Kronstadt – Magnet oder nicht attraktiv für Neusiedler?

Eine schöne Stadt, doch das genügt nicht

Zu den größten Anziehungspunkten von Kronstadt zählen für Personen, die sich eventuell da ansiedeln wollen, die historischen Baudenkmäler. Sie verleihen der Stadt eine attraktive Atmosphäre. Unser Bild: das 1559 erbaute Katharinentor.
Foto: der Verfasser

Allgemein wird Kronstadt/Braşov sowohl von den in- als auch den ausländischen Besuchern als eine schöne Stadt eingeschätzt. Dieses ist auch ein Argument für nicht wenige Interessierte, die sich hier ansiedeln wollen. Doch diese Einschätzung ist zum Teil weniger den Lokalbehörden zu verdanken, sondern mehr dem natürlichen Umfeld, der geo-grafischen Lage und den Baudenkmälern, die zum Großteil vor allem dank der sächsischen Komponente dieser Stadt und ihrer Bewohner existieren.

Schlussfolgerungen einer Studie der Weltbank

Zu einer Aussprache unter dem Titel „Kronstadt – Magnetstadt oder Baustellenstadt?“ wurden die Kronstädter an einem Wochenende, am Samstag, 16. September, in den großen Saal des Kulturzentrums Redoute eingeladen. Dabei wurden eine Studie der Weltbank bezüglich der Entwicklung der Städte Rumäniens und speziell die Tendenzen für Kronstadt vorgestellt und zur Sprache gebracht. Leider war die Beteiligung spärlich, einschließlich die der Stadtleitung und der Mitglieder des Stadtrates. Laut einer Umfrage haben 8,5 Prozent der Landesbevölkerung den Wunsch geäußert, in Kronstadt oder im Umfeld zu wohnen, in einem Gebiet, in dem gegenwärtig nur 2,2 Prozent der gesamten Bevölkerung angesiedelt ist. Das sind etwa 450.000 Bewohner in der Stadt und im Metropolitangebiet. Aus den nahegelegen Ortschaften pendeln täglich rund 15 Prozent zu ihren Arbeitsplätzen in die Stadt unter der Zinne.

Was die Zuzugsgebiete betrifft, haben sich in den letzten Jahren Änderungen vollzogen. Waren es bis 1990 vor allem Bewohner aus dem östlichen Teil der Landes, der Moldau, die nach Kronstadt kamen, da sie einen Arbeitsplatz in den Großbetrieben fanden und staatliche Wohnungen erhielten, hat sich diese Tendenz geändert. In den letzten Jahren haben sich über 7000 Bukarester da angesiedelt. Desgleichen sind es immer mehr Personen aus den Nachbarkreisen und umliegenden Städten, die sich hier niederlassen, Wohnungen kaufen oder selbst bauen. Außer Bukarest sind es Personen aus Sankt Georgen/Sf. Gheorghe, Fogarasch/Făgăraş, Zeiden/Codlea, Buzău, aus den Kreisen Argeş und Dâmboviţa. Gab es vor Jahren einen starken Zuzug aus dem Kreis Bacău, bevorzugen diese nun die Hauptstadt Bukarest.
Anderseits gibt es auch innerhalb des Kreises ein wachsendes Interesse für den Nachbarkreis Hermannstadt/Sibiu. Beson-ders Bewohner aus Ortschaften an der Kreisgrenze, des Fogarascher Gebiets, aus Viktoriastadt/Oraşul Victoria fühlen sich immer mehr von diesem angezogen, was zu Abwanderung führt. Nachdem die sozialistischen Großbetriebe nach der Wende ihre Tore geschlossen haben, ist Kronstadt nicht mehr ein so großer Anziehungspunkt, besonders jetzt, wo die da angesiedelten Unternehmen ihre Nachfrage an Arbeitskraft ziemlich gedeckt haben.

