„Kritiker haben die Texte nicht gelesen“

Gespräch mit dem Erzbischof von Hermannstadt und Metropoliten von Siebenbürgen, Laurenţiu Streza

Metropolit Dr. Laurenţiu Streza, Erzbischof von Sibiu, blättert in den Konzilstexten von Kreta
Foto: Jürgen Henkel

Der rumänische orthodoxe Erzbischof von Hermannstadt/Sibiu und Metropolit von Siebenbürgen, Laurenţiu Streza, weist innerkirchliche Kritik an den Konzilsbeschlüssen der Panorthodoxen Synode von Kreta vom Juni 2016 scharf zurück. In der Rumänischen Orthodoxen Kirche tobt derzeit eine heftige Auseinandersetzung zwischen fundamentalistischen Kreisen und der Kirchenleitung im Zusammenhang mit den Beschlüssen dieser Synode.
Der 1947 in Sâmbăta de Sus bei Fogarasch/Făgăraş geborene Prof. Dr. Laurenţiu Streza ist seit 2005 Erzbischof von Hermannstadt/Sibiu und Metropolit von Siebenbürgen. Er zählt zu den wichtigsten und einflussreichsten Bischöfen seiner Kirche. Der renommierte Liturgiewissenschaftler hat seit 1986 an der Orthodoxen Fakultät der Universität in Hermannstadt eine Professur für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Liturgik inne. 1996 als Mönch geweiht, war er von 1996 bis 2005 Bischof von Karansebesch/Caransebeş im Banat. Mit dem Metropoliten von Siebenbürgen sprach Jürgen Henkel.

 

Eminenz, es gibt heftige Kritik in der Rumänischen Orthodoxen Kirche an den Beschlüssen des Panorthodoxen Konzils von Kreta. Droht eine Kirchenspaltung?

Um ein Schisma auszulösen, muss man jemand sein, der überhaupt in der Lage ist, ein Schisma zu veranlassen. Das ist hier nicht gegeben. Die meisten der Kritiker äußern sich lautstark, ohne überhaupt die Dokumente gelesen zu haben, die sie so scharf kritisieren.
 

Wie lief das Konzil ab?

Dieses Konzil wurde von vierzehn autokephalen orthodoxen Kirchen vorbereitet. Alle Dokumente des Konzils lagen viersprachig vor: Griechisch, Englisch, Französisch und Russisch. Die zehn beschlossenen Dokumente sind von allen zehn Kirchenoberhäuptern der anwesenden Kirchen unterzeichnet worden. Vier Kirchen waren aus bekannten Gründen nicht vertreten, aber das waren keine theologischen Motive. Aber auch die zehn anwesenden repräsentieren die weltweite Orthodoxie.

Zehn der sechzehn vorgelegten Konzilsdokumente wurden einstimmig beschlossen. Sechs Dokumente wurden mit zahlreichen Änderungen genehmigt. Unser Patriarch Daniel hatte die meisten Wortmeldungen mit konkreten Änderungswünschen. Es gab eine ernsthafte theologische Diskussion. Unser Ziel war es, einerseits die orthodoxe Ordnung zu bewahren, gleichzeitig aber auch das Zeugnis und die Botschaft der Kirche für die Gegenwart zu bekräftigen. Die Synode hat die Orthodoxie verteidigt und gestärkt.
 

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Diskussion um das Fasten. Wenn wir das strenge orthodoxe Fasten um die Hälfte reduziert hätten, hätten wir tatsächlich die Ordnung des Fastens zerstört. Das wäre das falsche Signal gewesen. Wir haben beschlossen, die strenge Fastenordnung grundsätzlich beizubehalten, ermutigen aber jeden Gläubigen, diese Ordnung nach seinen persönlichen Möglichkeiten umzusetzen, so gut er kann. Jeder Ortsbischof und jede Bischofssynode hat die Möglichkeit, nach dem Prinzip von Akribie und Heilsökonomie Ausnahmen zu genehmigen. Die Ausnahme bestätigt die Regel und schwächt diese nicht. Hätten wir die Ausnahme zur Regel erklärt, dann hätten wir die Regel wirklich geschwächt.
 

Was wird dem Konzil von den fundamentalistischen Gegnern konkret vorgeworfen?

Der Vorwurf lautet, dass die Orthodoxie mit diesen Beschlüssen geschwächt wurde. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Orthodoxie wurde gestärkt. Wobei wir freilich für die orthodoxe Welt wie für die orthodoxen Christen und Gemeinden in der weltweiten Diaspora unsere Verkündigung auch unter den neuen Bedingungen der Gegenwart verständlich machen müssen. Wir können nicht einfach dasselbe wiederholen wie vor 1000 Jahren.
 

