FUEV-Kongress fand in Klausenburg statt

Minority-SafePack-Initiative will eine Million Unterschriften sammeln

Symbolisch unterschreibt FUEV-Präsident Loránt Vincze beim feierlichen Start der Unterschriftensammlung zur Minority-SafePack-Initiative im Schloss Bánffy. In der Europäischen Union gehören rund 60 Millionen Menschen einer ethnischen oder sprachlichen Minderheit an.
Foto: Mihály László

Der Jahreskongress der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), der zwischen dem 17. und 21. Mai in Klausenburg/Cluj-Napoca abgehalten wurde, stand in diesem Jahr im Zeichen der „Minority SafePack Initiative“ (MSPI), einer Initiative, die es anstrebt, den Schutz der nationalen und sprachlichen Minderheiten zu verbessern und die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Europäischen Union zu stärken. Gastgeber des Kongresses sowie der Generalversammlung war der Ungarnverband UDMR in Zusammenarbeit mit der Ungarischen Bürgerpartei (MPP) und Fara Armâneascâ dit România, der politischen Interessenvertretung der Aromunen in Rumänien.

Noch im September 2013 lehnte die Europäische Kommission die Registrierung der Bürgerinitiative ab, da sie außerhalb des Kompetenzrahmens der Europäischen Kommission angesiedelt sei. Der Vorsitzende der UDMR, Hunor Kelemen, nannte die Ablehnung „eine politische Entscheidung“ und der damalige FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen erklärte: „Wir werden deswegen unsere Kampagne für mehr Minderheitenrechte nicht aufgeben.“ Den anschließenden Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof gewann die FUEV im Februar dieses Jahres. Nach Überzeugung der Richter hat die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt, da sie weder angegeben hat, welche der im Anhang des Antrags genannten Maßnahmen nicht in ihre Zuständigkeit fallen, noch die Gründe, auf denen diese Schlussfolgerung beruht. Während der Diskussionsrunde zur Vorstellung der MSPI stellte Kelemen fest, dass sich die Stimmung der Kommission nach dem Brexit vollkommen geändert habe. „Die Gerichtsentscheidung vom 3. Februar war ein grandioser Sieg.“ Gleichwohl verkündete die Europäische Kommission, dass sie im Hinblick auf zwei der elf Vorschläge sich weiter nicht in der Lage sieht, diese gesetzlich umzusetzen. Die von der FUEV geforderten politischen Maßnahmen betreffen die Bereiche Regional- und Minderheitensprachen, Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Partizipation, Gleichheit, audio-visuelle Mediendienste und andere mediale Inhalte sowie regionale und staatliche Förderungen.

Innerhalb eines Jahres müssen nun eine Million Unterschriften in mindestens sieben der 28 EU-Mitgliedstaaten gesammelt werden, um die Europäische Kommission zu einem Rechtsakt aufzufordern. Die Registrierung der Bürgerinitiative fand bereits am 3. April statt, der feierliche Start der Unterschriftensammlung am Freitagabend im Schloss Bánffy in Bonţida. Schon während der Begrüßungsreden verkündete Hunor Kelemen, dass die UDMR 200.000 Stimmen allein in Siebenbürgen sammeln werde. Momentan wird an der technischen Umsetzung der Online-Unterschriftensammlung gearbeitet. Anfang Mai wurde die Initiative im EU-Parlament in Brüssel vorgestellt. Vor den EU-Abgeordneten verkündeten die Politiker der Südtiroler Volkspartei, Daniel Alfreider und Herbert Dorfmann: „Durch diese Initiative werden die Grundsteine für die Zukunft der Minderheiten in Europa gelegt.“ Doch bisher interessiert sich die Europäische Union kaum für den Schutz ethnischer Minderheiten, stattdessen überlässt sie ihn den Nationalstaaten, für die Diversität häufig nicht mehr als ein Slogan ist. Ist die Unterschriftensammlung erfolgreich, wird im EU-Parlament eine Anhörung stattfinden, an der auch die Kommission teilnehmen muss. Anschließend muss die Kommission innerhalb von drei Monaten eine rechtliche und eine politische Stellungnahme abgeben und entscheiden, ob ein neuer Gesetzesvorschlag gemacht werden kann. Eine Verpflichtung der Kommission, die Bürgerinitiative umzusetzen, besteht aller-dings nicht. Fünf Jahre nach Einführung dieses Instruments der politischen Teilhabe hat noch keine einzige der EU-weiten Unterschriftensammlungen eine Gesetzesänderung bewirkt.