Geringere Kultur- und Studienangebote

Die Studie der Weltbank machte auch auf die Rolle starker Universitäten im Einzugsbereich einer Stadt aufmerksam. Klausenburg/Cluj Napoca bietet gegenwärtig an den dortigen Universitäten rund 80.000 Studienplätze. Ein weiteres Hochschulzentrum nach Bukarest ist Jassy/Iaşi. Diese Universitätsstädte sind die großen Anziehungspunkte für die jungen Leute geworden. Kronstadt mit 20.000 Studenten liegt ziemlich weit dahinter. Hier ist die Nachfrage nur an Fakultäten der Transilvania-Universität, die durch ihr Profil auf Landesebene einzigartig sind, groß. Auch sind die Universitäten die Quelle für den Bevölkerungszuwachs der Städte, in denen sich diese befinden. Zahlreiche Absolventen orientieren sich dahin, in den Städten zu bleiben, wo sie studiert haben, da sie diese während ihrer Studienzeit gut kennengelernt haben, über das Wirtschaftspotenzial bestens informiert sind und zum Teil schon in den Studienjahren Angebote für einen zukünftigen Arbeitsplatz erhalten haben. Deswegen müssen die Stadtleitungen sich mehr Gedanken machen, und Kronstadt bildet da keine Ausnahme, wie das Angebot in diesem Bereich attraktiver werden kann, um zukünftige Bewohner anzuwerben.

Laut einer Studie der Kronstädter Metropolitanbehörde strotzt die Stadt auch nicht an Kulturangeboten, wie beispielsweise Klausenburg oder Jassy. Die dort zielgerichtet in den Kulturbereich vorgenommenen Investitionen sind bedeutend höher als in Kronstadt. Außer einigen Musik-, Folklore- und Filmfestivals, eher nicht von großen Dimensionen, hat die Stadt wenig Angebote. Bedenkt man, was in Klausenburg das UNTOLD- oder in Hermannstadt das Theaterfestival an Zuhörern und Zuschauern aus der ganzen Welt anlockt, so müsste man in Kronstadt schnellstens handeln, um den Anschluss nicht ganz zu verpassen. Von der Kandidatur als Kulturhauptstadt Europas in naher Zukunft ist ganz abzusehen.

Wohnungsbau ist auch ein Gradmesser

Was den Bevölkerungszuzug nach Kronstadt betrifft, kann man auch nach dem hier verzeichneten Wohnungsbau gewisse Schlussfolgerungen ziehen. Neubauten werden nicht nur von Personen beansprucht, die in die Stadt unter der Zinne übersiedeln, sondern auch von zahlreichen Stadtbewohnern, die ihre Wohnverhältnisse verbessern wollen, oder von jungen Leuten, die eine Familie gründen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 920 Wohneinheiten an ihre neuen Besitzer übergeben. Das sind um 10,6 Prozent weniger als in gleicher Zeitspanne des Vorjahres. Auch ist deren Wohnfläche, wenn nicht um viel, doch etwas zurückgegangen, von 59,1 auf 58,5 Quadratmeter. Laut Daten des Statistikamtes ist aber deren Preis gestiegen. Der Wert der heuer angekauften Wohnungen hat 144,363 Millionen Lei betragen, während sich im Vorjahr die Summe auf 130,787 Millionen Lei belief, obwohl die Wohnungen eine größere Fläche hatten. Der Durchschnittspreis pro Quadratmeter stieg von 1187,1 Lei im Vorjahr auf 1320,8 Lei in diesem Jahr.

Ende Juni 2017 befanden sich im Kronstädter Kreisgebiet 4403 Wohnungen in Bau, um 903 mehr als ein Jahr davor.
Die Studie wies auch auf die Notwendigkeit des Baus des Flughafens und der Autobahn bis Comarnic hin, als Verbindung zum Bauabschnitt nach Bukarest. Würden diese Investitionen endlich durchgeführt werden, könnte Kronstadt um vieles attraktiver werden. Die Stadtverwaltung müsste aber auch mehr auf Sauberkeit, Instandhaltung der Grünflächen, Ordnung und Sicherheit in allen Gebieten der Stadt und nicht nur in den zentralen sorgen. Vor wenigen Jahren noch standen diese Ziele im Blickpunkt, sind aber immer mehr aus diesem weggerückt, oft auch nach Lobeshymnen, die man sich selbst gesungen hat. Die Interessenlosigkeit macht sich immer mehr bemerkbar, wie auch an der Teilnahme an der Vorstellung dieser Studie der Weltbank, aus der wichtige Schlussfolgerungen für die Zukunft hervorgehen, zu ersehen ist.