In den anderen Kirchen riefen Bestimmungen zur Ehe Kritik hervor. Will die Orthodoxie Mischehen verbieten?

Hier wurde keine neue Regel beschlossen. Kirchliche Trauungen zwischen orthodoxen Christen und Nichtchristen sind nicht möglich, außer der nichtchristliche Ehepartner wird Christ und lässt sich taufen. Den Einzelfall hat der Ortsbischof zu genehmigen. Bei einer Trauung orthodoxer mit nicht-orthodoxen Ehepartnern wird erwartet, dass die Kinder orthodox getauft werden.
 

Vor allem das Dokument zum Verhältnis zu den anderen Kirchen ruft Kritik der orthodoxen fundamentalistischen Kreise hervor. Wie bewerten Sie das?

Wir haben keinerlei Kompromisse gemacht, was die Anerkennung anderer Kirchen betrifft. Das Konzil hatte nicht das Ziel, neue Dogmen oder kirchenrechtliche Normen (Kanones) zu erlassen. Ziel war es, den orthodoxen Glauben für die Pastoral und missionarisch zu stärken. Seit den 60er Jahren wurde dieses Konzil vorbereitet. Ich selbst habe schon 1982 an einem Vorbereitungstreffen teilgenommen. Ein panorthodoxes Konzil ist kein tagesaktuelles Treffen, es legt Grundsätze fest.

In diesem Dokument wird die Orthodoxe Kirche wie bisher als wahre Kirche bezeugt. Gleichzeitig wird festgehalten, dass es auch andere gibt, die den Anspruch erheben, Kirche zu sein. Diese unterscheiden sich von uns, aber wir erklären sie in diesem Dokument nicht für häretisch. Das Konzil erlässt kein neues Dogma zur Definition von Kirche. Wir sind im Dialog mit anderen Kirchen, gerade weil wir unterschiedlich sind. Und es braucht diesen Dialog, um zur Einheit zu kommen. Deshalb enthält das Konzilsdokument auch keine Werturteile über andere Kirchen. Es geht darum, das Eigene zu betonen. Selbst vom heiligen Berg Athos waren Vertreter bei dem Konzil. Alle Stimmen wurden gehört, auch russische Änderungswünsche wurden eingearbeitet. Es wurde mit Akribie darauf geachtet, dass die Änderungswünsche aufgenommen wurden.
 

Einzelne Priester und Klöster fordern die Rücknahme der Unterschriften der Bischöfe aus Rumänien. Andernfalls wollen sie die Fürbitte für die Bischöfe im Gottesdienst verweigern.

Solche Kommentare sind aufgekommen, bevor überhaupt die Texte veröffentlicht wurden. Es handelt sich um Fundamentalkritik kleiner Gruppen, weniger Priester und einzelner Klöster. Wenn Priester oder Klöster die Bischöfe nicht mehr in der Fürbitte erwähnen, übertreten sie das geltende Kirchenrecht. Wenn diese Kritiker nun fordern, dass die Bischöfe ihre Unterschrift zurückziehen, geht das völlig an der Wirklichkeit vorbei. Wir unterzeichnen solche Dokumente nicht im eigenen Namen, sondern im Namen und Auftrag unserer Kirchen, Metropolien und Bistümer. Auch wenn nur der Patriarch unterzeichnet hätte, dann hätte er dies nicht in seinem eigenen Namen getan, sondern für die ganze Kirche. Es liegt jetzt an uns, diese Konzilsbeschlüsse in unseren Kirchen zu analysieren und zu erklären, um sie zu rezipieren. Die Rezeption in den Kirchen ist entscheidend für die Gültigkeit der Beschlüsse. Auch die Russen, die nicht teilgenommen haben, werden die Konzilstexte analysieren und viele ihrer Änderungswünsche in den Texten wiederfinden. Die Orthodoxie wurde jedenfalls durch dieses Konzil gestärkt, nicht geschwächt. Wir sind guter Hoffnung, dass sich die Kritiker bekehren lassen.
 

Wie erklärt sich die Schärfe der Kritik? Warum meinen manche Orthodoxe, nur sie kämen in den Himmel?

Jeder muss sich um seine eigene Erlösung kümmern. Ich muss mich in erster Linie um meine Erlösung kümmern und nicht andere beurteilen. Wir kennen historisch die Entwicklung der Kirchen und wir kennen die theologischen Unterschiede. Gerade deshalb brauchen wir den Dialog zwischen unseren Kirchen. Die Kirchen verwerfen sich nicht mehr gegenseitig, das ist auch ein Ergebnis dieses Dialogs. Wir sind vom Gegeneinander zum Nebeneinander gekommen. Unsere Hoffnung ist es, dass wir auch noch zum Füreinander kommen.