Junge Theatermacher lernen von den Profis

20. Deutschsprachiges Jugendtheaterfestival in Temeswar

Der freie Schauspieler aus Deutschland, Christian Bormann, kam erneut nach Temeswar, um einen Theaterworkshop für die Teilnehmer am Deutschsprachigen Jugendtheaterfestival zu halten. Foto: die Verfasserin

Die 20. Auflage des Deutschsprachigen Jugendtheaterfestivals brachte in diesem Jahr vom 30. April bis zum 4. Mai etwa 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem In- und Ausland nach Temeswar/Timișoara. Die Schülerinnen und Schüler kamen aus Serbien, der Ukraine und Bulgarien, aber auch aus anderen Städten Rumäniens, wie etwa aus Hermannstadt/Sibiu oder Jassy/Iași. Die jungen Theatermacher hatten ein volles Programm in der Stadt an der Bega: Vormittags nahmen sie an Theaterworkshops teil und nachmittags bzw. abends durften sie mit ihren Gruppen auf der Bühne des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT) auftreten.


Im deutschen Nikolaus-Lenau-Lyzeum war trotz Schulferien Anfang Mai einiges los. Auf den Korridoren tummelten sich viele junge Menschen, einige davon Lenau-Schüler, doch die Atmosphäre war locker und gar nicht schultypisch. Kein Wunder: Auf dem Programm stand nämlich etwas ganz Besonderes: Die Schülerinnen und Schüler, die sich an dem Deutschsprachigen Jugendtheaterfestival in Temeswar beteiligten, lernten unter der Anleitung von Fachleuten einige Geheimnisse der Schauspielkunst.


Es war das 20. Mal, dass in Temeswar das Deutschsprachige Jugendtheaterfestival veranstaltet wurde. Organisatoren sind stets das DSTT und die Nikolaus-Lenau-Schule. Miteinbezogen sind immer auch die Mitglieder der NiL-Theatergruppen des Lenau-Lyzeums. Elf Workshop-Leiter waren in diesem Jahr darum bemüht, den Schülerinnen und Schülern einiges von ihren Kenntnissen zu vermitteln. „Wir versuchen, die Workshops so zu organisieren, dass die Jugendlichen eine Vielfalt an Themen mitbekommen. Bewegung, Tanztheater, Sprachunterricht und Improvisation stehen immer auf dem Programm, wir versuchen aber, für die Schüler auch etwas Neues zu organisieren“, sagt die DSTT-Schauspielerin Isa Berger, die gemeinsam mit Isolde Cobeț die NIL-Theatergruppen in Temeswar betreut. Die langjährige DSTT-Schauspielerin und Theatergruppenleiterin Cobeț blickt nostalgisch auf die verstrichenen zwanzig Jahre, in denen das Jugendtheaterfestival veranstaltet wurde: „Noch heute erinnere ich mich an die ersten Jahre des Festivals, als Radu Vulpe aus Arad mit seiner Gruppe kam. Schüchtern, jung, blond, mit großen Augen, die bereit waren, alles aufzusaugen, was Theater bedeutet, siezte er mich. Oder an Ionuț, Ana und Andrea. Oder an Isa Berger, mit der wir seit zehn Jahren die Festivals erleben und die heute nicht nur eine wunderbare Schauspielerin sondern auch Gruppenleiterin mit gleichen Rechten und großartigen Vorstellungen und zugleich die eigentliche Organisatorin dieses Festivals ist. Und heute? Sie sind alle Schauspieler und mein ganzer Stolz. Ja, ich glaube, dieses Festival hat einige Ziele erreicht.“


Etwas Neues entdeckten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in diesem Jahr. Doch wieso ist Theater für junge Menschen so wichtig? Warum sollten sie sich an Theaterworkshops beteiligen bzw. in schulischen Theatergruppen mitmachen? Eine Umfrage unter einigen der beteiligten Workshop-Leiter ergab, dass Schauspiel in erheblichem Maße zur persönlichen Entwicklung eines jeden Einzelnen beiträgt. Der freie Kunsttherapeut und Ausdruckstänzer Gerd Eggers leitete zusammen mit dem NiL-Theatergruppen-Gründer Christian Bormann den Workshop „Träume kann man nicht verbieten“. „Es sind Möglichkeiten, die inneren Bilder freizusetzen. Und Qualitäten, die heutzutage gerade wegen der vielen neuen Medien, als soziale Medien bekannt, einfach wenig gepflegt werden. Bei dem, was wir hier machen, geht es um eine gewisse Körperbewusstheit, aber auch um Vertrauen, zum Beispiel, und Vertrauen kann man gerade beim Theaterspielen sehr viel lernen“, sagt Gerd Eggers.

Die Schauspielerin am Deutschen Staatstheater Temeswar, Dana Borteanu, unternahm mit ihrer Gruppe Körper- und Stimmübungen, Konzentrations- und Entspannungsübungen und es wurden auch Spiele gespielt. „Es ist immer schön, mit den Jugendlichen zu arbeiten, weil diese eine ganz spezielle Energie haben. Manchmal geht man vom Workshop sehr geladen nach Hause“, sagte Dana Borteanu. Von ihren Schülerinnen und Schülern erfuhr sie, dass sie infolge der Theaterworkshops ihre Scheu überwinden und damit auch ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln konnten.

Für die Theaterpädagogin Timea Farago, Lehrbeauftragte der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, die bei fast allen Auflagen des Deutschsprachigen Jugendtheaterfestivals in Temeswar dabei war, ist es offensichtlich, wieso junge Menschen das Theater kennen- und lieben lernen sollten: „Es ist eine unheimliche Bereicherung für die Persönlichkeit. Es entstehen hier Freundschaften, die jahrelang bestehen. Und wir bekommen hier genug Impulse für ein ganzes Jahr, um weitermachen zu können“, betont sie. Timea Farago übte mit den Schülern Kriminalimprovisation.


Eine Besonderheit war auch in diesem Jahr der PEM-Workshop. Von Inka Butz aus Deutschland lernten die Schüler die Perdekamp’sche Emotionsmethode, kurz PEM, näher kennen. „Wir schauen uns im Rahmen des Workshops die Grundemotionen an und trainieren sie. Es macht total viel Spaß“, sagt Inka Butz, Theatermacherin nach der PEM-Methode, die erstmals bei dem Jugendtheaterfestival in Temeswar dabei war.

Auch Christian Bormann vermittelte den Schülerinnen und Schülern einiges von seinem Wissen. Vor fünf Jahren durfte Bormann das letzte Mal bei dem Deutschsprachigen Jugendtheaterfestival als Workshop-Leiter dabei sein. „Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, Theater zu lernen, aber sich seiner Gefühle bewusst zu werden, sie auszudrücken, Angst zu verlieren und Vertrauen zu schöpfen, das ist wichtig“, erklärt er.

Das Deutschsprachige Jugendtheaterfestival ging auch in diesem Jahr erfolgreich über die Bühne, hieß es seitens der Veranstalter im Nachhinein. Sowohl sie, als auch die Workshop-Leiter waren sich einer Sache einig: Das, was die Teilnehmer am 20. Deutschsprachigen Jugendtheaterfestival in Temeswar gelernt und erlebt haben, soll ihnen lange noch zu Gute kommen. Ganz egal, ob sie später entscheiden, ihr Leben der Schauspielkunst zu widmen oder nicht.