturperioden durch nichts Positives aufgefallenen Mihai Tudose (PSD), zusammengebastelt aus der Vorgängerregierung des als Politclown in die Geschichte eingehenden Sorin Grindeanu (PSD), erinnert unwillkürlich an die Trivialinterpretation des Versanfangs bei Lukrez. Nicht zufällig gab Cicero das Lehrgedicht des von den griechischen Epikuräern Inspirierten heraus, der durch Selbstmord endete. Hauptziel des Lukrez war, den Menschen die Furcht vor Göttern und Tod zu nehmen.

Ob Präsident Johannis mit der raschen und pragmatischen Vereidigung der Tudose-Regierung tatsächlich die Regierungskrise beendete – ob die Jasager-Meute von Parteichef Dragnea diesmal „integrer und kompetenter“ ist als im Januar 2017? Dass Johannis nach Cicero handelte, „Ex malis cligere minima oportet“ (= unter vielen Übeln das Kleinste wählen), ist offensichtlich. Der Kontext, unter dem Cicero das schrieb, sollte aber bekannt sein. Drei Tage nach dem Mord an Caesar ließ Antonius sukzessive die Tempel des Tellus und der Concordia schließen, wo jeweils der Senat tagen sollte – um es den Senatoren unmöglich zu machen, freie Entscheidungen zu fällen. Die geflüchteten Praetoren Brutus und Cassius ersetzte Antonius durch von ihm ausgewählte. So schreibt Cicero in seinem Buch über die Pflichten (De officiis): „Jetzt, da der Senat machtlos, die Justiz nur noch eine Formsache ist – was könnte ich, meiner würdig, tun, entweder in der Curie, oder im Forum? Jetzt, flüchtend vor den Kriminellen, die überall herumwimmeln, verberge ich mich, so gut ich´s kann. Ich bin oft allein. Doch weil ich von weisen Menschen lernte, dass es nicht nur notwendig ist, unter vielen Übeln das Kleinste zu wählen, sondern daraus zu entnehmen, was das Beste sein könnte, erfreue ich mich auch meiner Freizeit. Sicher, nicht jener Freizeit, der sich diejenigen erfreuen müssten, die vorher der Stadt ihre Freiheit wieder gaben (Cicero bezieht sich auf die Niederschlagung der Verschwörung des Catilina – Anm. wk) und ich möchte auch nicht darben in jener Einsamkeit, die mir die Umstände aufzwingen. Aber: mein Wille zwingt sie mir nicht auf.“

Überwältigend, wie antikes Geschehen seine Entsprechung in der Gegenwart haben kann. Wer ist Mihai Tudose, den Präsident Johannis, sein öffentliches Versprechen ignorierend (keinem mit dem Recht in Konflikt Geratenen seine präsidiale Absegnung zu geben – Tudose hat ein Plagiat zugegeben und die Annullierung des Doktortitels gefordert), umgehend zum Premier nominierte? Den rumänischen Medien vertrauend, antwortete Tudose im Dezember 2014, als er Wirtschaftsminister der „Ponta 4“-Regierung wurde: „(Ich bin) 1,98 m groß, 100 Kilo schwer und glaube, (das) zu stemmen“. Der erste Premier, der eine private Hochschule beendete (als Abgeordneter...); zahlreiche „Fortbildungen“ als SRI-Oberstleutnant („Beamter mit Sonderstatus der Einheit UM 0472“, wo auch seine Frau, Loredana Ivan, für ein Jahresgehalt, 2016, von 88.525 Lei arbeitet); Hochschuldozent (ohne „Dr.“) an der Geheimdienstakademie (Voraussetzung war der Doktortitel. Tudose kaufte das Opus von Polizeikommissar Radu Andriciuc 2008 – die Arbeit erwies sich als zu über 60 Prozent abgekupfert; Tudose forderte den Entzug des eigenen Doktortitels – erst, als der Dozentenposten im Trockenen war... den er, nach anderen Quellen, an „seiner“ Hochschule, der privaten „Dimitrie Cantemir“, bekleidet); Doktorat 2010 beim „Unterhosengeneralissimus“ Gabriel Oprea an der Geheimdienstakademie; verdeckter Mitarbeiter des SRI. Bacchus eng verbunden, angeblich.
Der neue Premier Rumäniens hat sicher genug Schwächen, um bei Bedarf geschasst zu werden. Ex nihilo nihil?