„Kumite ist eine Lebenseinstellung, kein reiner Sport“

Die Temeswarerin Dana Antoneac gewann Bronze bei der Karate-Weltmeisterschaft in Litauen

Karatekämpferin Antoneac: Die nächste Bewegung des Gegners vorher ahnen, das ist die größte Herausforderung.

Dana Antoneac mit Bronzemedaille und blauem Fleck. „Das Siegergefühl bleibt, der Fleck verschwindet“.

Kumite bedeutet, die Bewegung des anderen erahnen, taktisch angreifen, sich rechtzeitig verteidigen.

Dana Antoneac auf dem Podium, dritter Platz bei der Karate-Weltmeisterschaft 2012 in Litauen
Fotos: privat

Der blaue Fleck am rechten Auge erinnert noch an den Wettkampf. Der Blick der Temeswarerin Dana Antoneac (18) bleibt aber immer noch mild und warm. Unbekümmert spricht sie über die Blessur. „Solche Unfälle passieren nun mal in dieser Sportart“, sagt sie. Vielleicht war es eben eine erfolgreiche Mischung von Disziplin, Konzentration, harter Arbeit und einem Tropfen Unbekümmertheit, mit der Dana Antoneac vor wenigen Wochen bei der Karate-Weltmeisterschaft der World Karate Confederation in Litauen in den Wettkampf ging, der ihr in der Kategorie Kumite den dritten Platz in ihrer Altersklasse bescherte. „Ich kann es noch nicht fassen“, so Dana Antoneac, die vor Kurzem 18 Jahre alt wurde und das C. D. Loga-Lyzeum in Temeswar/Timişoara besucht.

Weltweit die Drittbeste

Ein dritter Platz in ihrer Alterskategorie, die Drittbeste der Welt. Bronzemedaille. Und trotzdem: In ihren sanften Rehaugen keimt ein kleines Stück Enttäuschung: „Es war ein dichter Wettstreit. Es waren noch fünf Sekunden. Ich trat gegen eine Russin an“, erinnert sich die Karatekämpferin Antoneac. Wenn sie erzählt, leuchten ihre Augen. In den letzten Spielsekunden war es ursprünglich 4-3, für die Russin. „Anschließend erreichte ich einen Ausgleich, 4-4. Da kam es zu einer Hantei-Wahl, das heißt, der zentrale Kampfrichter entscheidet, wer gewinnt. Es war die Russin, da sie als erste angriff“, so Dana Antoneac.

Die 18-Jährige ist zwar enttäuscht, aber nicht traurig. „Ich muss einfach härter trainieren“, so Antoneac. Sich mit dem Ergebnis zufrieden zu geben, daran musste sie erst mal arbeiten. „Es war eine schwierige Meisterschaft. Es gab keine schwachen Gegner“, sagt sie. Hinzu kam: die Russin war von 400 Mitbürgern angefeuert worden. „Das spielt auch eine Rolle“, sagt Antoneac. Karate ist immerhin noch ein Nischensport in Rumänien, es gibt keine Hunderte von Fans, daher auch keine Sponsoren.

Um an der diesjährigen Weltmeisterschaft in Schaulen, Litauen, teilnehmen zu können, mussten Danas Eltern rund 500 Euro aus der Tasche ziehen. Ein Kampfkimono kostet rund 500 Lei, hinzu kommen noch die monatlichen Trainingskosten. „Es ist nicht leicht, wenn man eine solche Leidenschaft pflegen will. Schade, dass solche Sportler nicht genug gefördert werden. Und damit meine ich auch die Basketballmannschaft, die Handballmannschaft u. a.“, so Dana Antoneac.

Wer nicht arbeitet, wird vom Gegner eingeholt

Nach der Weltmeisterschaft in Litauen hat die 18-Jährige eine wohlverdiente Pause eingelegt und ist ans Meer gefahren. Nun geht es aber weiter. Zum nächsten Wettkampf, zum nächsten Trainingsabend in der Sporthalle im „Bede Shotokan Karate-Do“-Club in Temeswar/Timişoara. Dort verbringt Dana Antoneac seit Jahren den Großteil ihrer Freizeit. Fünf Trainingseinheiten stehen in der Woche auf dem Programm, jeden Tag, von Montag bis Freitag, je zwei Stunden. „Ich habe die Worte meines Trainers László Bede  im Hinterkopf: Wenn ich jetzt nicht arbeite, holt mich der Gegner ein und wird stärker“, sagt Dana Antoneac.

Hartes Training kommt aber nicht ohne Kompromisse aus: Es bleibt noch kaum Zeit für Hobbys, für Freunde. Die besten Freundschaften werden dann doch in der Sporthalle geschlossen, mit Leuten, die die gleiche Leidenschaft teilen. „Ich könnte keinen Freund haben, der keinen Sport treibt, zumindest ein-zweimal in der Woche“, sagt die Karateka und lächelt.

Wenn man Dana Antoneac sprechen hört, so hat man den Eindruck, sie sei viel älter. Karate hat ihr Disziplin verliehen. Den  Verlockungen ihres Alters konnte sie hiermit leicht widerstehen: Keine Zigaretten, kein Tropfen Alkohol, keine schlaflosen Nächte.  „Wer Karate betreibt, darf keinen Alkohol und keine Zigaretten ´genießen´. Man muss auch sehr auf Ernährung achten und dass man genügend schläft.

Eine verlorene Nacht spürt man am nächsten Tag beim Training“, sagt die Kämpferin. Auch mit Saft und Süßigkeiten geht sie bescheiden um. Disziplin und Ausgleich prägen ihre Lebenseinstellung.

