Keine Angst vor heißen Eisen

Österreichisches Kulturinstitut Bukarest: Mit zeitgenössischer Kunst und im interkulturellen Dialog weg vom Mozart-Image

Elisabeth Marinkovic
Foto: Nina May

Die Ausstellung zur europäischen Roma-Kunst „Have a look into my life“ wird vom 19. März bis zum 8. April im Bukarester ArCub Hanul Gabroveni auf der Lipscani-Straße gezeigt. Mehr über die Veranstaltungen des Kulturinstituts unter www.austriacult-bucuresti.ro.

Zauberflöte oder prächtiger Opernball. Wienerschnitzel, und hinterher ein warmer Apfelstrudel. Pulverschneekulisse oder Edelweiß, je nach Saison, im Hintergrund kitschiges Alpenglühen. So stellt man sich überall auf der Welt Österreich vor... Szenenwechsel: Eine junge Frau mit kraftvoller Stimme tobt sich ins Mikrofon. Ihr schwarzgelockter Pferdeschwanz peitscht im Takt ihres Protestsongs. Im Hintergrund Kaffeeduft aus dem Bazar, orientalischer Singsang mit samtweicher Jungenstimme. Unter packendem Rhythmus verschmelzen die Kontraste im Videoclip der Rapperin EsRap. Mal türkisch, mal deutsch, auf jeden Fall energisch. „Ich bin Ausländer mit Vergnügen!“ schreit sie ins Publikum. Auch das ist Österreich.

Fern vom verstaubten Mozart-und-Sachertortenimage, verblüffend und überraschend - so will man heutzutage Rumänien erobern. Nicht mit Sissi und Kaiserreich, sondern mit sozialkritischen Filmen, modernem Theater und Tanz. Dafür scheut Elisabeth Marinkovic, Leiterin des österreichischen Kulturinstituts in Bukarest, auch nicht vor Provokation zurück. In ihrem Büro in der österreichischen Botschaft sitzen wir uns gegenüber. Im Hintergrund ein freches Godzilla-Poster, das lustige grüne Monster erobert als Karikatur eine graue Stadt. Glucksend kichert die blonde Frau in ihre dampfende Kaffeetasse: „Das habt ihr ja gründlich missverstanden!“  Ein gewagtes österreichisches Tanztheaterstück, das 2013 in Bukarest aufgeführt worden war. Nur zu gut erinnere ich mich an den Artikel unseres jungen Praktikanten aus Deutschland über den - freilich symbolisch dargestellten - Austausch der Körpersäfte auf der Bühne. Dies jedenfalls war an ihm hängen geblieben, die tiefere Message nicht.

Österreichische Künstler sind generell abstrakter, man muss oft die Zusammenhänge schon vorher kennen, damit man das Kunstwerk überhaupt versteht, beobachtete Elisabeth Marinkovic. „Mehr ‚verkopft‘ als die Rumänen, bei denen Kunst unmittelbarer wirkt, ohne Umwege - was manchmal auch angenehm sein kann,“ gesteht sie. Starke Gefühle löste bei ihr eine rumänische Tanz-Wanderausstellung über die Fragilität der Erde aus: „Alles war in Bewegung, alles im Fluss, nicht einmal der Boden war fest- eigentlich ein gewagtes Thema für eine Stadt, in der man auf das große Erdbeben wartet.“

Kommunikation durch Tanz oder Architektur

Vor zwei Jahren kam die lebhafte Kulturmanagerin direkt aus Prag nach Bukarest. Ihre Aufgabe hier ist zum einen die Präsentation eines kreativen, innovativen Österreich durch Kunst und Kultur. „Zeitgenössischer in erster Linie“ präzisiert sie, „je aktueller umso lieber.“ Weg vom Mozart-Image. Weil jedoch das Alpenland kulturell vor allem als Musikland wahrgenommen wird, aber auch im Tanz international anerkannt ist, kann man in diesem Bereich im Ausland sehr viel machen, erklärt die Kulturmanagerin. In Rumänien besteht großes Interesse am zeitgenössischen Tanz, weil es hier eine starke unabhängige Tanzszene gibt, die kreativ und international bekannt ist. So ergibt es Sinn, österreichische Ensembles für gemeinsame Projekte herzubringen, erläutert sie.

