Hinterfragt: Heimkehr  als Methode

Es mutet wie eine geschickt formulierte Lautmalerei an, von Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen zu schreiben, wo doch alle Heimatverbundene sind. Und dennoch, gerade jetzt, während des Jahresurlaubs, wird dieser kleine wörtliche Unterschied besonders spürbar. Ist er im Umgang miteinander von Bedeutung?

Man ist also wieder gemeinsam daheim und sitzt sich gegenüber. Die einen, weil sie es sich leisten konnten, heimzufahren, die anderen, weil sie es sich nur selten gönnen können, zu verreisen. Kleine Aufmerksamkeiten werden überreicht. Die Zeiten der Carepakete sind zum Glück vorbei, wie auch jene der vorwurfsvollen Blicke, wenn etwas Unpassendes dabei war, oder jemand anderes großzügiger bedacht worden war. Man mustert sich, um schnell zu sagen, man habe sich ja gar nicht verändert, um sich dann weiter zu mustern, als stünde man mit prüfendem Blick vor dem Spiegel. Später drängt sich die Frage auf, wie stünde man heute da, wäre man ausgewandert oder in der Heimat geblieben. Heimkehr als Methode.
Man geht gemeinsam spazieren, die alten Plätze werden besucht. Für die einen bietet sich ein vertrautes Bild, die anderen sehen mit kritischem Blick und den Augen eines Fremden, aber den Gefühlen eines Einheimischen. Manchenorts sieht man Verfall, andernorts Erneuerungen mit ungewohnter Anmutung oder gar Neubauten, die sich so gar nicht mit dem Ort der Erinnerungen in Einklang bringen lassen.

Es ist wie bei der Gralsfrage Parzivals: Soll man die Veränderungen hinterfragen? Wird es erwartet oder steht die Frage Weggegangenen nicht zu? Wären die einen nicht weggegangen, müssten sich die Verbliebenen nicht darüber erklären. Hätte man in so mancher (Kirchen)Gemeinde das stattliche Pfarrhaus lieber verkaufen sollen, statt es leerstehend Witterung und Verfall preiszugeben? Hätte eine regelmäßige fachliche Betreuung den Einsturz des Kirchengewölbes verhindern können? Hätte eine breite Öffnung in der Zusammenarbeit nicht mehr bewirkt als ein Provisorium im engeren Kreise? Jeder ist inzwischen frei, zu gehen und zu kommen. Gefangen ist man lediglich im Geiste mit Sprechhemmungen.

Gegen Ende September findet in Hermannstadt/Sibiu eine internationale Kirchenburgentagung statt. Sie hat das Ziel, denkmalpflegerische Prozesse und Nutzungskriterien vorrangig aufgrund der in Siebenbürgen organisierten Maßnahmen vorzustellen, aber gemeinsam mit jenen aus Deutschland Angereisten zu bewerten. Sicherlich geht es auch um die Auslotung von Möglichkeiten - in Tat und Münze, von hüben und drüben, die gemeinsam eingebracht werden müssen. Möglichkeiten: Chancen und Risiken. Möglichkeiten: Lob und Vorwürfe. Möglichkeiten: Offenheit und Tabus. Und zu Beginn bietet sich am Besten die klassische Gralsfrage in beiden Richtungen an: „Wie geht es Dir?“