Gefühlvoller Blickwechsel mit der Hauptstadt

Vernissage der Fotoausstellung „Bukarest in Schwarzweiß“ im Schillerhaus

Von den schönen Seiten Bukarests überzeugt sind der Vorsitzende des Vereins „Bucureştiul meu drag“, Andrei Bîrsan, und Kuratorin Mirela Momanu.
Foto: George Dumitriu

Sie fingen die Katzen auf den Treppen ein, den Milchverkäufer, die Gruppe junger Leute am Imbissstand. Zuckerbäckerkirchen, eingeengt zwischen Blocks, futuristische Glasfassaden vor endlosblauem Himmel. Nichts ist zu gewaltig, nichts zu trivial. Nichtmal vor dem Gasflaschenverkäufer machten die Fotografen Halt. Mal witzig, mal gigantomanisch, mal subtil oder romantisch – so blickt uns die Hauptstadt aus gläsernen Rahmen unverblümt mitten ins Gesicht. Bukarest, einmal anders: fotografiert in schlichtem Schwarzweiß. Eine Ausstellung im Kulturhaus „Friedrich Schiller“, realisiert von den Fotografen der Vereinigung „Bucureştiul meu drag“ (Mein liebes Bukarest), die es sich zum Ziel gesetzt hat, die liebenswerten Seiten unserer Heimat- oder Wahlheimatstadt in Szene zu setzen.
„In einer Zeit, in der fototechnisch alles möglich ist, kommt ausgerechnet die Schwarzweißfotografie als neues Leitmotiv zurück“, stellt Projektkoordinatorin Aurora Fabritius anlässlich der Vernissage am 10. Juli fest. „Sie lässt Raum für Spontaneität, Geduld, Sensibilität“. Das Fehlen der Farbe nimmt der Hauptstadt die störenden Geräusche. Spiele mit Licht und Schatten setzen kontrastreiche Akzente, die durch gezieltes Weglassen Atmosphäre schaffen.

Über 154.000 Fotografien zu Bukarest umfasst das virtuelle Gedächtnis der seit 2007 existierenden Vereinigung, Herausgeber einer gleichnamigen Online-Zeitschrift (www.orasul.ro), verrät Kuratorin Mirela Momanu. Doch warum ausgerechnet Bukarest? Der Vereinsvorsitzende Andrei  Bîrsan interpretiert die Stadt als Erweiterung unserer Wohnung und verleiht ihr damit eine persönliche Note. „Nur, dass wir das, was uns dort anspricht, nicht selbst bestimmen, wie das Dekor in den eigenen vier Wänden, sondern erst entdecken müssen.“ Zum Beispiel beim Stopp an der Ampel: „Sehen Sie sich mal die Details an, die Leute, die Architektur“, fordert er heraus. Das Ergebnis der völlig verschiedenen Blicke der 36 ausstellenden Fotografen, die bei der Vernissage zugegen waren, überrascht. „Selten habe ich eine solche Dichte guter Fotografen pro Quadratmeter erlebt – eine superbe Form freundschaftlicher Rivalität!“ lobt Fachkollege George Dumitriu und bekräftigt: „Die Hauptstadt verdient es, ästhetisch dargestellt zu werden – denn unsere gegenwärtige Geschichte wird eines Tages ein historisches Dokument sein.“

Mit der musikalisch von Prof. Dumitru Sascău auf dem Akkordeon und Klavier untermalten Vernissage wird auch eine Partnerschaft zwischen dem Kulturhaus „Friedrich Schiller“ und dem Verein „Bucureştiul meu drag“ initiiert. Das Schillerhaus will damit an eine langjährige Tradition an Fotokursen und Fotoausstellungen anknüpfen, verrät Direktorin Mariana Duliu. Als zukünftiges Projekt stellt sie die Fotografen gleich vor eine besondere Herausforderung: „Das Bukarest der deutschen Minderheit“ soll das nächste Thema lauten.