„Diese Sportart hat mir eine Art Balance beigebracht, die auch meinen Alltag beeinflusst. Ich kann zum Beispiel Konfliktsituationen besser meistern“, so Antoneac, die mit ihren Schulkollegen eher wenig über ihre Leidenschaft spricht. Auf die Fragen mancher Mitschüler, warum eben Karate und nicht Tanzen oder Ballett, hat sie keine Antwort: „Die Leidenschaft hat man einfach. Man kann sie nicht rechtfertigen“, sagt die 18-Jährige.

Immer wieder Karate, schon seit der zweiten Klasse

„Karate ist kein reiner Sport. Karate ist eine Lebenseinstellung“, meint Dana Antoneac. Sie muss es wissen. Immerhin betreibt sie seit ihrem elften Lebensjahr diese Kampfkunst, also bereits seit sieben Jahren. „Ich habe damals alle möglichen Sportarten versucht. Ich wollte einfach Bewegung machen“, erinnert sich die Sportlerin.

In der zweiten Klasse hatte sie an einer demonstrativen Karatestunde teilgenommen. Seitdem konnte sie diese Leidenschaft nicht mehr lassen, auch wenn es fast jedes Jahr einen Moment gibt, an dem sie sich wünscht, alles aufzugeben und einfach im Bett liegen zu bleiben. „Diese Phase taucht meistens im November-Dezember auf, da gibt es viel Stress in der Schule, mit Semesterarbeiten und Tests. Zugleich muss man auch viel trainieren, da in dieser Zeitspanne viele Wettbewerbe organisiert werden“, erinnert sich Dana Antoneac. Aufgegeben hat sie aber nie und werde es auch in Zukunft nicht tun, so  ihr Versprechen  sich selbst gegenüber. „Das Gefühl, das man in einem Wettkampf hat, ist einzigartig. Man hört nichts, man sieht nichts außer dem Gegner. Ich möchte darauf nie verzichten“, so die Temeswarerin.

Kumite – die Begegnung der Hände

Es ist immer wieder der Gegner, der Dana Antoneac herausfordert. Das Unbekannte, Unerwartete. Die unüberschaubare Situation. Die Bewegung des anderen erahnen, taktisch angreifen, sich rechtzeitig verteidigen – all dies sind die Gründe, warum sich die Sportlerin für Kumite und nicht für Kata entschieden hat.

Kumite, japanisch „Begegnung der Hände“, bezeichnet eine Wettkampf- und Trainingsform in den japanischen Kampfkünsten und -sportarten. Im Wettkampf stellt das Kumite den Kampf zweier Gegner ohne vorherige Absprache der Techniken dar. Bei Kata handelt es sich um stilisierte Kämpfe, welche jedoch gegen imaginäre Gegner geführt werden.

„Kumite stellt für mich eine größere Herausforderung dar. Da weißt du nie, gegen wen du im Kampf antreten wirst und musst dich für jede Situation vorbereiten. Eben dieses Unwissen, das Ungewisse und Unbekannte spornt mich an“, so die Karateka. Ihr Ehrgeiz und ihre Kraft hat sie auch ihrem Trainer  László  Bede zu verdanken, mit dem sie seit der fünften Klasse trainiert. „Er hat mir das Wichtigste beigebracht: Immer ruhig bleiben, egal was im Kampf passiert. Wenn du dein inneres Gleichgewicht verlierst, ist alles vorbei“, erzählt Antoneac, die jetzt in die 12. Klasse geht.

Der Qual der Hochschul-Wahl muss sie sich nicht mehr stellen. Die nächste Etappe steht schon fest: Sportfakultät natürlich, Abteilung: Kinetotherapie. Da kann sie Sport mit Behandlung verknüpfen.  „Die Behandlung und die Reha sind sehr wichtig für Sportler, das habe ich selbst mitbekommen müssen“, so Antoneac, die einmal während eines Kampfs in Ohnmacht gefallen ist. Passiert ist es bei einer Landesmeisterschaft. Da waren auch die Eltern dabei – zum letzten Mal. Den Schreck will sie ihnen nun ersparen. „Ich habe meinen Eltern verboten, mich bei den Wettbewerben zu begleiten. Es ist eine Art Aberglaube, auch wenn ich eigentlich nicht abergläubisch bin“, so die Sportlerin.

Nächstes Ziel: Budapest

Dana Antoneac hat bereits an mehreren Wettkämpfen im In- und Ausland teilgenommen und viele Preise und Anerkennungen abgesahnt. In diesem Jahr belegte sie noch den zweiten Platz bei der Europäischen Karate-Meisterschaft.

Das nächste große Ziel steht auch schon fest. Es ist ein Karate-Wettbewerb, der jährlich in Budapest stattfindet. „Ich habe da bereits zweimal mitgemacht, konnte aber noch keine Medaille gewinnen. Ich will es in diesem Jahr erneut versuchen“, sagt die Kämpferin, die bereits jetzt dem Großereignis im September entgegenfiebert. Ob man für Karate sowohl Talent, als auch Arbeit braucht? Da ist sich Dana Antoneac sicher: Beides. Aber: „Das Talent entdeckt der Trainer und baut dann die dazu entsprechende Technik auf. Die harte Arbeit hängt aber ausschließlich vom Sportler ab und davon hängt es schließlich ab, ob man etwas schafft oder nicht“, beendet Dana Antoneac unser Gespräch.