Gnadenbild lässt seit über 300 Jahren Wunder geschehen

Gläubige aller Konfessionen beten zur Heiligen Maria von Radna

Domherr Andreas Reinholz erzählt über die 14 Wunder, die auf dem Gnadenbild dargestellt sind.

Das Gnadenbild von Radna wurde 2015, anlässlich der Generalüberholung des Wallfahrtskomplexes, nach Budapest gebracht, um dort restauriert zu werden.
Zoltán Pázmány

Ein Wunder ist geschehen, sagten damals, vor mehr als dreihundert Jahren, die Menschen aus Radna. Immerhin war die kleine Holzkapelle der Franziskaner komplett niedergebrannt, allein das Gnadenbild der Heiligen Maria mit Jesuskind im Arm blieb unversehrt. Die Türken hatten 1695 die Kapelle angezündet, doch der Papierdruck überlebte den Brand. Es war das erste Wunder von Maria Radna – unzählige sollten in den Jahren danach folgen.

350 Jahre ist es her, seitdem das Gnadenbild der Heiligen Maria in Radna bewundert werden kann. Die Ikone stammt aus dem Atelier des Buchdruckers Remondini aus Bassano del Grapa, einer 43.000-Einwohner-Stadt, die zur Provinz Vicenza gehört, im Norden Italiens. Ein einfacher Händler, Georg Vriconosa, hatte das Bild in diesen Landesteil Südost-europas gebracht und es 1668 der Kapelle der Franziskaner aus Radna geschenkt, nachdem er es jahrelang bei sich zu Hause aufbewahrt hatte. Das Bild thront heute über dem Hauptaltar der Basilika Minor und lenkt dank seines vergoldeten Sonnenstrahlen-Rahmens alle Blicke auf sich.

Der Druck besteht aus zwei Teilen, die in der Mitte zusammengefügt wurden. Auf dem Bild zu sehen: Eine Skapulier-Madonna, eine barocke Darstellung der Mutter Gottes, mit Jesuskind im Arm. Die beiden Gestalten tragen zwei Goldkronen mit Edelsteinen auf ihren Köpfen – die massiven Schmuckgegenstände wurden 1820 in Wien hergestellt und vom Fürstprimas und Kardinal Sándor Rudnay gespendet. Auf dem ursprünglichen Bild schwebten noch zwei Engel über den Köpfen der beiden Figuren, der eine Engel wurde jedoch von der Goldkrone des Jesuskindes fast gänzlich verdeckt. Das Bild umrahmen 14 Szenen von wundersamen Geschehnissen, die Aufschriften in italienischer Sprache ergänzen. Vom Kind, das in den Brunnen gefallen ist und Tage später lebendig herausgeholt wird, über das Schiff, das bei Sturm in letzter Sekunde an Land gelangt, bis hin zum Ertrinkenden, der von seinen Mitmenschen gerettet wird: Alle Wunder sollen durch das Wirken der Heiligen Maria möglich geworden sein. „La Beatissima Vergine Del Carmine“ – Die Seligste Jungfrau vom Berge Karmel – die Aufschrift auf Italienisch steht unter der Mariendarstellung, im unteren Bereich ist das Fegefeuer abgebildet, dessen Insassen zur Mutter Gottes beten. Einem Orden kann das Gnadenbild nicht zugeteilt werden.

„Man weiß nicht genau, wie viele Exem-plare damals gedruckt wurden. Ein Kollege von mir war dort und hat versucht, nach dieser Druckerei zu forschen. Er hat festgestellt, dass diese Druckerei damals sehr bekannt war und verschiedene Sachen zwischen 1650 und 1700 gedruckt hat. Die waren natürlich sehr froh, dass ein Exemplar, welches dort gedruckt worden ist, heute noch in Rumänien existiert“, erzählt Andreas Reinholz, Domherr in Maria Radna.

Die Reihe der Wunder von Radna soll nach dem Brand 1695 eröffnet worden sein. Knapp 14 Jahre später brach in Arad die Pest aus. „Man hat dem Bürgermeister von einer Frau aus Arad gemeldet, Maria Brummer, die noch vor ihrem Tod die Worte gesagt haben soll: `Dann wird die Pest aufhören, wenn die Bewohner von Arad nach Radna gehen und vor dem Marienbild beten´“, erzählt Andreas Reinholz. Einen Versuch wert war es auf jeden Fall, dachte sich damals, 1709, der Bürgermeister von Arad. So kam es, dass die Arader zu Fuß nach Radna pilgerten und vor dem Gnadenbild beteten. „Es heißt, dass nachher die Pest aufgehört hat. Das war ein Grund für die Arader, jedes Jahr zu Fuß nach Radna zu gehen, um der Heiligen Maria zu danken. Im Bürgermeisteramt aus Arad gibt es auch heute ein Dokument, das dieses Geschehnis bestätigt“, sagt Pfarrer Reinholz. Die Pilgerfahrten nach Radna wurden somit eröffnet.

