Gefährliche Dialoge und couragierte Unterhaltungen

Siebente Konferenz der Internationalen Mediatoren für den Frieden in Bukarest

Die Vorstandsvorsitzende der „Mediators Beyond Borders“, Prabha Sankaranarayan.

Von Friedrich Nietzsche ist der Ausspruch überliefert, wer seine Gedanken nicht aufs Eis zu legen verstehe, der solle sich nicht in die Hitze des Streits begeben. Einen kühlen Kopf zu bewahren – das ist vielleicht die Grundtugend, die Menschen haben müssen, die in Konflikten vermitteln. Mediatoren nennt man sie. Und sie haben ein anspruchsvolles Geschäft, denn es geht nicht darum, in einem Konfliktfall zu entscheiden, wer Recht und wer Unrecht hat. Das ist die Aufgabe von Richtern – und wenn es soweit kommt, ist es meist schon zu spät. Mediatoren hingegen müssen versuchen, ihre Bewertungen, ihre Gefühle gegenüber den Parteien „auf Eis“ zu legen, denn sie sollen keine Urteile fällen, sondern Konflikte lösen. Und ein Konflikt ist erst dann gelöst, wenn alle beteiligten Parteien ihr Gesicht und ihre Interessen gewahrt sehen.

Mediation oder Vermittlung ist ein altes Geschäft, schon im antiken Griechenland war es die Aufgabe bestimmter Personen, in öffentlichen und privaten Konflikten zu vermitteln.

Spricht man aber von Mediation oder Mediatoren, so heben viele Menschen noch immer fragend die Augenbrauen. Doch mehr und mehr wird das Fremdwort „Mediator“ als professionelle Berufsbezeichnung benutzt. Mediation wird inzwischen auf allen Ebenen angeboten: bei Eheproblemen, beim Nachbarschaftsstreit, aber auch zur Lösung von Konflikten zwischen Wirtschaftsunternehmen oder auf der politischen Ebene. Auch in Rumänien gibt es inzwischen einen Verband der Mediationszentren (Uniunea Centrelor de Mediere din România), in dem Mediatorinnen und Mediatoren organisiert sind.

Mediation ist aber nicht nur eine oft sehr wirksame Methode der Konfliktlösung, sie ist auch wichtig, um Konflikte, die schon ausgebrochen sind, zu befrieden und zu versuchen, erneute Gewalteskalationen zu verhindern. Dies zum Ziel gesetzt hat sich die internationale Nichtregierungsorganisation „Mediators Beyond Borders International“, die vom 23. bis 25. April zu ihrem siebenten Kongress zusammentraf. Zum ersten Mal fand diese Zusammenkunft mit mehr als 300 Teilnehmenden in Bukarest statt. Drei Tage lang diskutierten Mediatorinnen und Mediatoren aus aller Welt im JW Marriot Bucharest Grand Hotel die Frage, wie Mediation zur Friedenssicherung beitragen kann.

„Mediators Beyond Borders International“ (MBB) ist eine US-amerikanische als gemeinnützig anerkannte Organisation, die im Jahr 2007 gegründet wurde und seitdem rege internationale Aktivitäten entfaltet. 2012 wurde ihr der Konsultativstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen verliehen, womit ihr Einfluss auf der internationalen Ebene weiter gewachsen ist. Mit drei Schlagwörtern fasst MBB sein Anliegen zusammen: Capacity (Befähigung), Advocacy (Fürsprache) und Service (Dienstleistung). Mit Capacity geht es darum, Individuen und Organisationen auszubilden und zu befähigen, Konflikte zu lösen und zu helfen, die Wunden, die Konflikte bei Einzelnen und in Gemeinschaften geschlagen haben, zu heilen. Advocacy meint die weltweite Werbung für mediative Konfliktlösungsverfahren. Service die Bereitstellung von Trainings und Beratungen in konkreten Fällen.

Das klingt reichlich abstrakt, wurde aber durch die Diskussionen und Berichte auf dem Kongress mit Leben gefüllt. So berichtete Imam Mohammed Ashafa von der Arbeit im Interreligiösen Mediationszentrum in Nigeria. Dort arbeitet er seit vielen Jahren mit dem Pastor James Wuye zusammen. Die beiden waren einst Feinde in einem erbitterten Konflikt zwischen Christen und Moslems im Norden Nigerias, erkannten jedoch, dass sie trotz ihres unterschiedlichen Glaubens ein gleiches Interesse an Frieden und Aussöhnung hatten. Seitdem ist das Zentrum ein Musterbeispiel des interreligiösen Dialogs geworden, und seine beiden Gründer zu gefragten Vermittlern in religiösen Konflikten weltweit. Immer wieder wurde dabei deutlich, wie symptomatisch das Motto der Tagung „Gefährliche Dialoge und couragierte Unterhaltungen“ gewählt war. Nicht nur Ashafa, auch viele andere Mediatoren und Mediatorinnen berichteten von den zum Teil lebensgefährlichen Umständen, unter denen sie in Konflikten vermitteln.

Ein Schwerpunkt des Kongresses lag auf den Rechten der Frauen. Nur vier Prozent aller Stühle an den Verhandlungstischen seien von Frauen besetzt, beklagte die Vorsitzende von MBB, Prabha Sankaranarayan, in ihrer Eröffnungsrede. Das müsse sich ändern, denn schließlich seinen 50 Prozent aller von Konflikten betroffenen Personen Frauen. Auch eine Weiterbildung, an der 25 Mediatoren im Vorfeld der Konferenz teilnehmen konnten, widmete sich diesem Thema. Das dreitägige Training, an dem, neben Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus der Region, Mediatorinnen und Mediatoren aus Südostasien teilnehmen konnten, befasste sich mit der Frage nach der Rolle von Frauen in friedensbildenden Prozessen. Dabei kam nicht nur zur Sprache, wie Frauen in Führungspositionen als friedensstiftende Mediatorinnen gestärkt werden können. Auch Fragen von Geschlechtergerechtigkeit und entsprechenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen standen auf der Tagesordnung.

Im Rahmenprogramm der MBB-Tagung waren auch rumänische Politiker vertreten. So war der Bürgermeister des ersten Bezirks der Hauptstadt, Andrei Chiliman, zur Eröffnung eingeladen und ein Staatssekretär aus dem Justizministerium bekam Gelegenheit, die Erfolge der rumänischen Regierung der letzten drei Jahre zu preisen. Auch sei der Justizminister ein großer Freund von Mediationsverfahren und würde viel zu deren Verbreitung beitragen.

Insgesamt handelte es sich um eine spannende Veranstaltung, die eine große Bandbreite an Projekten international tätiger Mediatoren präsentierte, und deutlich machte, wie wichtig Mediation zur Friedenssicherung ist. Ein schaler Nachgeschmack bleibt dennoch. Zum einen weil, trotz des „International“ im Namen, der MBB eine amerikanische Institution ist, in deren Vorstand überwiegend US-Amerikaner sitzen. Zum andern, da sie auch mit Partnerorganisationen wie Sovereignty First kooperiert. Nach der Selbstdarstellung von Sovereignity First wird diese Agentur sehr vom US-Militär geschätzt und unterstützt. Ob solche Akteure gute Partner für Mediationsprozesse sind, scheint mir fraglich. Denn hier spielt, wir kommen zurück zu Nietzsche, weniger der kühle Kopf, als der „Wille zur Macht“ eine Rolle.