Geschichten eines Wasserlaufes

Reisereportagen österreichischer Journalistinnen über die Donau

Das Buch wurde dem Bukarester Publikum auch anläßlich der Buchmesse Bookfest von Jutta Sommerbauer präsentiert. Duygu Özkan, Jutta Sommerbauer: „Lesereise Donau. Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer“. Picus Verlag Wien, 2014, 131 S., ISBN 978-3-7117-1046-8. Bestellbar unter amazon.de, Preis: 14,90 Euro

Kapitän Bach und seine thailändische Ehefrau in ihrem schwimmenden Wohnzimmer. Der slowenische Sportler Martin Strel, der in 58 Tagen die gesamte Donau durchschwamm. Ali Tunaligil und seine Heimat, die untergangene türkische Insel Ada Kaleh, die bis 1971 in der Donauenge des Eisernes Tores lag. Kaviarjäger, die Störe bei ihrer Wanderung stromaufwärts bedrohen. Eine junge Dorfbürgermeisterin im Delta, Valentina Hancharenko, die sich einen höheren Lebensstandard für die Bewohner wünscht. Diese und viele weitere interessante Menschen aus dem Donauraum gelten als Hauptfiguren der Reportagenserie, die unlängst als Buch unter dem Titel „Lesereise Donau. Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer“ im österreichischen Picus Verlag erschienen ist. „Es ist faszinierend – man entdeckt, wie viele Geschichten es um diesen Fluss und rund um diesen Fluss gibt, obwohl die Donau nicht der schönste oder der malerischste Fluss ist“, erklärte Koautorin Jutta Sommerbauer in einem Inteview, nachdem sie die soziokulturelle Vielfalt der Donauländer auf ihren Reisen unter die Lupe genommen hat. Die 3000 Kilometer lange Lesereise deckt zahlreiche Lebensbereiche ab. Dabei geht es nicht um Informationen zu touristischem Potenzial, wirtschaftliche und geschichtliche Aspekte werden jedoch behandelt. Mit Bussen, Schiffen, Flugzeugen und Zügen, Taxis und Pferdefuhrwerken haben die Autorinnen eine Reise unternommen, während der sie die Geschichten direkt von Kapitäten, Fischern, Landwirten und Umweltschützern erfahren haben. Die Donau, Europas zweitgrößter und zweitlängster Fluss, entpuppt sich als mehr als nur ein Wasserlauf – sie ist Weg und Schauplatz verschiedenster Geschichten oder Zeuge historischer Erreignisse.

Auf dem Weg entlang des großen Flusses gibt es zehn Länder, die an die Donau grenzen. Die zwei Autorinnen teilten sich die Donau in der Mitte: Die im Jahre 2012 mit dem Anerkennungspreis der Caritas Wien ausgezeichnte Journalistin Jutta Sommerbauer bevorzugte den Osten Europas für ihre Reportagen, sie reiste flussabwärts von Serbien bis zur Ukraine. Ihre Kollegin Duygu Özkan, vor drei Jahren zur Chronik-Journalistin des Jahres für das Bundesland Wien ausgewählt, bereiste die Donauländer von Deutschland bis Kroatien. „Entlang des Flusses wimmelt es von Geschichten. Einige davon haben wir aufgegriffen. Es war unser Ziel, Menschen zu begleiten, die eine besondere, lebensnotwendige oder innere Beziehung zur Donau haben. Ihre Vergangenheit und ihren Alltag wollten wir in den Mittelpunkt rücken“, meint eine der Autorinnen im Vorwort. Ursprünglich recherchierten die beiden Redakteurinnen der österreichischen Zeitung „Die Presse“ für 18 Reportagen, die als Artikelserie im Rahmen des Projekts „Donautor“ erschienen sind. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien durchgeführt. Daraus entstand  später ein Buch.

Die Reportagen sind inhaltlich aussagekräftig, die zitierten Daten klar und umfassend dargestellt. Alles wird zu einem Gebilde zusammengefügt, das einen Überblick über die Bedeutung der Donau im Donauraum im Laufe der Jahre bietet. Auch die Sinneswahrnehmungen der Reisenden werden dem Leser vermittelt - auf diese Weise konturiert sich ein Schreibstil, der  ins Schwarze trifft. Der Leser reist mit der Autorin und erlebt alles hautnah mit: „Es dauert vielleicht eine Viertelstunde. Dann kommt sie gekrochen durch die dicken Wollsocken, die Thermohose und die Funktionsjacken, die wir über mehreren Pullover- und T-Shirt-Schichten tragen. Unbeirrbar bahnt sie sich ihren Weg, Lage um Lage, bis sie unseren Körper erreicht hat und uns im Boot erzittern lässt. Die feuchte Kälte des Donaudeltas.“ Die Menschen haben sich an die widrigen Umstände ihrer Heimat angepasst. Interessant auch die Reportage über die Störe, die von Kaviarjägern bedroht werden: Der Titel des Kapitels lautet „Die Könige der Donau“ – und der Leser fragt sich, mit Königen meint die Autorin die Störe oder die Kaviarjäger? Des Weiteren stellen die Journalistinnen lebensnahe, anscheinend alltägliche Aspekte unter Fragezeichen. Wie pflegt man Freundschaften und vereinbart Arzttermine, wenn man sein ganzes Leben auf einem Schiff verbringt? Welche sind die Schwierigkeiten, mit denen die Deltabewohner konfrontiert werden? Was passiert mit den Insulanern, die ihre jahrzehntealte Sehnsucht nach der untergegangenen türkischen Enklave in der Mitte der Donau nicht stillen können? Wie kann man die Störjäger bei ihren illegalen Aktivitäten stoppen?