In jedem Blatt steckt ein Versprechen

Kunstunterricht in Reps: die Zeichenlehrerin Reka Schmidts

Lehrerin und Schüler bei der Vernissage
Fotos: privat

Die Ausstellung vom Januar 2016 sei ihre letzte gewesen. Sie wolle keine weitere organisieren. Das möge jetzt die Nachfolgerin übernehmen. Reka Schmidts, Fachlehrerin für Kunstunterricht an der ungarischen und an der deutschen Abteilung der Repser Allgemeinschule, winkt energisch ab. Dass sie seit Jahren schon Rentnerin ist, auf Bitten der Schulleitung ins Lehramt zurückgekehrt, merkt man der temperamentvollen Frau nicht an. Voller Begeisterung kramt sie die Zeichnungen hervor, die sie vor  wenigen Tagen von den Wänden des Kulturhauses  abgehängt hat, 130 Blätter, nach Klassen geordnet. Beim Einrichten hatte sie jede Menge Hilfe, die Vernissage am 28. Januar war ein Erfolg.  Mit Liedern, Gitarren- und Blockflötenspiel wurde feierlich eröffnet, was die Schüler der Gymnasialklassen in einem Semester kreiert hatten. Am Ende dann durfte Reka Schmidts alles selbst wegräumen. Weg waren die Helfer und Interessierten! Was bleibt nach 41 Jahren Kunsterziehung in Reps/Rupea?

Darauf gibt die Lehrerin nicht ohne Stolz Antwort: Designer, Restauratoren und bildende Künstler, auch etwa zehn Architekten sind durch ihre Hände gegangen. Bei einem Wochenpensum von 29 Schulklassen könne man nach so vielen Jahren unmöglich alle noch kennen. An die besonders Begabten wie auch an die besonders Schlimmen erinnert sich Frau Schmidts allerdings. Jährlich eine oder auch zwei Ausstellungen, das war selbstverständlich. Oft stellte man auf den Gängen der Schule aus, beteiligte sich aber auch an Ausstellungen im Kreis Kronstadt/Braşov, ja selbst in Bukarest und, mit besonderem Erfolg, in Budapest. Womit haben Repser Schüler den Vándorserlek-Pokal im Jahr 2009 aus Budapest heimgeholt? Mit Werken in digitaler Technik, die an dieser Schule  seit 2001 gelehrt wird. Das Bürgermeisteramt ließ es sich damals nicht nehmen, den stolzen Preisträgern die Fahrt nach Budapest zu sponsern. Zum ersten Mal verließ dieser Wanderpokal das Gebiet Ungarns, um nach Reps zu gelangen!

Kunst mit Musik und IT

Wenn man Frau Schmidts zuhört, möchte man gerne bei ihr im Kunstunterricht gewesen sein. 2006, als die Welt Mozarts 250. Geburtstag feierte, war Musik ein Thema. Vorbereitend wurde Musik aus der „Zauberflöte“ gehört, aber auch Bartóks „Wunderbarer Mandarin“, Beethoven und Vivaldi erklangen in den Zeichenstunden. Das Ergebnis war eine besonders schöne Ausstellung, schwärmt sie voller Stolz. Sie weiß, dass digitale und Mischtechniken heute das A und O sind, vor allem für Werbegrafiker und Designerinnen. Um den Anschluss nicht zu verlieren hat sie sich selbst in Programme eingearbeitet, hat dann mit den Kindern Überstunden geleistet und ihnen Begeisterung eingeflößt. Das Schulprogramm sieht solche Beschäftigungen nicht vor, man kann sie höchstens freiwillig wählen. Manches Projekt scheitert an der Ausstattung.

Die am PC entstandenen Kunstwerke kann man nur in Kronstadt auf textilen Untergrund ausdrucken. Und das kostet… In Reps bekommt sie oft nicht, was sie braucht: vom Papier bis zu den Rahmen und Passepartouts. Ach ja, die Infrastruktur in Reps: Wehmütig lächelnd erinnert sich Frau Reka, dass es eine Zeit gab, wo Schneiderinnen, Schuster oder Tischler keine Seltenheit im Ort waren. Und der Schreiberin dieser Zeilen fällt ein, dass bedeutende Musiker aus Reps stammen, dass ein über zweihundert Jahre altes Cello jetzt in ihrem eigenen Haus erklingt, dessen letzter Besitzer es aus Reps verkauft hat. Repser Musikalien, die alte Repser Orgel, die edel ausgestattete evangelische Kirche - jetzt eine trübe Ruine – alles Zeugen einer kunstsinnigen Gemeinschaft von einst.

