Letzte „Spionin“ für den Vatikan verstorben

Elisabeth Postolache-Kastel: Zehn Jahre in kommunistischen Kerkern verbracht

Elisabeth Kastel aus Czernowitz in Bukarest als Medizinstudentin vor der Verhaftung 1952.

Die Print- und Internetmedien des Landkreises Suceava brachten nach dem 21. Februar die Nachricht vom Ableben im Alter von 87 Jahren von Elisabeth Antonia Postolache-Kastel in Kaczika/Cacica in der Bukowina. Sie galt als die letzte Überlebende der seinerzeit von den Kommunisten in Bukarest inszenierten großen Schauprozesse gegen treue Vertreter der katholischen Kirchen in Rumänien. Als Studentin im fünften Studienjahr wurde sie am 18. November 1952, am Abend zu Elisabeth, an ihrem Namenstag, in Bukarest auf dem Heimweg von der Fakultät verhaftet – wie etwa weitere 20 Personen. Sie war 23 Jahre alt. In der Gruppe von 12 Personen um Pfarrer Dr. Hieronymus Menges (Dobrudschadeutscher, geboren 1910, gestorben in Bremen 2002) und den katholischen Prälaten Msgr. Prinz Vladimir Ghika wurde sie von einem Bukarester Militärgericht zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt: wegen „Hochverrats“ von „Staatsgeheimnissen“ und wegen Spionage für den „imperialistischen“ Feind Vatikan (Urteil 1234 vom 24. November 1953 für alle Angehörigen der Gruppe).

In der Liste der Verurteilten erscheint sie unter Nr. 7 in der Reihenfolge der „Schwere des Verbrechens“ bzw. der Höhe der Strafe. Sie unterzeichnete und erscheint in den Akten unter dem Namen Elisabeta Castel, weil sie damit ihre deutsche Herkunft väterlicherseits verstecken wollte, um nicht noch weiteren Verdächtigungen ausgesetzt zu werden. Sie stammte aus Czernowitz, wo sie am 4. Mai 1929 geboren wurde und die Volks- und Mittelschule, das rumänische orthodoxe Mädchenlyzeum „Elena Doamna“, besuchte. Nach der Flucht ihrer Eltern aus Czernowitz vor der Roten Armee 1940 gelangte sie mit der Familie als Flüchtling („refugiaţi“) nach Slatina, wo sie das Abitur ablegte. Hier war auch die Mutter von Elisabeth (Paraschiva, orthodox) über die ganze Haftzeit als Chirurgin tätig und bekam keinerlei Nachricht vom Verbleib der Tochter. Im Aluminiumwerk Slatina fand Elisabeth nach Jahren der Rechtlosigkeit auch ihre erste Arbeitsstelle als Übersetzerin (Deutsch, Englisch, Französisch). Nach Bukarest war Elisabeth Kastel durch die Flucht der Eltern aus Czernowitz gelangt, wo sie dann Medizin studierte.

In Verbindung zu den Ereignissen im Bukarester katholischen Kirchengeschehen kam sie infolge der Verwandtschaft zum schon früh (siehe Mitteilungen des geheimen Bischofs und späteren Banater Erzbischofs Adalbert Boros) und heute noch mehr politisch umstrittenen Priester Franz Augustin (Bukowiner, gestorben 1983 in Bukarest), Ordinarius substitutus bis zum Amtsantritt von Bischof Dr. Ioan Robu. Er war Mitverurteilter im oben erwähnten Prozess und später reaktiviert in Verbindung mit dem Nixon-Besuch in Bukarest. Augustin, anfangs Kaplan und Pfarrer im früheren rumänischen Königreich, war ein Vetter ihres Vaters Rudolf Kastel, der 1949 in der Deportation, während der Zwangsarbeit in der Sowjetunion, verstorben ist.

Die Studentin Elisabeth Kastel sang im Bukarester Kirchenchor der Sankt Josefs-Kathedrale und war aktives Mitglied in der katholischen Jugend „Jeanne d’Arc“ der Landeshauptstadt. Volle, schwere und menschenunwürdige zehn Jahre Gefängnis musste sie abbüßen für ihre Treue zu ihrem Glauben und ihrer Kirche. Der Leidensweg führte sie durch die berüchtigten Gefängnisse Uranus (ein Jahr Untersuchungshaft), Jilava, Dumbrăveni, Mislea, ins grausame Frauengefängnis Miercurea Ciuc u. a. Am 15. November 1962 wurde sie entlassen. Aber es folgten noch weitere fünf Jahre der Rechtlosigkeit, Verfolgungen und Bespitzelungen.

