Gerichtsentscheidung: Kinosäle der Stadt überlassen

Die Räumlichkeiten sollen zu Kulturzwecken genutzt werden

Insgesamt neun alte Lichtspielhäuser in Temeswar könnten demnächst von RADEF in die Verwaltung der Stadt Temeswar übergehen. Im alten Arta-Kino könnte das DSTT einen weiteren Aufführungsraum bekommen.
Foto: Zoltán Pázmány

Vor der Wende hatte fast jedes Stadtviertel in Temeswar/Timişoara einen eigenen Kinosaal. Vor allem an Wochenenden sorgten die Kinos für Unterhaltung und Freizeitbeschäftigung gleich um die Ecke, und sie waren immer voll besetzt. Kurz nach 1990 wurden viele dieser Säle aufgegeben: Sie wurden Bingo-Säle oder Discos, oder sie blieben ganz einfach sanierungsbedürftig zurück. Allein das Timiş-Kino ist noch von all diesen auch in den letzten Jahren offen geblieben und zeigt heute noch ein bis zwei Filme pro Woche.

Die Alternative bietet seit einigen Jahren die internationale Kinokette „Cinema City“ in der Iulius-Mall, wobei im Multiplex aber nur kommerzielle Hollywoodfilme und internationale Kassenschlager gezeigt werden. Die Lage soll sich aber demnächst ändern, denn die Stadt Temeswar könnte mehrere alte Lichtspielhäuser zurückbekommen und diese so vor dem Verfall gerettet werden. Die Räume sollen neu eingerichtet und für Kulturzwecke genutzt werden.

RADEF gerichtlich bezwungen

Vor einem Jahr hat die Temeswarer Stadtverwaltung das Netzwerk des Rumänischen Landesunternehmen für Filmvertrieb (RADEF) vor das Gericht zitiert. Im Visier waren insgesamt neun alte Temeswarer Kinos, die von RADEF verlassen und anschließend sanierungsbedürftig zurückblieben. Die Stadtverwaltung hat nun auch einen neuen Grund zur Freude: RADEF muss laut der neuerlichen Gerichtsentscheidung die Säle der Stadtverwaltung überlassen. Die Entscheidung ist jedoch nicht rechtskräftig, doch das entmutigt die Behörden nicht, ihr Projekt fortzusetzen: „Wir bleiben optimistisch“, ließ Nicolae Robu vor Kurzem wissen. „Wir müssen diese Säle wieder in Betrieb nehmen“, fügt er entschlossen hinzu.

Die Räume der ehemaligen Kinos sollen für verschiedene künstlerische Aufführungen genutzt werden, betont der Temeswarer Bürgermeister. Die ehemaligen Kinohäuser, unter anderen Dacia, Timiş, Victoria, Arta, Unirea und Freidorf, sollen projektgemäß saniert und von verschiedenen Kultureinrichtungen der Stadt verwendet werden.

Die Stadt hat derzeit keine Kinemathek und keinen Raum, wo nichtkommerzielle und Kunstfilme ausgestrahlt werden. Der Verein „Pelicula culturală“ hat schon vor einigen Jahren den Kampf gegen das Massensterben der alten Lichtspielhäuser gestartet und setzt sich dafür ein, dass auch in Temeswar regelmäßig unabhängiges Kino, abseits vom Hollywood-Mainstream, auf die Leinwand kommt.

Zusammen mit dem Verein „Marele Ecran“ wird zum Beispiel der europäische Film in nicht konventionellen Räumen gefördert – so wurden bereits Filme im Hof der Temeswarer Sternwarte, im Experimentarium-Forschungszentrum oder auf dem Fußballplatz in Gottlob gezeigt.

Für diese Vereine und ihre Initiativen soll es demnächst auch einen eigenen Raum in Temeswar geben. Das Timiş-Kino in der Temeswarer Innenstadt soll zum Beispiel die künftige Kinemathek der Stadt beherbergen. Hier sollen Kunstfilme, zu denen das Publikum schwerer Zugang hat, ausgestrahlt werden. Auch das Deutsche und Ungarische Staatstheater Temeswar könnten auch je einen neuen Theatersaal zugesprochen bekommen. Dafür wären die Räume in den ehemaligen Arta- und Victoria-Kinos ideal, heißt es im Neueinrichtungsprojekt.

Stadt braucht Kulturraum

Das Bürgermeisteramt von Temeswar hat lange Zeit mit der Verwaltung des Netzwerks des Rumänischen Landesunternehmens für Filmvertrieb um die verlassenen Kinosäle in der Bega-Stadt gekämpft. Am Ende der ersten gewonnenen Auseinandersetzung stand die Überlassung des Capitol-Saals der Banater Philharmonie. Nach langem Disput ist dieser 2011 in die Verwaltung der Stadt übergegangen, und seitdem kann er von der Banater Philharmonie benutzt werden. Neben den Konzerten der Staatsphilharmonie, die von der Stadt finanziert wird, werden hier zeitweilig auch Filme (meistens rumänische Produktionen) gezeigt sowie Konzerte und Theateraufführungen organisiert.

Die rumänische Regierung hatte damals durch eine Dringlichkeitsverordnung entschieden, dass neben dem Capitol-Saal auch der Capitol-Sommergarten in den Besitz und unter die Verwaltung des Temeswarer Kommunalrates zurückgeht. Das ehemalige Freiluftkino wurde zu Beginn des vergangenen Sommers neu eingerichtet und eröffnet. Zahlreiche Veranstaltungen – Konzerte und Filmvorführungen - fanden hier im Vorjahr statt.

Alte Lichtspielhäuser sorgten für Kontroversen

Das Erbe der ehemaligen Kinosäle ist bereits seit Jahren umstritten. Ende 2006 wurde entschieden, dass aus RADEF-Besitz landesweit insgesamt 18 Gebäude in die Administration der jeweiligen Stadtverwaltungen übergehen müssen. Die ehemaligen Kinosäle sollten dann zu Kultureinrichtungen umfunktioniert werden. Die freie Gewerkschaft „România Film“ focht 2007 die Regierungsbeschlüsse an, die RADEF zur Übergabe der Kinogebäude an die jeweiligen Stadtverwaltungen gezwungen hat. Diese wollte das Patrimonium des Kinobetriebs zurückgewinnen, doch sie verlor.

Den Übergang von der Stadtverwaltung zu RADEF müssen insgesamt 17 Kinos landesweit durchführen, so die neueste und unwiderrufliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.