Kendamas, Beyblades und Hoverboards

Spielzeugtrends – zwischen „in“ und „out“

Dana hat ihren Neffen Geld zum Geburtstag geschenkt. Dana ist 50 und hat selbst keine Kinder, auch beruflich kommt sie nur mit Erwachsenen in Kontakt. „Ich bin nicht auf dem Laufenden, was ihnen gefällt, was denn ‚in‘ ist“, begründet sie ihre Entscheidung für das Geld. Damit hat sie aber den Nagel auf den Kopf getroffen, vielleicht ist auch ihr Beruf als Soziologin dafür verantwortlich, dass sie das so richtig erfasst hat: Heute sind Spielsachen eben „in“ oder „out“ und weil die Mode sich schnell ändert, kann das zuvor beliebte Spielzeug schnell im Abseits landen. Als Elternteil bekommt man da schon eher mit, was sich gerade tut.

Die Klassiker

Die klassische Einteilung in Puppen oder Autos ist so nicht mehr anzutreffen. Weil immer mehr Puppe nicht gleich Puppe ist und Auto nicht gleich Auto. Ja, gut, zugegeben, früher hat es auch eine gewisse Mode gegeben, da gab es Puppen mit Porzellankopf und Stoffpuppen, es gab Bleisoldaten, die später aus gesundheitlichen Gründen aus den Kinderzimmern verbannt wurden (vor nur drei Jahren gab es ähnlichen Aufruhr wegen der Kopien von Gummiringen, die im Original Looms hießen), aber zugegeben, die heutige Auswahl und der Ideenreichtum sowie die florierende Industrie sind ein Kind des 20. Jahrhunderts.

Heute spielen Marketing und Web 2.0 eine entscheidende Rolle in der Spielzeugindustrie und geben die neueste Mode vor. Im Sommer hatten sich bei draußen 40 Grad hunderte von Kindern und Erwachsenen in einer Mall in Temeswar zusammengefunden: Grund war nicht nur die Klimaanlage, auch nicht unbedingt das Gelüsten nach Shopping, sondern der Auftritt eines „Superstars“, den die Kinder von Youtube kennen und der, als Erwachsener, Geld damit verdient, eines der gerade hoch in Mode stehenden Spielsachen geschickt zu verwenden und über kurze Filme auch in Mode zu halten. Der Bühnenname des „Superstars“ ist Cerebel, das Spielzeug, das er geschickt handhabt, ist ein Kendama. Mit einer gewissen Verspätung ist der Star aufgetreten – die Spannung war schon auf Hochquoten gestiegen, schaffte dann doch nicht alle Tricks, die er sich vorgenommen hatte, erntete trotzdem viel Beifall und signierte zum Schluss die Kendamas mit einem schwarzen Marker mit den vier Buchstaben CRBL!

Cerebel ist der Erfinder eines Kendama-Tricks, den er über den Youtube-Kanal verbreitet. Und da er im Dezember wieder einmal auftreten soll, sind sich die Läden, die Kendamas verkaufen – von Buchläden (die seit Langem nicht mehr nur Bücher verkaufen, sondern auch so etwas wie Atmosphäre und Lebensstil) über Spielwarenläden bis hin zu den Supermärkten – wahrscheinlich sicher, dass die Mode anhält, die schon vor einem Jahr begonnen hat. Außerdem ist für einen Kenner ein Kendama nicht gleich dem anderen: Da gibt es einige Unterschiede in der Beschaffenheit und erhebliche Unterschiede in der Preislage.

Zwischen Sammlerfieber und Sammlerwut

Wie schon am Anfang erwähnt, spielt Marketing eine große Rolle im Verkauf von Spielsachen heutzutage und in allen Fällen hat es etwas mit dem Schlachtruf „Collect them all!“ zu tun. Da werden Spielsachen angeboten, ob es billige Stikeez sind, oder teure Kendamas, die in vielen verschiedenen Variationen hergestellt werden, dann auch serienweise mit der Unterschrift eines berühmten Kendamisten (lies: Kendama-Spielers) - berühmter als Cerebel - hergestellt werden; in höheren Auflagen oder – die Marketing-Abteilung verspricht es – in kleinerer Serie eben. Sammeln war früher eine Tugend und etwas, woraus man lernen konnte. Der Nachwuchs liest heute „Das Nachtpfauenauge“, seine Eltern haben es auch gelesen. Aber das Sammeln von heute hat immer weniger mit dem Konzept von gestern zu tun, nicht nur, weil keine Insekten mehr aufgespießt werden oder Briefmarken immer seltener werden und die Post diesbezüglich auch immer weniger erfinderisch geworden ist. Sammeln hat etwas fast Krankhaftes, Bulimie-Artiges an sich, wenn man sich ganz nach den Wünschen der Spielzeugindustrie richtet.

