Hermannstadt und Umgebung feiern Europatag

Die Europäische Union und die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum

Konsul Hans Erich Tischler (links, mit Schaufel) und Honorarkonsul Italo Selleri (rechts, mit Schaufel) pflanzen eine Eiche in Rășinari.
Foto: der Verfasser

Hochrangige Gäste vonseiten der diplomatischen Vertretungen der führenden EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Italien, Luxemburg, Finnland, Österreich und Malta in Hermannstadt/Sibiu begaben sich am Mittwoch, dem 9. Mai, unter der ortskundigen Anleitung zahlreicher Vertreter lokaler Behörden und Vereine des Kreises Hermannstadt auf eine Tagesfahrt nach Rășinari und in das Astra-Freilichtmuseum, um den Europatag öffentlich zu würdigen, dabei aber auch die Chancen wirtschaftlicher Entwicklung in der dörflichen Umgebung im gesamteuropäischen Kontext zu erörtern. Die Veranstaltung wurde fernerhin von den aufmerksamen Augen und Ohren lokaler Pressevertreter begleitet, die sich der internationalen Besucherdelegation anschlossen.

Die Fahrt in das nah bei Hermannstadt gelegene Gebirgsdorf Rășinari wurde mit der Straßenbahn bestritten, die vor gut 70 Jahren den Publikumsverkehr auf dieser Route ermöglichte, seit einigen Jahren aber nur noch zu besonderen Anlässen auf der Schienenstrecke durch den Jungen Wald verkehrt. Während der halbstündigen Reise im Waggon der Wiener Marke Bombardier-Rotax, Baujahr 1988, boten drei Schülerinnen und Schüler des Octavian-Goga-Gymnasiums den lokalen und internationalen Gästen zu Ehren des Europatages ein literarisches Unterhaltungsprogramm, das aus Informationen über die Geschichte der Ortschaft Rășinari sowie dem Rezitieren etlicher Gedichte des Dichters Octavian Goga zusammengesetzt worden war. Vielleicht ist es bezeichnend, dass die drei in Volkstracht gekleideten Schulkinder ihre Aufgabe nahezu perfekt eingeübt hatten, das geschichtliche und literarische Unterhaltungsprogramm jedoch keinen einzigen Satz in englischer oder einer anderen Fremdsprache enthielt.

Hauptzweck der Veranstaltung war es, die Beauftragten der diplomatischen Außenvertretungen mit Sitz in Hermannstadt dafür zu gewinnen, auf höchster europäischer Ebene ein gutes Wort für den ruralen Südwesten Siebenbürgens einzulegen. Insbesondere in ländlichen Gemeinden wie beispielsweise Rășinari bestehen immense Möglichkeiten wirtschaftlichen Ausbaus, die noch längst nicht ausgeschöpft sind. Derzeit hat es Europa so leicht wie nie zuvor, seine Bahnen in die Straßen und Häuser der hier ansässigen Dorfbewohner auszuweiten. Letztere könnten in ihrem Alltag von langfristigen Investitionen in die örtliche Infrastruktur um ein Vielfaches profitieren und durch die Präsenz mehrerer Produktionsstätten und Wirtschaftsstandorte direkt vor der eigenen Haustüre ihre täglichen Lebensunterhaltungskosten aufgrund des wegfallenden Pendelverkehrs nach Hermannstadt stark reduzieren, was auch den impliziten Anstieg wirtschaftlichen Wohlstandes mit sich brächte. Anlässlich der Pflanzung einer Jungeiche im Dorfzentrum erklärte der Bürgermeister von Rășinari, Bogdan Bucur, stellvertretend für das Umland Hermannstadts seine Überzeugung, „dass Rumänien seinen pro-europäischen Kurs beibehalten muss, möchte es in der Zukunft des Kontinents als gleichwertiger Partner angesehen werden“.

Eine Eiche wurde auch im Eingangsbereich des Astra-Freilichtmuseums im Jungen Wald gepflanzt, wo der zweite Teil der offiziellen Feierlichkeiten über die Bühne ging. Hans Erich Tischler, Konsul der Bundesrepublik Deutschland, bezog hier eingehend Stellung zur länderübergreifenden Bedeutung des Europatages: „Haben wir aus der von Krieg und Unfrieden geprägten europäischen Vergangenheit des 20. Jahrhunderts einige Lehren gezogen? Ich glaube, dass wir alle einen etwaigen Dritten Weltkrieg weder wollen noch überleben würden. Lassen Sie uns diesen Tag festlich begehen und auch genießen, da wir gegenwärtig in Frieden geeint sind, lassen Sie uns diesen Tag aber auch als den Beginn eines Auftrages betrachten, da das europäische Haus nach wie vor noch nicht perfekt ist, wir also weiterhin daran zu bauen verpflichtet sind.“

Mitglieder der internationalen Besuchsdelegation waren noch Elena Lotrean seitens der Finnischen Schule Hermannstadt und designierte Honorarkonsulin Finnlands, Italo Sellerio, Honorarkonsul Italiens in Hermannstadt, Daniel Plier, Schauspieler am Radu-Stanca-Theater Hermannstadt und Honorarkonsul Luxemburgs, sowie Jonathan Diamantino, Honorarkonsul Maltas in Hermannstadt. Paula Pănăzan überbrachte das öffentliche Grußwort von Andreas Huber, Honorarkonsul Österreichs in Hermannstadt, der aus objektiven Gründen auf seine Teilnahme an der Messeveranstaltung verzichtet hatte.

Valentin-Dumitru-Ioan Ivan, Vorsitzender der Hermannstädter Filiale des Landesverbands der Gemeinden in Rumänien (ACOR), Valentin Delcă, Leiter der Kulturdirektion des Kreises Hermannstadt, Ciprian Anghel Ștefan, Generalintendant der Astra-Museen, und Marcel Constantin Luca, stellvertretender Vorsitzender des Hermannstädter Kreisrates, vertraten Rumänien am Rednerpult im Astra-Freilichtmuseum. Geistlich wurde der Festakt von einem kleinen Männerchor und Dozent Dan Alexandru Streza von der Fakultät für orthodoxe Theologie „Andrei Șaguna“ an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt (ULBS) begleitet. Zu erwähnen ist ebenfalls eine 15-köpfige Schülergruppe Jugendlicher aus der Stadt Bălți in der Republik Moldau, die während der gesamten Dauer der Veranstaltungen zugegen waren und im Innenhof des Octavian-Goga-Gedenkmuseums in Rășinari ein musikalisches Ständchen darboten.

Die Ansprache fast sämtlicher Vertreter des öffentlichen Lebens enthielt die Anmerkung, die rumänische Zivilgesellschaft befürworte zielstrebig eine ausgesprochen pro-europäische Bürgerhaltung. Am Mittwoch, dem 9. Mai, wurde anlässlich des Europatages im Astra-Freilichtmuseum das ideale Rumänien der unbeschwert freien Zukunft beschworen. Doch muss man sich der Ehrlichkeit halber vor Augen führen, dass zwischen dem erhofften Rumänien und seiner tatsächlichen innenpolitischen Gegenwart eine nicht zu übersehende Kluft liegt.