Fiktion, realisier dich!

Präsident Johannis hat recht, wenn er sagt, dass die gegenwärtigen Machthaber Rumäniens keine vernunftbestimmten Reaktionen mehr haben, dass sie nicht nach rationellen Kriterien urteilen. Sie glauben fest an ihre Fiktionen und beurteilen den Gang der rumänischen Welt – zunehmend aber auch der EU und der „Fremdheit“ des Auslands – nach „Parallelstaat“, „internationalem Komplott” gegen Rumänien (hinter dem – ganz nach ungarischem Vorbild – der ungarisch-jüdisch-amerikanische Milliardär G. Sörös steckt, sowie dessen „interne Agenten” – der Präsident, die Zivilgesellschaft, alle liberalen Denker und Journalisten, aber auch die Geheimdienste und die multinationalen Firmen). Sie sind felsenfest überzeugt, einzeln „gejagt“ zu werden (Daddy Dragnea von den „vier in dunkle Anzüge gekleideten Männern“, von Johannis und der Justiz).

Ihr Verfolgungswahn geriert hysterische Ausbrüche vor laufender Kamera (Dragnea jüngst vor den Medien mit einem Anfall und dem Ausruf, dass Präsident Johannis ihn erschießen solle...). Sie glauben voller Ernst an ihre als Fiktionen und Massenmanipulationen lancierten Behauptungen, leben jetzt deren unwirkliche Verwirklichung aus, Dragnea, dass seine Prozesse und Verurteilungen Teil einer Verschwörung sind, die ihn physisch vernichten will – keineswegs legale und routinemäßige Justizaktionen gegen einen Gesetzesübertreter, dem das Unrechtsbewusstsein fehlt. Aus ihrer Sichtweise gibt es keine legale Aktion der Justiz, sobald sie gegen sie selbst oder ihre Clique/Partei gerichtet ist, nur obskure Machenschaften (der „Ratten“, wie Dragnea seine sämtlichen Gegner zu nennen beliebt), die „wahrscheinlich“ im Ausland (dem Ursprung allen Rumänenhasses) ihren Stützpunkt haben.

So gesehen kann man es Dragnea abkaufen, dass es seine ehrliche Meinung ist, wenn er im Brustton der Überzeugung behauptet, dass die Demo vom 10. August aus dem Ausland und von Johannis koordiniert war, mit dem Ziel, die PSD-Gutmenschenregierung (voller Kompetenzloser, doch Dragnea-Treuer) zu stürzen. In seinem Hinterwäldlerkopf kann eine Regierung der PSD nur aus dem Ausland gekippt werden, durch Agenten der internationalen Anti-PSD-Verschwörung. „Normal“ für Dragnea ist, dass die Gegner seiner (All)Macht vor allem aus den Reihen der „geflüchteten Rumänen“ kommen. Die „bezahlt“ sind, „manipuliert”, bestenfalls von Inlandsgegnern der PSD „desinformiert“. Andere können unmöglich gegen die PSD sein, die doch dem Volk so viel Gutes tut.
„Komplotte“, „Verschwörungen“, „Manipulationen“ sind der Wahlsieg von Klaus Johannis 2014, der Brand im Club Colectiv von 2016, die mächtigen Anti-PSD-Demos von Anfang 2017, der Fall der Grindeanu- und der Tudose-Regierung der PSD 2018.

Vernunftbestimmt denken, heißt bei Politikern, ihre Ideen und Pläne – sofern sie so etwas überhaupt haben, über das pure Ausleben der Macht hinweg – an die Realitäten anzupassen. So gesehen, ist die Vergeudung allen Nationaleinkommens für populistische Lohnerhöhungen (die bloß die Inflation anheizen und den Geldwert mindern) einfach unvernünftig, irrational. Natürlich sind die heutigen Machthaber Rumäniens – ausgenommen Präsident Johannis, aber der leidet an anderen, ebenso folgenschweren Schwächen – keine Ausnahme unter den Politikern des vergangenen Jahrhunderts (bald haben wir die Jahrhundertfeier der modernen Staatsgründung Rumäniens...).

Politische Aktion aus dem unverrückbaren Glauben an die eigenen (politischen und ideologischen) Fiktionen heraus, die für real gehalten werden, der Versuch, die Realität der Fiktion anzupassen und die Behauptung, die Fiktion (an dieser Stelle könnte das schöne deutsche Wort „Hirngespinnst” stehen) sei reeller als die Realität, auch das sind Gründe zum Scheitern der PSD-Politik.
Nur: Fiktionen werden mit und von der Zeit widerlegt, nicht immer vom Verstand.