Möglichst alles soll gesammelt werden: Murmeln und Kreisel (falsch, die heißen jetzt Beyblade), Puppen (Barbie und Monster High) und Autos (Hotwheels), jedenfalls vieles, manch Brauchbares und sehr, sehr viel Unbrauchbares. Da gab es zum Beispiel die Beanz-Reihe: Plastikbohnen mit einem Magneten drin, die auf einer Schiene rollen oder einfach süß zum Anschauen sind. Unglaublich, aber Web 2.0 hilft auch da nach; denn die kleinen Sammler stellen Videos auf, in denen sie ihre Sammlungen vorzeigen. „This is my lumination!“ (in freier Übersetzung „Das ist mein Augenlicht!“) hat ein kleiner Junge aufgeschrien, als er ein dreieckiges Bean aus seiner Sammlung hervorgehoben hat: eine Rarität. Unglaublich, dass zu Sammlungen auch kleine Kärtchen gehören können, die man in verschiedenen Süßigkeitenverpackungen findet (doppelt ungesund, wenn man die Eltern – oder zumindest manche Eltern – fragen würde). Zwanzig gehören zur kompletten Sammlung, man kann vielleicht vierzig süße Kipfeln essen und auf keine sieben gleiche Kärtchen kommen, Tauschen ist angesagt, aber dann will man wieder die Süßigkeiten kaufen, denn vielleicht liegt da doch das richtige, das noch fehlende Kärtchen drin.

Wie wichtig das Sammeln ist und macht, lässt sich an folgender anekdotenhaften, aber durchaus wahren Geschichte ablesen: Vor sechs Jahren (damals war das Beyblade-Fieber akut) machten zwei kleine Jungs, Erstklässler, in einer Schulpause einen kurzen Ausflug in eine andere Schulklasse, um „den“ Beyblader der Schule zu Gesicht zu bekommen: Der Junge hatte sage und schreibe 26 Beyblades. Ganz begeistert kamen sie zurück und dann nach Hause, eifrig erzählte mein Sohn davon, sein Freund ließ in die Wunschliste für Weihnachten sogar alle Beyblades eintragen.

Transmedial seit „Ninja Turtles“

Auch leben wir heute mit dem, was die Forschung das Transmedia- oder Intermedia-Phänomen nennt und das bereits vor Jahrzehnten mit „The Teenage Mutant Ninja Turtles“ angefangen hat - an die kämpferischen Schildkröten, die Namen großer Maler trugen und gerne Pizza aßen, werden sich die Eltern noch aus ihrer Kindheit erinnern. Transmedial oder intermedial ist es eben, wenn dann zum Beispiel, wie in diesem Jahr, die Minions sich nicht nur auf der Leinwand im 3D-Kino tummeln, in Büchern über angestellten Unfug lieb und im Kauderwelsch erzählen, sondern auch auf T-Shirts erscheinen, unbedingt auf der Butterbrotdose für die kleinen Schüler, als Schlüsselanhänger, als Abziehbild, als Magnet oder klein, aus Plastik und strahlend gelb – wie das Eigelb eines normalen Hühnereis - aus einem Schokoladenei entnommen werden.

Nicht anders ist es mit Lego: Manche Serien kommen aus der Mode und aus dem Sinn (so zum Beispiel Chima), andere sind erneuert, aufgewertet worden (wie Ninjago) und die Serie geht weiter, bei den Großen ist es doch genauso, wenn sie sich Serienfilme anschauen, da gibt es neuerdings doch auch die „Saisons“. Nur bei den Kids kommen da noch die intermedialen und transmedialen Aspekte hinzu: Das sind eben die ganzen „Nebenerscheinungen“ zu den Filmen: Spielsachen, Kleidungsstücke, Becher und alles nur Denkbare mit dem Label. Im Laden heißt es dann zum Beispiel „tricou cu licen]²“ und es ist dementsprechend begehrter und teurer als die „gewöhnlichen“.
Die modischen Trends haben aber nicht zuletzt mit Vergänglichkeit zu kämpfen: Letztes Jahr hatten  Hoverboards plötzlich das Fieber unter Kindern und Teenies angefacht, auch ein paar Erwachsene ließen sich davon anstecken. Rollen sollte man, aber möglichst nichts tun müssen, denn ein Hoverboard ist elektrisch. Aber das Ding ist nicht jedermanns Sache, denn ein Hoverboard kostete vor einem Jahr etwa 2000 Lei. Heuer verkauft es sich schon um 700 Lei. Da fragt man sich: Ist es nicht mehr „in“ oder wurden zu wenige verkauft?
Praktisch ist es aber für die Marketingabteilung: Wenn eine Mode passe ist, stehen mindestens zwei neue Trends an der Tür.