Drei der seinerzeit mitverurteilten Priester kamen in der Haftzeit ums Leben. Der Hauptangeklagte, Priester Menges, geheim auserwählter und ernannter Ordinarius für das Bukarester katholische Erzbistum, war zu 20 Jahren schweren Kerker verurteilt worden; er überlebte, nicht aber der wegen Komplizenschaft zum „Verbrechen des Hochverrats“ verurteilte betagte katholische Prälat Msgr. Prinz Ghika (geboren in Konstantinopel, Konvertit, gestorben im Gefängnis am 17. Mai 1954), der 2013 vom Vatikan selig gesprochen wurde. Kastel und Prälat Ghika waren vom gleichen Leutnant der „Securitate“, Gheorghe Mihăilescu, verhört worden. Dieser Untersuchungsoffizier hatte die Unterlagen für die Anklage vor dem territorialen Militärgericht vorbereitet.

Sechs Jahre nach der Entlassung ehelichte Kastel im Geheimen in Bukarest 1970 den Slatinaer Humanarzt und Arztsohn Iuliu Postolache (geb. 1928, später Abteilungsleiter am Kreiskrankenhaus Suceava), ebenfalls ein Flüchtling, und zwar aus Bessarabien. Ab dann zeichnete sie mit dem Doppelnamen Postolache-Kastel. Infolge der Gefängnisjahre blieb die Ehe kinderlos. Das war für sie eine lebenslange Strafe nach eigenen Aussagen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam das Ehepaar nach Suceava, wo, wie in Schäßburg, Schwestern der Mutter von Elisabeth lebten. In der Bezirkshauptstadt wirkten sie segensreich, still und bescheiden. Von hier aus erwarb sich ihr Mann als Facharzt für Infektionskrankheiten 1980 den Doktortitel in Klausenburg/Cluj.

Von der Vorsitzenden des Regionalforums Buchenland, Antonia-Maria Gheorghiu, erfuhren wir, dass Frau Lizi, wie sie alle im Bekanntenkreis nannten und kannten, dem Deutschen Forum seit der Gründung angehörte, nicht nur als einfaches Mitglied, sondern als Helferin, die sich für die Alten, Kranken und Armen engagiert einsetzte. Und das über Suceava hinaus bis in die Behinderten- und Waisen-Kinderheime in Siret/Sereth, die bekanntlich in einem unbeschreiblich schwierigen Zustand waren.

Daran erinnerte auch Pfarrer Iulian Kropp, der die Ärztin persönlich aus seiner Amtszeit in Sereth kannte, in seiner Abschiedsrede am 22. Februar in der katholischen Kapelle des Friedhofs „Pacea“ in Suceava. Sechzehn Priester unter Hauptzelebrant Dechant für die Südbukowina, Pfarrer Iosif Paulet, gestalteten den Trauergottesdienst für diese mutige Frau, die nach 1990 im Verein der katholischen Mediziner des Bistums Jassy/Iaşi führend wirkte und in der Zweigstelle Suceava den Vorsitz inne hatte bis zum Tod ihres Gatten im Jahre 2009. In der Diözese bemühte sie sich in Wort und Schrift um die Rolle der Laien in der katholischen Kirche, Veröffentlichungen bleiben als Zeugnisse. Inzwischen wurden viele Prozessakten und Verhörprotokolle in Rumänien veröffentlicht (beispielsweise in der Zeitschrift „Pro Memoria“ 2004, 2006 ), ausschnittweise auch die von Castel, ebenso Fragmente ihrer Erinnerungen an die Verhöre und den Prozess (Zeitschrift „22“ 2014). Die 26 Aktenordner könnten der Forschung auch zu Fragen der Umsiedlungen der Dobrudschadeutschen 1940 dienen.

Krank und alleinstehend zog sie sich in den letzten Jahren aus dem öffentlichen Leben zurück, fand Aufnahme im Haus des griechisch-katholischen Pfarrers Niculai Niculaiseni von Kaczika, wo sie zuletzt über zwei Jahre als Pflegefall von der Pfarrersfrau Olga bis zum Ableben betreut und umsorgt wurde.
Bei der großen Trauerzeremonie und auf dem letzten Weg wurde die Verstorbene auch von der Vorsitzenden des Deutschen Regionalforums Buchenland, Antonia-Maria Gheorghiu, begleitet, die für alle Vereinsmitglieder das „Gott gebe ihr die ewige Ruhe“ sprach.