Heldinnen ohne Denkmal

Zwei Ausstellungen: „Kalliope Austria“ & „Bedeutende Frauen Rumäniens“

Der österreichische Botschafter, Mag. Gerhard Reiweger (2. v. li), eröffnete die Ausstellungen im Schillerhaus. Links neben ihm Ulla Krauss-Nussbaumer, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, rechts Prof. Dr. Mariana Lăzărescu (Universität Bukarest), Natalia Andronachi und Elisabeth Marinkovic vom Österreichischen Kulturforum Bukarest (ÖKF).

Paneel „Gesprengte Mieder“: Frauen kämpfen für Atem- und Bewegungsfreiheit.
Fotos: George Dumitriu

Wussten Sie, dass die Österreicherin Hedy Lamarr nicht nur die erste Schauspielerin war, die eine – damals skandalöse – Nacktszene drehte, sondern auch eine begnadete Erfinderin? Ihr verdanken wir ein Patent für eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die durch selbsttätig wechselnde Frequenzen schwer anzupeilen und daher weitgehend störungssicher ist. Die Erfindung, „frequence-hopping“ genannt, wird bis heute in der Kommunikationstechnik bei Bluetooth-Verbindungen oder im GSM-System volldigitaler Mobilfunknetze angewendet. Lamarr soll man allerdings verpflichtet haben, darüber in der Öffentlichkeit nicht zu sprechen – ihrer Karriere als Schauspielerin zuliebe. Sinnliche Weiblichkeit und Eigenschaften wie Intellekt, Mut oder Erfindergeist passten auch noch in der Gesellschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur schwer zusammen. Frauen hatten sich auf ihre „gottgewollten“ Pflichten als Ehefrau und Mutter zu beschränken, selbst in der Kunst waren sie auf die Rolle der Muse beschränkt.

Obwohl Österreich und Rumänien bis auf zeitweilige Überschneidungen auf eine unterschiedliche Geschichte zurückblicken, ähneln sich die Schicksale der Frauen mit besonderen Leistungen in als unweiblich geltenden Disziplinen frappierend. Nicht nur Zugang zu Bildung und Beruf wurde ihnen erschwert oder sogar verwehrt, auch ihre bahnbrechenden Errungenschaften – ganz ohne Rollenvorbilder, Netzwerke und Rechtsgrundlage – wurden marginalisiert oder der Vergessenheit preisgegeben. In den Geschichtsbüchern der Erfindungen und Entdeckungen, der Kriege und politischen Eroberungen, kommen daher auch diese Namen nicht vor: Florica Sas, Smaranda Gheorghiu, Aurora Gruescu oder Elisa Leonida Zamfirescu. Obwohl erstere, 1841 in Aiud geboren, den Albertsee in Afrika entdeckte, die zweite bereiste als erste Frau 1902 den Nordpol, die dritte war die weltweit erste Försterin, die vierte die weltweit erste Ingenieurin.

Um diese und ähnliche Heldinnen aus Technik und Wissenschaft, Kunst und Kultur in den letzten beiden Jahrhunderten geht es in den beiden Ausstellungen, die am 30. März im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ eröffnet wurden und dort noch bis zum 13. April zu sehen sind. Das Projekt „Kalliope Austria“, initiiert vom Österreichischen Kulturforum Bukarest (ÖKF), ruft die Leistungen wenig bekannter Österreicherinnen ins Bewusstsein, während „Bedeutende Frauen Rumäniens“ als erste kulturelle Veranstaltung des Vereins „Centrul Parteneriat pentru Egalitate“ (CPE) debütiert. Eröffnet wurden sie im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25. Jubiläum der Österreich-Bibliothek vom österreichischen Botschafter, Mag. Gerhard Reiweger, im Beisein der Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Ulla Krauss-Nussbaumer, die das Projekt „Kalliope Austria“ konzipiert hatte.

Atemberaubende, atemberaubte Wesen

Das erste Banner „Aufbruch und Freiheitsdrang“ beginnt mit Ida Pfeiffer, die sich mit 40 Jahren von ihrem Ehemann trennte, um ihre Träume zu verwirklichen. Auf ihren Weltreisen nach China und Südamerika brachte sie Pflanzen und Mineralien mit, die noch heute im Wiener Naturhistorischen Museum zu sehen sind, so Elisabeth Marinkovic, Kulturattachée und Leiterin des Österreichischen Kulturforums Bukarest (ÖKF). Es folgt eine Darstellung der Rolle des Korsetts – von Frauenrechtlerinnen als „Zwangsjacke“ empfunden, das sie zu atemberaubenden und vor allem atemberaubten Wesen machen sollte. Das „gesprengte Korsett“ wurde daher zum Symbol für die erwachende Frauenbewegung. Darin spielt Emilie Flöge – Marinkovic gesteht: „Ich kannte sie zuvor nur als Geliebte Gustav Klimts“ – eine bedeutende Rolle. Die rebellische Modedesignerin entwarf erstmals untaillierte, fließende Kleider, die viel Bewegungsfreiheit erlaubten. Frauen müssen zuerst mal atmen können, erklärte Flöge, der Rest käme dann von selbst. Der Nachwelt als Modell für Klimts gleichnamiges Jugendstil-Ölbild in irisierenden Blautönen erhalten, erinnert man sich an Emilie Flöge heute meist nur als des Malers Muse.

