Kitsch prägt vorweihnachtliche Atmosphäre

Temeswarer Weihnachtsmarkt birgt viel Optimierungspotenzial

Weihnachtsmarkt in Temeswar: Ein Selfie mit der Krippe und das Bummeln kann weitergehen. Foto: die Verfasserin

Der Temeswarer Weihnachtsmarkt empfängt seit dem 1. Dezember seine Besucher. Es ist das elfte Mal, dass die Stadtverwaltung den Markt in der Innenstadt veranstaltet. Doch der Weihnachtsmarkt, auf den sich die Besucher gefreut haben, bietet in diesem Jahr nichts Besonderes und kaum etwas Neues. Viel Kitsch prägt die vorweihnachtliche Atmosphäre in Temeswar. In einer künftigen europäischen Kulturhauptstadt sollte das doch etwas anders sein.

Es ist kurz nach 14 Uhr und auf dem Corso tummeln sich jede Menge Passanten. Die Menschen spazieren über den Opernplatz, auf der Suche nach Geschenkideen oder ohne ein bestimmtes Ziel. Die braunen Holzhäuschen, die jedes Jahr beim Oster- und beim Weihnachtsmarkt aufgestellt werden, reihen sich entlang des Opernplatzes, auf der Corso- und auf der Surogat-Zeile. 100 sollen es in diesem Jahr sein. Die Geschenkideen sind immer noch dieselben wie in den vergangenen Jahren und nur wenige Sachen sind exklusiv auf dem Weihnachtsmarkt und nicht auch in den Läden zu finden. Im Angebot steht meist Kleidung für die kalte Jahreszeit – Mützen, Schals und Handschuhe –, jede Menge Spielzeug, billiger Schmuck, überteuerte Weihnachtsdekorationen und (zu) viele rumänische Souvenirs. Fast überall gibt es den Kitsch, den keiner braucht. Dass an mehreren Verkaufsbuden dieselben Produkte und dazu noch zu unterschiedlichen Preisen zu finden sind, ist ein weiteres Manko des Weihnachtsmarktes.

Für den kleinen Hunger zwischendurch gibt es Baumstriezel – den ungarischen Kürtöskalács, der zum Preis von 12 Lei von mehreren Händlern gekauft werden kann. Auch der Glühwein ist erschwinglich in Temeswar, doch Weinliebhaber finden, dass die Qualität des Rebensaftes viel zu wünschen übrig lässt. Zumindest der Preis passt: 3 Lei kostet ein 200-ml- und 5 Lei ein 400-ml-Becher.

Betritt man das Lebensmittel-Areal auf dem Parkplatz vor dem Modex-Kaufhaus, so nimmt man von allen Seiten die unterschiedlichsten Gerüche wahr. Hier wird Gulasch gekocht, gegenüber rührt ein älterer Koch im Bohneneintopf, nebenan stehen Leber- und Blutwurst auf der Theke und warten darauf, mit nach Hause genommen zu werden. Ein dicker Rauch schwebt über dem Modex-Parkplatz, gleich gegenüber des Hunyadi-Schlosses. Das für diese Zeit recht warme Wetter ist ungünstig für die Händler, die ihre Produkte in offenen Vitrinen und nicht in Kühlschränken zur Schau stellen. Kein Wunder, dass das geräucherte Schweinefleisch beim Anfassen etwas klebrig ist, wenn man es, zu Hause, aus der Einkaufstüte holt. Will man das Produkt zurückbringen, so lautet die freche Antwort der Verkäuferin: „Nein, nein, das Fleisch muss so sein“. Definitiv ein Fall für den Verbraucherschutz.

Die Tische mitten auf dem Parkplatz wirken alles andere als einladend. Klebrig und schmierig warten sie darauf, von irgendjemandem (von wem wohl?) gereinigt zu werden. Der Kunde muss da selbst zurechtkommen. Mit feuchten Taschentüchern ist er bestens gewappnet. Die Preise der Fleischwaren sind recht hoch, doch das kennt man bereits aus den Vorjahren – 50 Lei kostet das Kilo Grieben, die Leberwurst ist zu 30-35 Lei das Kilo erhältlich. Besonderheiten haben die Nachbarn aus Ungarn mitgebracht: Woll- und Wildschweinwurst, zum Beispiel. Ein ausgestopfter Mangalitza-Eber steht vor der ungarischen Bude – gegenüber sind zwei ausgestopfte Schafe zu finden, die man übrigens schon aus dem Vorjahr kennt.

Abends, wenn die Dunkelheit einbricht und die Weihnachtslichter eingeschaltet werden, taucht das Zentrum in ein Lichtermeer ein. Schade, dass die in Lebensgröße nachgemachte Szene von der Geburt Jesu´ gegenüber der orthodoxen Kathedrale kaum zur Geltung kommt. Zwei blasse Scheinwerfer beleuchten die Figuren, die trist ins Leere schauen. Im Hintergrund, links, ziehen zwei lebendige Schafe die neugierigen Blicke der Kinder auf sich, die so gern das weiche Fell streicheln würden. Ein Selfie mit dem Jesuskind und schon kann das Bummeln weitergehen. Die zehn Tage nach der Eröffnung des Weihnachtsmarktes aufgestellte Lichterkuppel vor der Oper – sie wurde vorher einfach „vergessen“ – ist dafür ein Pluspunkt des Weihnachtsmarktes.

Auf dem Weg nach Hause, der über den Freiheitsplatz führt, schlendert der Besucher vorbei an einem schmutzigen Weihnachtsmann im Schlitten, an einem rotierenden Springpferdchen-Karussell mit Pferdchen, das alles andere als sicher erscheint, und am Weihnachtsmann in Person, der die Kinder auf seinem Schoß hält – gegen Bezahlung natürlich, denn Mama und Papa wollen doch ein kleines Foto-Andenken vom Weihnachtsmarkt 2017 mit nach Hause nehmen. Der Weihnachtsmarkt enttäuscht diejenigen Temeswarer, die sich etwas Neues gewünscht hätten. Die Freunde, die aus dem Ausland anreisen, führt man lieber woanders hin, als zum Weihnachtsmarkt in der Innenstadt.

Die Hoffnung, doch noch etwas Schönes zu entdecken, ist (noch) nicht verloren. Neben der Theresien-Bastei soll in diesem Jahr ein weiterer Weihnachtsmarkt, mit lokalen Produkten, zu finden sein, erfährt der Suchende. Diesen haben das Banater Museum und der Temescher Kreisrat organisiert. Doch der Enthusiasmus des Besuchers verflüchtigt sich: Die paar Häuschen, die hier stehen, sind allesamt geschlossen. Von Weihnachtszauber in der und rund um die Festung keine Spur...

Dem Temeswarer Weihnachtsmarkt fehlt einiges: die alternativen und/oder ungewöhnlichen Geschenkideen, die echte Adventsstimmung mit so wenig Kitsch wie möglich, die sauber aufgetischten Lebensmittel, anders gesagt: Ein neues Konzept muss her, damit der Weihnachtsmarkt in der europäischen Kulturhauptstadt 2021 überzeugender wirkt. Eines fehlt aber dem Markt in der Innenstadt definitiv nicht: Die zahlenden Besucher, die jeden Abend für Trubel und Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt sorgen.