Im Altarraum der römisch-katholischen Basilika stehen zwei große Tafeln mit Votivgaben. Seit 1750, als Maria Radna als Wallfahrtsort anerkannt wurde, werden in Radna derartige Gegenstände gesammelt. Herzen, Nieren, Füße, Augen, Arme – die Silberstücke haben verschiedene Formen und erinnern an die Krankheiten, die die Menschen dank der Hilfe der Heiligen Maria überwunden haben. „Das sind Beweise, dass viele Menschen an ihrem eigenen Körper die Hilfe Mariens erfahren haben“, sagt Andreas Reinholz. Mehr als 2400 Votivbilder sind im Laufe der Zeit in Radna angekommen – diese ließen die Menschen, deren Gebete erhört worden waren, im Zeichen des Dankes von verschiedenen Lokalkünstlern malen. Es könnte die zweitgrößte Votivsammlung in Europa, nach Altötting in Bayern, sein, lässt Andreas Reinholz wissen. Die im Klostermuseum ausgestellten Votivbilder – rund 500 an der Zahl – stammen aus der Zeit nach 1855, verrät Museumskustos Ioan Cădărean.

Heute sind die Menschen auch nicht viel anders. Auch heute sagen die Menschen ´Lieber Gott, Heilige Maria, hilf mir´, wenn sie in eine schwierige Situation geraten“, sagt der Priester. Fast jede Woche hört sich der Geistliche Geschichten von Menschen an, deren Gebete erhört worden sind. Eine davon kommt ihm spontan in den Sinn: „Ein Mann aus Arad, dessen einzige Tochter an Krebs gelitten und die Krankheit dank einer OP in Wien überwunden hat, spendete im vergangenen Jahr eine Marmortafel zum Zeichen des Dankes“, erzählt Andreas Reinholz. „Gerade gestern hat ein Mann aus Șimleul Silvaniei angerufen. Vor 26 Jahren waren er und seine Frau im Banat, haben bei Bischof Kräuter gebeichtet und hier, in Radna, um Kindersegen gebetet. Ein-zwei Monate später hat sich der Fall gelöst – ihre Tochter, Henriette, wird in naher Zukunft heiraten“, sagt Andreas Reinholz. „Es passieren viel mehr Wunder, als wir annehmen würden. Das versuche ich, den Kindern und Jugendlichen zu erzählen, die zu uns kommen: Das hier ist kein Museum, sondern wir sind eine lebende Kirche“, sagt er. „Wir verstehen nicht, wie das funktioniert, aber es ist auch nicht so wichtig. Unsere Aufgabe ist, ´Dankeschön´ zu sagen. Ich sage den Leuten immer, dass sie mehr beten und mehr Vertrauen haben sollen, zu Maria, aber auch zu den anderen Heiligen. Die sind dazu da, um uns zu helfen, und wir sollten ihnen schon Arbeit geben“, sagt der Seelsorger lächelnd.

Warum brauchen die Menschen Wunder? Die Frage beantwortet der Priester gelassen. „Die Menschen brauchen nicht unbedingt Wunder. Aber die Wunder sind schon gut, denn der Mensch wird dadurch in seiner Überzeugung bestätigt“, überlegt Andreas Reinholz.

Am 16. Juli, dem Gedächtnis der Jungfrau Maria vom Berge Karmel, findet in der päpstlichen Basilika ein besonderes Ereignis statt. Die 350 Jahre seit der Ankunft des Gnadenbildes werden feierlich begangen. Der Erzbischof und Kardinal von Sarajevo, Vinko Puljici, zelebriert um 11 Uhr ein Pontifikalamt, ein Konzert steht ebenfalls auf dem Programm.

Die Basilika Minor in Radna, der bedeutendste römisch-katholische Wallfahrtsort in Westrumänien, wird jährlich von fast 100.000 Menschen verschiedener Konfessionen besucht. Allein in diesem Jahr sind bislang etwa 40.000 Menschen nach Radna gekommen, sagt Pfarrer Reinholz. Viele von ihnen in der Hoffnung, eine Antwort auf ihre Gebete zu bekommen. Nicht wenige freuen sich anschließend, dass sie erhört wurden. Manchmal lässt die Heilige Maria von Radna Unmögliches möglich werden. Wunder geschehen immer wieder.