Mehr faszinierende Frauenbilder aus Österreich gibt es auf weiteren Paneelen zu entdecken, aber auch in dem vor eineinhalb Jahren zu Beginn des Projekts veröffentlichten Buch „Kalliope Austria. Frauen in Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft“. Es soll einen Beitrag im Rahmen der weltweiten Gleichstellungsbemühungen leisten, um Missständen wie ungleicher Entlohnung und systematischen Verletzungen von Erb-, Grund- und Menschenrechten entgegenzuwirken. „Denn längst schon war (auf den großen Weltfrauenkonferenzen) deutlich geworden, dass durch mehr Gerechtigkeit für Frauen weltweit eine bessere Zukunft für die ganze Menschheit geschaffen werden könnte“, schreibt Ulrike Nguyen, Leiterin des Referates für internationale Frauenfragen und andere menschenrechtliche Querschnittsfragen, im Kapitel „Gleichstellungsbemühungen weltweit“. Marinkovic regt an: „Die in der Ausstellung gezeigten Beispiele sollen zu denken geben – und Inspirationsquelle sein.“ Wie ihre Namensgeberin Kalliope, eine der ältesten und weisesten Musen für Philosophie, Dichtung und Wissenschaft aus dem antiken Griechenland.

Von der Haremsdame zur Entdeckerin

Für die rumänische Ausstellung, erklärt Alina Panaitov vom Verein „Centrul Parteneriat pentru Egalitate“, habe man bewusst Frauenbilder ausgewählt, die nicht aus Funk und Fernsehen bekannt sind, sondern sich in Wissenschaft, Architektur, Astronomie, Kunst, Ingenieurwesen oder Medizin bewiesen haben. Beispiele verdeutlichen deren Schwierigkeiten in einer männerdominierten Gesellschaft: Nichts ging ohne die Genehmigung des Ehemannes und für so manche hochintellektuelle Frau, die – meist im Ausland – studiert hatte, gab es nach der Rückkehr keinen Platz im Beruf.
Florica Sas hatte doppelt Glück gehabt: Zuerst wurde die Waise, die seit ihrem siebten Lebensjahr in einem osmanischen Harem lebte, von ihrem späteren Ehemann, dem britischen Abenteurer Samuel Baker, freigekauft, den sie anschließend auf seinen Expeditionen nach Afrika begleitete. Dabei kümmerte sie sich nicht nur um die Organisation der wissenschaftlichen Reisen, sondern setzte all ihre im Laufe der Zeit erworbenen Kenntnisse zur Bekämpfung von Tropenkrankheiten und zur sprachlichen Übersetzung und Erklärung der Mentalitäten in muslimisch geprägten Ländern ein. Trotz ihrer „skandalösen Herkunft“ konnte sich die spätere Lady Baker sogar in der ultra-rassistischen britischen Gesellschaft behaupten.

Der Unterstützung eines verständigen Ehemannes erfreuten sich wohl auch Cecilia Cuţescu-Storck, Gattin des Bildhauers Frederic Storck, Florica Bagdasar und Marta Trancu-Rainer: Erstere hatte in Paris und München studiert und wurde später am Katheder für dekorative Künste an der Bukarester Akademie für schöne Künste Europas erste weibliche Professorin an einer staatlichen Universität. Florica Bagdasar, die zusammen mit ihrem Gatten Dumitru in Boston (USA) eine Spezialisierung in Neurochirurgie absolviert hatte, fand als Ärztin und spätere Gesundheitsministerin in Rumänien ihre Berufung. Marta Trancu-Rainer, Ehefrau des Anthropologen Francisc Rainer, konnte sich als Militärärztin und Leiterin gleich dreier Kliniken profilieren und wurde später von Königin Maria zu deren Leibärztin berufen. Den schweren Weg, der solchen Erfolgen vorausgeht, können wir nur noch vage erahnen: Marta Trancu-Rainer hatte bereits im Studium sowie später im Beruf unter dem erbitterten Widerstand der gesamten Kollegenschaft gelitten. Panaitov schließt mit dem Fall einer Juristin, die in Paris an der Sorbonne studiert hatte. Sechs Jahre lang musste sie vor Gericht um das Recht auf Berufsausübung in Rumänien kämpfen. Das positive Urteil, 1915 gefällt, wurde anschließend in der Presse zerrissen: Der angestammte Platz einer Frau sei in der Kinderpflege, nicht in der Kanzlei. „Die Ausstellung soll nicht nur den Unterschied des Status der Frau heute und damals aufzeigen – sondern auch, wie wenig sich in den Köpfen mancher seither verändert hat“, provoziert die junge Frauenrechtlerin.