Junge Menschen stehen auf Analogtechnik

Das Comeback der Vinylschallplatten und Musikkassetten

Einige Menschen geben mit einer großen Bücherbibliothek an, andere mit einer bemerkenswerten Vinylkollektion.

In Temeswar gibt es seit einigen Jahren den Schallplattenladen „Viniloteca“.
Fotos: privat

Man könnte behaupten, viele junge Menschen würden den Zusammenhang zwischen einer Audiokassette und einem Bleistift nie verstehen. Oder überhaupt nicht wissen, was man mit einer Kassette und einem Walkman anfangen kann. Dass man einen Bleistift braucht, um den Bandsalat einer Kassette wieder aufzudrehen, wissen Teenager heute nicht mehr - schon die Wörter „Band“ und „Salat“ sagen ihnen als zusammengesetztes Nomen gar nichts. Die Entwicklung der Technik führte dazu, dass viele Lieblingsgeräte unserer Kindheit und Jugend einfach verschwanden. Junge Leute hören heutzutage  Musik meistens nur noch per Online-Streaming oder als aus dem Internet runtergeladene MP3- und Flac-Audioformate.
Trotz der digitalen Entwicklung, durch Multimedia-Programme wie iTunes, Spotify und YouTube, scheint sich ein Trend zu bewähren – die Schallplattenverkäufe sind im letzten Jahr um 50 Prozent gestiegen und die Musikkassetten kommen auch langsam wieder zurück. Der Plattenverkauf ist 2016 in den USA um drei Viertel gestiegen. Schallplatten-Ladenbesitzer rund um die Welt behaupten, dass nicht nur Millennials (18-36 Jahre) und Hipsters, die gerne mal cool sein wollen, zu Langspielplatten greifen, sondern auch echte Musikliebhaber aller Altersgruppen. Sie fühlen sich vom oft wärmeren Klang der Schallplatten angezogen. Zudem erleichtern Schallplatten das alte Musikerlebnis: Die Hörer lassen sich auf die Dramaturgie einer LP ein. (Quelle faz.net)

Dem neuen Trend zufolge, bringen inzwischen immer mehr Künstler ihre Alben verstärkt, neben CDs, auch auf LPs und auf Kassetten heraus. Der Absatz von Audio-Kassetten ist im vergangenen Jahr in den USA sprunghaft angestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die Verkaufszahlen kletterten um 74 Prozent, von 74.000 auf 129.000 Stück, wie Billboard Anfang des Jahres berichtete. Vom Gesamtmarkt macht die Kassette aber auch weiterhin nur einen Bruchteil aus. Insgesamt gingen die Albumzahlen – sowohl bei physischen Formaten wie CD, als auch digital über Streaming und Downloads – um 16,7 Prozent auf 200,8 Millionen zurück. Der Vinyl-Boom hielt dabei an: So stieg die Zahl der verkauften Platten um 10 Prozent auf 13,1 Millionen. Laut Billboard waren neuere Alben wie „Purpose“ von Justin Bieber oder „Beauty Behind the Madness“ von The Weeknd, aber auch Klassiker wie „Purple Rain“ von Prince als Tape erschienen. Zum Kassetten-Hype beigetragen habe auch der „Kassetten Store Day“, der als Pendant zum „Record Store Day“ mit Spezialaktionen in vielen Läden am 8. Oktober 2016 gefeiert wurde. (Quelle - APA, Januar 2017)
Auch Ladenketten springen auf den Vinyl-Hype ein und verkaufen in letzter Zeit Plattenspieler. Die Geräte sind aber modern ausgestattet und besitzen u.a. eine USB-Verbindung zur Umwandlung von Schallplatten in digitale Musikdateien am Computer, Ausgänge für den optionalen Anschluss an die Heimanlage; EZ Vinyl/Tape Converter Software für PC.