Ein völlig andere Art von interkulturellem Dialog soll hingegen in diesem Jahr begonnen werden: Gleich zwei Architekturausstellungen wollen die Österreicher in diesem Jahr nach Rumänien bringen. Die erste wird ab 5. März in der Bukarester Architekturfakultät eröffnet: In „Yo.V.A. - Young Viennese Architects“ stellen zwölf prämierte Wiener Jungarchitekten ihre Entwürfe international aus. Der Wettbewerb wurde von der Stadt Wien initiiert, die ständig auf der Suche nach neuen kreativen Lösungen ist, die der sozialen und demographischen Entwicklung Rechnung tragen. Präsentiert werden zum Beispiel Seniorenwohnmodelle gegen Vereinsamung im Alter, eine Kombination aus individuellen Schlafzimmern und gemeinsamen Wohnräumen. Oder die „ausziehbare“ Wohnung, bei der man durch mobile Wände und Zwischendecken den Wohnraum je nach Familienplanung flexibel umgestalten kann. Ein Ziel der Ausstellung ist unter anderem die Förderung der Netzwerkbildung mit Architekten der Bukarester Universität.

Kultur vermittelt, wo Worte versagen

Ein weiterer Schwerpunkt der Auslandskulturarbeit ist, den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu fördern - ein Thema, das in der letzten Zeit immer aktueller geworden ist. Im Vorjahr waren daher Bukarest und Temeswar/Timişoara Stationen der Tournee eines für Straßburg als Kulturhauptstadt 2013 konzipierten Theatherstücks, „Slobodia Odyssea Mon Amour“, in dem moderne Migrantenschicksale im Sinne der Odysseuslegende verknüpft wurden. In der rumänischen Hauptstadt wurde zu diesem Anlaß auch ein Workshop mit syrischen Flüchtlingen veranstaltet, die am runden Tisch mit österreichischen Journalisten, auf Migration spezialisiert, diskutierten. „Rumänien ist ja nicht nur Herkunftsland von Migranten, sondern auch Zielland - wir fanden es spannend, den Fokus einmal auf diese weniger beachteten Mitbürger zu legen“, erklärt die Wienerin.

Das österreichische Außenministerium, dem das Kulturinstitut angegliedert ist, verfügt über eine Task Force für interkulturellen Dialog. Letztes Jahr wurde von dieser erstmals ein „Intercultural Achievement Award“ entwickelt, zu vergeben an NGOs, die besonders interessante Projekte verwirklicht haben. „Ich freue mich, dass der vierte Preis an die rumänische Roma-Agentur Împreun² ging“, bekennt Elisabeth Marinkovic. Das Projekt befasste sich mit der Identifizierung von Vorbildern aus der Roma-Gemeinschaft, die Kindern zeigen sollten: Es lohnt sich, zur Schule zu gehen, es lohnt sich, Träume zu haben, die Welt steht auch euch offen. In diesem Rahmen wurde auch ein Dokumentarfilm gedreht, der gemeinsam mit den Hauptdarstellern durch rumänische Schulen reiste. „Damit die Kinder begreifen, dass es diese Leute wirklich gibt, dass es nicht nur Schauspieler sind“, erklärt die Kulturmanagerin.

Auch in diesem Jahr ist das Thema Roma wieder aktuell. Am 19. März bringt Marinkovic ein von der Akademie Graz anlässlich des österreichischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates entwickeltes Projekt nach Rumänien: die Ausstellung europäischer Roma-Kunst „Have a look into my life“. Sie wurde letztes Jahr in Straßburg eröffnet und reist seither durch mehrere Länder. Die Expomate stammen von 14 Künstlern, darunter auch vom rumänischen Maler George Vasilescu.

