Franz Karl Remmel zum Gedenken

Foto: Zoltán Pázmány

In den Morgenstunden des Dienstags, dem 7. Mai 2019, hat uns unser ehemaliger Redaktionskollege, der Ethnologe, Schriftsteller und Journalist Franz Karl Remmel (geboren am 5. September 1931) für immer verlassen. Er wurde gestern in Perjamosch/Periam neben seinen Eltern und Vorfahren auf dem „Altdorfer Friedhof“ bestattet.


Franz Remmel (für Freunde: „Feri“) entstammte einer wohlhabenden Perjamoscher Familie (Sägewerksbesitzer, Holzhändler, „Großbauern“), die, nach dem Zweiten Weltkrieg durch das kommunistische Regime enteignet, nach Siebenbürgen zog. Hier studierte er Pädagogik und Journalistik und wurde schließlich Lehrer. 1966 wechselte Remmel als Kreiskorrespondent zum „Neuen Weg“ nach Hunedoara, wo er mit seiner Ehefrau Stella seinen ständigen Wohnsitz in einer Blockwohnung nahm und von wo aus er zeitweilig auch in Temeswar als Journalist tätig war. In den Anfangsjahren der Nachfolgezeitung des „Neuen Wegs“, der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ (ADZ), arbeitete er noch mit, um danach in Rente zu gehen.


Sein literarisches Debüt gab er 1974 mit einem kollektiven Reportage-Band über Hunedoara/Eisenmarkt, „Verheißene Zukunft“ (Kriterion Verlag, Bukarest). Er selbst bezeichnete „Über alle sieben Meere“ (Albatros Verlag, Bukarest, 1978) als sein Buchdebüt. Daraufhin folgten mit relativer Regelmäßigkeit „Karawanen auf der Todesstraße“ (Albatros, 1982), „Zwischen Wellen und Wind“ (Facla Verlag, Temeswar, 1982), „Der Schwarze Pirat“ (Dacia Verlag, Klausenburg, 1984), „Sterne, Sonne, Sand“ (Dacia, 1987) und „Safari“ (Albatros, 1989), meist Bücher, die Weltenbummler aus den Reihen der Rumäniendeutschen zu ihren Hauptgestalten machten.


1993 erscheint im Wiener Picus Verlag „Die Roma Rumäniens – Volk ohne Hinterland“, ein Buch, das eine Reihe eröffnet, die sich Remmels Hauptbeschäftigung im Alter bis zu seinen letzten Lebenstagen widmet: die Zigeuner Rumäniens. Dazu sei betont, dass Franz Remmel – trotz heftigen Gegenwinds im Namen politischer Korrektheit aus dem deutschen Sprachraum – stets auf den Ethniebegriff „Zigeuner“ als einzig richtigem bestand. Sein Paradebeispiel für Doppelzüngigkeit der (deutschen) Forschung: „Die deutschen Wissenschaftler studieren die `Sinti` und `Roma` und nennen ihre Wissenschaft `Tsiganologie`! Wenn du aber einen rumänischen Zigeuner mit `du Rom` oder `du Sinti` ansprichst, solltest du dich nicht wundern, wenn er erst mal böse zurückfragt: `Warum beleidigst du mich? Ich bin ein Zigeuner!`“


Außerdem hatte Franz Remmel jederzeit Dutzende Beispiele parat, um „Zigeuner“, all der historischen Belastungen der semantischen Sphäre des Begriffs zum Trotz, als einzig richtige Bezeichnung für „Die Fremden aus Indien“ zu rechtfertigen, schließlich kommt „Zigeuner“ aus dem (Neu-)Griechischen und bedeutet „Fremder/Fremde“. Remmel: „Oder sollen wir Lehárs Operette „Zigeunerliebe“ politisch korrekt in „Sinti- (oder gar Roma-)liebe“ umtaufen?“