Natur und Musik sind analog

Artur Müller hat sein ganzes Leben lang Musik vom Plattenspieler gehört. „Alles in der Natur ist analog... man kann nicht digital fühlen“, sagt der 38-jährige Temeswarer, der dabei aus der Temeswarer Rockband Implant Pentru Refuz zitiert. „Die Musik, so wie sie in der Natur existiert, ist analog. Wenn man sie digital wiedergibt, verliert sie an der Qualität und an der Stimmung“, erklärt der IT-Fachmann und Musikbegeisterte. Artur hat bei sich zu Hause eine große Plattenkollektion im Laufe der Jahre gesammelt. Er gibt zu: die immer größere Nachfrage an Schallplatten und neulich auch an Musikkassetten, ist eine Mode. „Man fühlt sich cool, wenn man Musik vom Vinyl abspielen lässt. Es ist in den letzten Jahren ein Trend geworden, Vintage-Sachen wiederzubeleben, analogisch Musik zu hören, zu fotografieren und sogar wieder auf der Schreibmaschine zu tippen“, erzählt Artur Müller. Die Kassetten geben auch das analogische Gefühl der Musik wieder – sagt der langjährige Musikbegeisterte - jedoch sind sie deutlich empfindlicher als die Schallplatten. Die Qualität der Aufnahme auf dem Kassettenband vergeht mit der Zeit. Auf einer Platte bleiben die Aufnahmen längere Zeit erhalten.
Auf Vinyl hat Artur verschiedene Musikgenres, von klassischer Musik bis zu Heavy Metal. Die meisten Platten sind aber Rock, Classic Rock, Hard/Heavy sowie Bands und Künstler, die seine persönliche Kindheit beeinflusst haben. „Analoge Tonträger, Alben, die bis Mitte der 90er Jahre analog aufgenommen wurden, darunter The Beatles, Rolling Stones, Elton John, Rod Stewart, Bruce Springsteen, Eric Clapton, Eagles, ZZ Top, The Police, Deep Purple, Black Sabbath, Motorhead, CCR, Guns n' Roses, Whitesnake, AC/DC, Def Leppard, Iron Maiden, Judas Priest, Helloween, Scorpions, Europe aber auch Platten von Michael Jackson, a-ha, U2, George Michael, Phil Collins, Madonna", sagt der Mann.

Die teuerste Platte, die er bisher gekauft hat, war ein Coverdale/Page aus den 90ern. Dafür gab Artur 60 Euro aus. Bei einer Auktion hätte er fast 100-120 Euro für ein „George-Michael-Older“ ausgegeben. Doch die Auktion ist bis 240 Euro in die Höhe gegangen. Die letzte LP, Sisters of Mercy, hat Artur vor bloß wenigen Tagen im Internet gekauft. Kassetten würde er sich keine mehr erwerben. „Bei meinen Eltern zu Hause habe ich rund 500 Stück aus meiner Jugend – und ich habe keine einzige Musikkassette mehr seit über zehn Jahren gespielt“, sagt der Temeswarer. Als Quelle für seine Plattenkollektion bleibt das Internet. Diese sind auf ebay.de, discogs.com, okazii.ro sowie auf Facebook-Gruppen erhältlich. Doch nichts ist besser, als in den großen Kisten des Schallplattenladens zu suchen. „Die Neugierde und die Aufregung, die man hat, wenn man durch die Kisten nach der fehlende Platte stöbert, ist unbezahlbar“, schließt Artur Müller.

Plattenladen „Viniloteca“ für Musikfreaks

Vor einigen Jahren wurde in Temeswar, in der General- Henri-Berthelot-Straße Nr.6, der Schallplattenladen „Viniloteca“ eröffnet. Musikbegeisterte dürfen hier in großen Holzkisten rumwühlen und neue, als auch alte Platten erwerben. Monatlich werden im Temeswarer Laden rund 200-300 Platten verkauft – sagen die Inhaber. „Die Hälfte der Verkäufe machen neu veröffentlichte Tonträger aus, doch die andere Hälfte besteht aus Second-Hand- und Kollektionsplatten“, sagt Alina Muntean, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei Viniloteca. Klassiker wie „Bad Magic“ von Motörhead oder Jethro Tulls „Stand Up“ werden zu je 120 Lei verkauft. Es gibt auch Platten zu reduzierten Preisen (5, 10, 15 Lei). Das Angebot und die Preise können auch von der Webseite des Geschäfts, supr.com/viniloteca, abgerufen werden.
Kassetten sind hier nicht gefragt. Die Temeswarer haben ihr Interesse dafür vor vielen Jahren verloren – die Zeiten, als man polnische Kassetten am 700er Marktplatz kaufen konnte, sind längst vorbei.