Große Aufmerksamkeit erhielten während des gesamten Kongresses die ungarischen Minderheiten im Donau-Karpatenraum. „Das Leben war nicht einfach, nicht für die Rumänen während der ungarischen Herrschaft und das Leben war nicht einfach für die Ungarn, als Siebenbürgen zu Rumänien kam ... und es war nie einfach für die Roma“, stellte FUEV-Präsident Loránt Vincze in seinem Eröffnungsbeitrag fest. Erst im Februar hatte die ungarische Gemeinschaft einen symbolischen Erfolg in Klausenburg feiern können, als das Stadtgericht das Bürgermeisteramt aufforderte zweisprachige Ortstafeln anzubringen. Die erste Tafel wurde am Tag vor dem FUEV-Kongress aufgestellt. „Ein Zeichen für Normalität … nach 28 Jahren“, so Vincze. Und doch wollte der Klausenburger Bürgermeister Emil Boc das letzte Wort behalten. Denn neben „Cluj-Napoca“ und „Kolozsvár“ ist auch „Klausenburg“ sowie „Municipium Aelium Naponcense ab Imperatore Hadriano Conditum (117-138)“ auf den aufgestellten Tafeln zu lesen. Dabei sind Schilder in mehr Sprachen als die geforderte Minderheitensprache stets ein beliebtes Mittel minderheitenfeindlicher Verwaltungen, die Sprache der Minderheit, in diesem Fall Ungarisch, zu entwerten. Der Einladung zum Kongress kamen weder Emil Boc noch Minister oder Staatssekretäre nach. Das schriftliche Grußwort des Klausenburger Bürgermeisters kritisierte Hunor Kelemen als Schönmalerei – verlesen wurde es nicht.

Gleichwohl wurde während der Konferenz auch deutlich, dass es neben den ethnischen Gruppen, die von einem guten Minderheitenschutz profitieren, wie die Deutschen in Belgien oder den Deutschen und Dänen im dänischen Nordschleswig bzw. deutschen Südschleswig sowie den Minderheiten in Ostmitteleuropa, die ihre Anliegen auf regionaler und nationaler Ebene artikulieren können, auch Minderheiten gibt, die deutlich schlechter gestellt sind. Das betrifft insbeson-dere Minderheiten in Griechenland, zu denen die Türken und Aromunen gehören, aber auch die Minderheiten in Frankreich. Beide Staaten erkennen weder auf ihrem Gebiet lebende ethnische Gruppen als nationale Minderheiten an, noch schützen sie die Sprachen dieser Völker. Und es betrifft überall in Europa die Roma. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte einen seiner Redebeiträge an Linda Greta von der Asocia]ia Comunitar˛ a Romilor din Coastei abgegeben, damit eine lokale Roma-Organisation die Möglichkeit bekommt, über die Situation der Roma in Rumänien und speziell in Klausenburg zu informieren. Denn vor mehr als sechs Jahren wurden 76 Roma-Familien ohne legale Prozedur aus dem Zentrum von Klausenburg vertrieben und in Baracken nahe der städtischen Mülldeponie ins Pata-Rât-Viertel umgesiedelt. „Ich wünsche mir, dass die FUEV uns beisteht und hilft. Es bringt uns doch nichts, wenn wir nur zu Kongressen eingeladen werden“, so Greta in ihrem Schlusswort.

Mit einer Schweigeminute gedachten die Vertreter am Donnerstag zudem der Vertreibung der Krimtataren am 18. Mai 1944. Auf Befehl von Josef Stalin wurden vor 73 Jahren Hunderttausende Krimtataren nach Usbekistan deportiert, Zehntausende starben in den Zügen, die sie nach Zentralasien bringen sollten. Die anwesenden Vertreter der Krimtataren appellierten an die FUEV, dass diese einen Kalender mit „schwarzen Tagen“ der Minderheiten erstellen möge, um mehr über die zum Teil schmerzhaften Geschichten einiger Völker zu erfahren und ein umfassendes Gedenken zu ermöglichen.
Während der Generalversammlung am Samstag nahmen die FUEV-Vertreter verschiedene Resolutionen an, welche die betreffenden Staaten anmahnen, die Rechte der auf ihrem Territorium lebenden nationalen Minderheiten zu achten bzw. ethnische Gruppen überhaupt als nationale Minderheiten anzuerkennen. Eine der Resolutionen fordert die rumänische Regierung auf, die Aromunen als nationale Minderheit anzuerkennen, damit diese die Möglichkeit erhalten, ihr sprachliches, kulturelles, religiöses und geistiges Erbe besser zu schützen. Den wohl wichtigsten Satz des Kongresses sprach Loránt Vincze eher beiläufig: „Bevor wir unsere eigenen Nationalstaaten kritisieren, sollten wir zunächst uns selbst hinterfragen. Wie behandeln wir unsere eigenen Minderheiten – die Roma, sexuelle und religiöse Minderheiten?“