Herrschaft der Geräte

Es gab mal eine Zeit, in der technische Geräte das Leben der Hausfrau enorm erleichterten, ja, sogar revolutionierten: Die Waschmaschine ersetzte einen ganzen mühseligen Waschtag durch einen einzigen Knopfdruck. Staubsauger machten das unter den Tischbeinen Hervorzerren, Hinausschleppen, Ausklopfen und kräftig Husten, wieder Zurückschleifen und unter die Möbel Wurschteln raumfüllender Wohnzimmerteppiche überflüssig, in denen sich zwischen Weihnachten und Ostern und umgekehrt ein Imperium an Milben eingenistet hatte. Heute saugt man schnell mal zwischendurch die täglichen Katzenhaare vom Sofa. Auch Wäschetrockner, Geschirrspüler, Mikrowelle, Toaster, Brotmaschine, Teig knetende Küchenroboter oder solche, die Kraut hobeln und Zwiebel hacken, gehören längst zum ganz normalen Alltag. Sie verschafften der gestressten Hausfrau endlich Zeit – für die Doppelbelastung zwischen Familie und Karriere...
So manch liebgewordener Helfer schlich sich schnell als unersetzlich ein: In den wie Katzenkörbchen kuschelig mit Teppichböden ausgekleideten Wohnungen in Deutschland konnte man auf den Staubsauger natürlich nicht verzichten. Und das dort in der Hausordnung verbriefte Verbot, Wäsche in Wohnräumen aufzuhängen, erforderte zwingend einen Trockner.
Wie sehr die Haushaltsroboter jedoch bereits die Herrschaft über unsere Gesellschaft übernommen hatten, wurde mir bewusst, nachdem ich beschlossen hatte, aufs Land zu ziehen und mein Leben drastisch zu vereinfachen: Mikrowelle, ade – in meinen Bauernhäuschen wurde mit Feuer gekocht. Der Staubsauger musste dem Besen weichen, das reicht fürs Bretterparkett. Was in der Wohnküche keinen Platz fand oder nicht im dekorativen Landhausstil daherkam, flog gnadenlos raus. Nur die Waschmaschine durfte bleiben, gut versteckt hinter einem Vorhang.

Ehrlich gesagt, mir fehlte nichts. Ich lernte, wie man türkischen Kaffee im Kännchen kocht und wunderte mich, dass ich mich in der Vergangenheit mit Generationen von Kaffeemaschinen abgeplagt hatte. Keine Platzversteller, Staubfänger, Krachmacher mehr – hach, das Leben war wunderbar ohne all den Kram! Es ging gut, bis mir eine Freundin stolz ihre neue Küchenmaschine zeigte. „Na, wie findest du die?“ strahlte sie wie ein Honigkuchenpferd. „Praktisch“, log ich höflich und fragte mich, wofür sie die in einem Zweipersonenhaushalt brauchte. Zum nächsten Geburtstag dann die Überraschung: Meine Freundinnen hatten zusammengelegt und – da stand das neue Ungetüm! „Du fandest sie doch so praktisch, da dachten wir...“. Nun konnte auch ich endlich Krautsalat für zehn Personen hobeln. Doch nach einer Portion für mich alleine musste ich sie trotzdem wie für zehn Personen reinigen. Klammheimlich wurde das Gerät auf den Dachboden verbannt. Dann, nach meiner Hochzeit: „Ich hab euch eine Kaffeemaschine mitgebracht, weil ihr ja keine habt“, strahlte mein Schwager beim nächsten Besuch. Mein Mann und ich tauschten unheilvolle Blicke. Sollen wir Attrappen aufstellen, damit uns keiner mehr was schenkt? Denn nichts ist so einladend wie das offensichtliche Nichts. Wie einem Naturgesetz folgend, saugt sich leerer Raum im Gehirn potenzieller Schenker fest, um sich bei nächstbester Gelegenheit in Form eines passenden Mitbringsels in die materielle Realität zu entladen. Ähnlich kamen wir auch zu einem sechsteiligen Kaffeeservice, nur weil das meine seit Jahren weggepackt ist – für den Sankt Nimmerleinstag, an dem wir es vielleicht mal brauchen. Schön langsam ein Albtraum...

Unlängst kam der Elektriker und bohrte eine Menge Löcher in die Wände. Den Staub ließ er einfach zu Boden rieseln. „Haben Sie denn keinen Staubsauger?“ musterte er mich tadelnd, als ich Zeitungspapier unterlegen wollte. „Doch, zwei!“ riefen George und ich erschrocken wie aus einem Mund. Sie leisten Kaffeemaschine und Küchenknecht Gesellschaft, hätte ich beinahe hinzugefügt, doch der gute Mann hätte uns für verrückt gehalten. Und weil auch unser Speicher nicht allzu groß ist, denken wir jetzt ernsthaft über ein Warnschild nach – vielleicht als Tuch mit hübsch gestickter Aufschrift nach dem Modell der sächsischen Haussegen gestaltet: „Eure Gaben sind in diesem Haus willkommen NUR dann, wenn man sie aufessen, austrinken, auslesen oder sonstwie aufbrauchen kann!“