Das schönste Bild?

Was freut eine Lehrerin? „Ich wusste gar nicht, dass ich so begabt bin“, entfuhr es einem Schüler der fünften Klasse, der seine eigenen Werke in der Ausstellung wiedersah. Eliza, ein Mädchen aus der sechsten Klasse, gestaltete die „Blume der Hoffnung“. Orange leuchten die Blütenblätter vor dem Hintergrund in verschiedenen Blautönen. Der begeistert erklärenden Lehrerin versagt für einen Moment die Stimme. Elizas Mutter, selbst Lehrerin, hat eine Chemotherapie hinter sich gebracht. Einige Porträts blicken uns an, als wir die Blätter durchgehen und Frau Schmidts leidenschaftlich erklärt und erzählt. Ein kleiner Eingriff der Lehrerin, „und mein Bild hat plötzlich zu leben begonnen“, sagte ein Kind. Was eine Weißkonturierung ausmacht! Nur eines ging gründlich schief. Während der Ausstellung dieses Winters sollte das schönste Bild gekürt werden. Alle durften Zettel mit ihrer Option in einen Karton werfen. Da erschienen doch immer wieder die gleichen Leute, empört sich die Lehrerin, und sie wählten zum wiederholten Mal… für ihre eigenen Zeichnungen. Nein, so ging das nicht. Das schönste Bild der Ausstellung blieb ungekürt. Dafür zeigt sie der Betrachterin monochrome Arbeiten, die es in sich haben: Form und Gestaltung, nur in Schwarz-Weiß. Oder Anklänge an Op-Art, wie Victor Vasarely, produziert von Schülern der achten Klasse.

„Ich bin ein Blatt...“

Reps ist eine Sammelschule, man pendelt aus der ganzen Umgebung hierher. Frau Schmidts gibt Unterricht bei Kindern der ungarischen, aber auch der deutschen Abteilung, wo es allerdings keine Muttersprachler mehr gibt. Pro Jahrgang bleiben nur ein-zwei Schüler auch für die Lyzeumszeit in Reps. Fast alle verlassen den Ort und lernen in Kronstadt, in Hermannstadt/Sibiu oder Bukarest weiter. Eines können sie dann gut: mit Farben und Formen umgehen, perspektivisch zeichnen, sich in Bildern ausdrücken. „Ich bin  ein Blatt, ein zu Boden gefallenes Blatt. Niemand hat mir gesagt, dass ich grußlos vom Baum fallen werde. Aber in jedem neuen Blatt steckt das Versprechen der Auferstehung.“ Das las ein Mädchen vor, als es bei der Vernissage sein Bild erklären sollte. Warum das Blatt als Thema? Was sagen Linien aus? In welcher Technik ist das am besten auszudrücken? Kunstunterricht, wie Reka Schmidts ihn gibt, verlangt vollen Einsatz.

Sie komme selbst kaum noch zum Malen, seufzt die Lehrerin. Es ist nicht so sehr der Zeitmangel als der Zustand der inneren Sammlung, der sich nicht so ohne weiteres einstelle. Der Blick schweift über ihre eigenen Bilder an den Wänden des Hauses. Die Zeit, der Traum, Bewegung und Grazie, Elemente des Waldes, Allegorie der Musik, das sind Themen, die immer wiederkehren. Wie wird es weitergehen? Reka Schmidts, in der ganzen Umgebung bekannt und geschätzt, gibt das Unterrichten auf. Nachdenklich hält sie einen Hochglanz-Bildband in Händen. „Geometria fricii“ (Geometrie der Angst) lese ich auf dem Umschlag. Es ist das Werk ihrer Nachfolgerin an der Repser Schule, einer ehemaligen Schülerin, Künstlername Delarupea. Alptraumhafte Visionen, entblößte Körper, nervös schraffiert, grelles Rot auf dunklem Hintergrund. Ratlos sieht mich Frau Schmidts an.  Kunst und Unterricht, sind sie unvereinbar?