2002 folgt „Wohin führt der Weg? Ein Mosaik zur rumänischen Romagesellschaft“ (Hermann &Alfred Arnold, 2002), 2003 im Kronstädter Aldus Verlag das Werk „Nackte Füße auf steinigen Straßen. Zur Leidensgeschichte der rumänischen Roma“, in dem die Deportation der rumänischen Roma nach Transnistrien thematisiert wird, und im Anschluss kommt eine Serie von Roma-Büchern auf den Markt, die im Reschitzaer Intergraf-/Banatul Montan-Verlag erschienen sind: „Der Turm zu Babel: ein Mosaik der rumänischen Romagesellschaft“ (2004), „Alle Wunder dauern drei Tage“ (2005), „Die rumänischen Roma in Daten und Fakten“ (2006 –  ein erster Band, dem einige Jahre darauf – von Remmel in unserem Briefverkehr so getauften: „behelfsmäßigen Quasi-Kompendium über die Roma Rumäniens“ - mehrere Fortsetzungsbände folgen sollten, deren letzter er kurz vor seinem Tod mit dem 31. Dezember 2018 abschloss - und bis Ende April 2019 noch Korrekturen nachschob - und der noch zu veröffentlichen ist), „Botschaft und Illusion. Zeugnisse zur Literatur der rumänischen Roma“ (2007), „Zigeunersitte – Zigeunerrecht. Traditionen im Alltag der rumänischen Roma“ (2008 – der wahrscheinlich wichtigste Band Franz Remmels über die Roma Rumäniens,, denn hier werden erstmals die Zigeunergesetze, die ausschließlich mündlich weitergegeben und von den „weisen Männern und Frauen“, vor allem von den Zigeunerrichtern – den „Krisnitore“ – angewandt wurden, öffentlich gemacht). Sein Nachschlagewerk – 1997 lancierte die Budapester „Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst der Roma“ den Plan, ein „Lexikon der Roma“ herauszubringen, doch getan hat sich bis heute nichts, weshalb sich Remmel zum „Quasi-Kompendium“ entschloss – wurde fortgesetzt mit „Vor- und Zwischenfälle. Die rumänischen Roma im Spiegel der Zeiten“ (2011), „Gedanken und Bedenken – Begebenheiten aus der rumänischen Roma-Gesellschaft 2012-2015“ (2016) und soll abgeschlossen werden mit dem für September 2019 geplanten Erscheinen von „Wohin führt der Weg? Die rumänischen Roma zwischen New Delhi und New York“, wahrscheinlich im Temeswarer Cosmopolitan Art Verlag.


Roma-Forscher weltweit haben das Erscheinen dieses Handbuchs zu den rumänischen Roma, aber auch insgesamt Franz Remmels bislang zwölf Bücher zum Thema, mit denen er zum Teil Neuland beschritten hat, begrüßt. Hierzu zählen Prof. Dr. Donald Kenrick aus London, Dr. Dr. Michael Zimmermann aus Essen, Prof. Dr. Hermann Arnold aus Aschaf-fenburg, Prof. Dr. Hartmut Wolff aus Passau, Dr. Beate Eder vom Institut für vergleichende Roma-Literatur in Innsbruck, Prof. Dr. Lew Tscherennikow aus Moskau, Dr. Renate Erich und Prof. Mozes Heinschink aus Wien.

Für seine Roma-Forschungen erhielt Franz Karl Remmel große Anerkennung: das Ehrendiplom der Internationalen Forschungsgesellschaft für Romologie, Budapest, zwei Ehrendiplome und eine Ehrenmedaille seitens des Königshauses der rumänischen Roma, der Cioabă-Dynastie (Remmel war elf Jahre lang Berater des Dynastiegründers Ion Cioabă), das „Goldene Ehrendiplom“ der Internationalen Wissenschaftlichen und Kulturellen Forschungsgesellschaft für Romologie Budapest und die Goldene Verdienstnadel der Republik Österreich. Rumänischerseits hat sich Remmel keinerlei Ehrung von keinem seiner Präsidenten erfreut, was auch ein Zeichen dafür ist, dass hierzulande immer noch Vorurteile bis in die Spitzen des Staates gegenüber den zigeunerischen Mitbürgern und denjenigen herrschen, die sich – wenn auch „nur“ wissenschaftlich und dokumentarisch – mit diesen beschäftigen.