Krieg ums Zurück

Er gehört zur Gruppe, der als Folge der Mineriaden, der Einfälle der Bergarbeiter und angeblichen Bergarbeiter in die Hauptstadt, Verbrechen gegen die Menschheit vorgeworfen werden (Hauptgestalten: Ion Iliescu und Petre Roman), doch Miron Cozma, dem Ex-Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft des Schiltals, kann auch Sturm auf europäische Werte und der Versuch des Zurückdrehens des Rads der Geschichte vorgeworfen werden. Sein Marsch 1990 auf Bukarest erfreute sich der Sympathie hoher Militärs und Verantwortlicher der Sicherheitsdienste, des Innenministeriums, von Politikern – die Beweise dafür sind längst unterm Teppich und die Staatsanwaltschaft tappt im Halbdunkel.

Es war eine antieuropäische Manifestation. Heute, im Alltag, mehren sich die Signale der antieuropäischen Haltungen in Politik und Volk. Jüngst: Plagiats-Premier Tudose versichert in Brüssel, beim Antrittsbesuch, seine Regierung bleibe beim Vorhersehbaren und Kalkulierbaren in Fiskalität und Wirtschaft. Ein paar Tage später verkündet PSD-Parteichef Dragnea, dass die Analyse der Regierungstätigkeit vom vergangenen Montag die inzwischen vom Tisch gefegte Besteuerung des Umsatzes der Firmen auf der Tagesordnung hat. Vorhersehbarkeit? Von wegen! „Verbrüdere dich mit dem Teufel, bis du überm Steg bist“ (rumänisches Sprichwort). Der Teufel ist die EU.

Der internationale Kontext ist wabbrig – EU-Chef Juncker flatterhaft, US-PräsidentTrump wetterwendisch, Putin konsequent großrussisch expandierend, Merkel im Bundestagswahlkampf versickernd. Die Soft-Bedrohung des europäischen Gedankens in Rumänien durch die „Russen“ der Politik (Ex-Premier Grindeanu in kleinem Kreis) wird immer aktueller. Illiberale Initiativen kommen aus dem Führungszentrum der PSD-ALDE-Koalition (im fiskalischen und wirtschaftlichen Bereich): Prospektion der Folgen einer Umsatzsteuer, Auflösung der Säule II der Renten, in aggressiver Rhetorik geäußerter Hass auf die „Multinationalen“, Prioritätsrumänentum usw. Immerhin und trotzdem: laut Statistiken wurde Rumänien gerade zur stärksten Volkswirtschaft auf dem Balkan, es genießt Anerkennung als jenes Land, das wirtschaftlich am effektivsten von allen ex-sozialistischen Ländern aufgeholt hat.

Die zweite Front des Abdriftens in die Vergangenheit besteht in Justiz und Rechtsstaat. An der Spitze der Regierungskoalition und des Parlaments steht ein auf Bewährung Verurteilter, Dragnea. Sein Partner steht wegen Meineid und Falschaussage vor einer Gerichtsverhandlung. Die Tatsache, dass Senatspräses und ALDE-Chef Călin Popescu-Tăriceanu nicht vor Gericht gestellt ist, beweist, dass es mit der Unabhängigkeit der rumänischen Justiz immer noch nicht weit genug her ist. Gesetzesnovellierungen stehen an, die den Rechtsstaat untergraben und Errungenschaften der vergangenen zehn Jahre in Richtung Europäisierung der Justiz rückgängig machen wollen. Dazu kommt die Politisierung des Verfassungsgerichts, seine Leitung durch einen Ex-PSD-Chef, Dorneanu, dem Rechtswahrung egal ist.

Gegen die offene und tolerante Gesellschaft, die sich in Rumänien etabliert hat, wird Sturm gelaufen – im Hintergrund die flatternden Kutten und Bärte radikalkonservativer orthodoxer Heiligenanwärter. Die Kultur des Dialogs wird durch schmierige TV-Sender untergraben, Fremdenhass und Chauvinismus plustern sich auf – nicht nur in der Perspektive der 100-Jahr-Feier der Gründung Großrumäniens. Die Rechte der Minderheiten werden zur Diskussion gestellt, die Freiheit des Wortes wird unterhöhlt, ethnische und religiöse Toleranz stehen zur Disposition. Extremismen robben vom Gesellschaftsrand ins Zentrum. Legionäre und orthodoxe Fundamentalisten, Neoprotestanten, Ex-Securitate-Mitarbeiter, Kommunismus-Nostalgiker, Verschwörungstheoretiker, Antiglobalisten tummeln sich unterm Schirm des Demokratiehasses. Der Kreml jubelt.

All dies während EU-Europa sich neu ausrichtet und Rumänien aus peripherer Sicht dazu etwas sagen müsste.