Türkische Kunst aus dem Alpenland

Auch für dieses Jahr hat sich Elisabeth Marinkovic ein gewagtes Schwerpunktthema ausgedacht: die türkisch-kurdische Gemeinschaft in Österreich als Teil ihres Landes zu präsentieren. „Ein heißes Eisen ist bei uns der Islam“ motiviert sie diese Wahl, „aber auch die Tatsache, dass türkischstämmige Gastarbeiter in Österreich eine stark in sich geschlossene Community bilden, die sich von allen ethnischen Gruppen am wenigsten mit Österreich identifiziert.“ Andererseits gibt es sehr erfolgreiche Kulturprodukte aus dieser Gemeinschaft, die Österreich auf internationalem Parkett repräsentieren und nun in Rumänien gezeigt werden sollen. Derzeit sind die besten österreichischen Produktionen, die weltweit sehr erfolgreich sind, Spielfilme mit türkisch-kurdischem Hintergrund, erklärt die Kulturmanagerin. Als Beispiel nennt sie den Kinofilm „Deine Schönheit ist nichts wert“ von Hüseyin Tabak - einem in Deutschland aufgewachsenen Türken, der in Wien studiert hat. Der Streifen wurde bereits auf über 50 Festivals gezeigt und hat mehr als 20 Preise eingeheimst, darunter 2014 den Österreichischen Filmpreis in vier Kategorien: bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch und beste Musik. Dem rumänischen Publikum wird dieser am Freitag, dem 13. März, im Rahmen des Cinecultura-Festivals in Temeswar vorgestellt.

Fasziniert hat die Österreicherin aber auch die 20-jährige Esra Özmen aus Wien, die in der männerdominierten Rap-Szene unter dem Namen EsRap große Erfolge feiert. Durch rhythmische Vertonung ihrer Gedichte zu belastenden Erfahrungen transformierte sich die einst schüchterne Jugendliche mit Migrationshintergrund zur „Ausländerin mit Vergnügen“. „Rap ist in Österreich häufig Thema in Filmen gewesen“, erklärt Elisabeth Marinkovic, „mich hat aber vor allem fasziniert, dass sie die einzige weibliche Rapperin ist - dies vor dem Hintergrund der traditionell patriarchalischen orientierten türkischen Gesellschaft.“ EsRap wird am 21. April in Ia{i ein Konzert geben und am 23. April in Ploie{ti sowie im Bukarester Kulturhaus „Friedrich Schiller“ je einen Workshop abhalten.

Türkisch wird auch der diesjährige Beitrag Österreichs zum internationalen Theaterfestival Sibfest in Hermannstadt/Sibiu im Juni - mit einem modern inspirierten Derwisch-Tänzer. „Den hab nicht mal ich ausgesucht, sondern die Veranstalter, aber ich unterstütze das natürlich gern!“ frohlockt die Kulturmanagerin.
Als weiteres Projekt schwebt ihr noch eine Austellung „50 Jahre türkisch-kurdische Community in Österreich“ vor, die in Constan]a/Konstanza gezeigt werden soll. „Ich habe mich für diesen Ort entschieden, weil dort verschiedene ethnische Gruppen friedlich miteinander leben und es kein heißes Thema ist“, erklärt sie.

Immer spannend

Wo zwei Kulturkreise aufeinanderstoßen, passieren da nicht auch Pannen, bitte ich sie um eine Anekdote. Elisabeth Marinkovic lacht auf. Erinnert sich an das Stück „Das präparierte Klavier“, in dem der Künstler das Instrument vier Stunden lang bearbeitet hatte - hier und dort ein Hölzchen zwischen die Saiten, damit es nicht mehr wie ein Klavier klingt - und kurz vor der Aufführung war alles weg! Die Vorstellung klappte dann doch noch.

„Was mich auch immer verblüfft an den Rumänen, ist diese anfängliche Entspannung, die dann kurz vor der Vorstellung in Hektik übergeht“. „Doch sie sind auch kreativer in der Lösungsfindung“, ergänzt die junge Frau und lobt vor allem das Improvisationstalent ihrer Assistentin Lavinia Sârbulescu und des Grafikers Mihai Poiană. Wo sie selbst vielleicht längst aufgegeben hätte - sei es, weil die Technik bis zum Schluss nicht klappen wollte, oder als sich einer der rumänischen Hauptdarsteller einen Tag vor dem Auftritt den Arm gebrochen hatte - fand Lavinia in letzter Minute Ersatz. „Das ist für mich persönlich auch bereichernd, man kann hier viel lernen“ bekennt sie, „vor allem Gelassenheit und Kreativität.“