Lichtblick für Roşia Montană

Zivilcourage zeigt Früchte: Roşia Montană soll UNESCO-Welterbe und Ökotourismusziel werden

Nachhaltige Pläne für Roşia Montană verkünden im Bauernmuseum (von rechts nach links) Umweltministerin Cristiana Paşca-Palmer, Kulturminister Vlad Alexandrescu, Ştefan Bâlici (Nationales Institut für Kulturerbe), Eugen David (NGO „Alburnus Maior“); daneben Maike van Stiphout (Architekturakademie Amsterdam)
Foto: George Dumitriu

Selten sah man so viel Einigkeit, selten so viele Menschen unterschiedlichen Alters und aus allen sozialen Schichten, wie bei den Demonstrationen gegen das Goldabbauprojekt der Roşia Montană Gold Corporation (RMGC) im Herbst 2013. Der historische Bergbaukomplex mit seiner einzigartigen spezifischen Naturlandschaft soll im Ensemble erhalten bleiben, forderten nicht nur umsiedlungsunwillige lokale Einwohner, die sich in der NGO „Alburnus Maior“ zusammengeschlossen hatten und gegen den geplanten gigantischen Zyanidsee protestierten. Anerkannte Experten aus dem In- und Ausland attestierten dem ausgedehnten Stollensystem mit seinen faszinierenden hydraulischen Anlagen, in dem bereits Daker und Römer schürften, sowie dem dazugehörigen Siedlungskomplex mit teils unerforschten Kultstätten weltweite Einzigartigkeit, die eine Aufnahme in das UNESCO-Welterbe im Ensemble rechtfertige. Die EU-Organisation Europa Nostra hatte Roşia Montană 2013 sogar in die Liste der meistgefährdeten und schützenswerten Kulturerbestätten Europas aufgenommen. Was ist seither geschehen?

Interdisziplinäre Expertengruppe

Im Februar 2016 gab es zum Anlass des 1885. Jahrestags der ersten dokumentarischen Erwähnung Roşia Montanăs –  damals noch unter dem römischen Namen „Alburnus maior“ – im Bukarester Bauernmuseum eine Veranstaltung, auf der Kulturminister Vlad Alexandrescu und Cristiana Paşca-Palmer, Ministerin für Umwelt, Wälder und Gewässer, überraschend die Gründung einer interministeriellen, interdisziplinären Task Force für Roşia Montană ankündigten. Ziel sei die Erarbeitung eines Dossiers für die Aufnahme des historischen Bergbaukomplexes einschließlich spezifischer Naturlandschaften in das Welterbe der UNESCO, sowie die Erstellung eines nachhaltigen Konzeptes für die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Schlagworte wie „Mensch und Umwelt“, „Ökotourismus“, „Branding für lokale Produkte“ und „Erhaltung einer kulturellen Landschaft“ fielen.

„Es ist eine Initiative auf Regierungsebene, etwas Konkretes“, betonte der Minister, als spürte er: Noch liegt Skepsis in der Luft. Ein echter Lichtblick für Roşia Montană – oder nur ein Feigenblatt? Zu schön klingt die Kehrtwende, nachdem sich die Regierung, vor allem aber das Kulturministerium, allzu lange taub gestellt hatten, was die Rettung dieses gigantischen Kulturerbes betraf. Immerhin, es ist eine Aussage vor den Augen der Öffentlichkeit: Vor laufenden Kameras und den tapferen Kämpfern von „Alburnus maior“, die extra zu der Veranstaltung angereist waren. Auf der Facebookseite des Ministers war zu lesen, dass das Zentrum von Roşia Montană im Umkreis von zwei Kilometern auf der Liste der historischen Denkmäler seit Kurzem unter Kategorie A eingestuft ist.

Eugen David, der Landwirt aus Roşia Montană, der die lokalen Widerständler anführte, begrüßt die Initiative, doch richtet er sich auch mit warnenden Worten an den Kulturminister: „Im Hintergrund werden noch viele sein, die Stolpersteine aufstellen.“ Und: „Bisher waren wir alleine und wir wussten, was wir wollten, doch nun wird es viele Interessen geben, die auf-einander prallen.“ Sein Plädoyer: Die lokalen Bewohner in die Pläne mit einzubeziehen, nicht über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden! „Wir sind zum Beispiel dagegen, dass ein Hotel gebaut wird, und wir wollen keine Industrie“, präzisiert er. Skeptisch zeigte sich David, was die für die Aufnahme ins UNESCO-Welterbe erforderliche Kooperation mit den lokalen Behörden betrifft: „Wenn man die jetzt fragt, ob sie für den Erhalt des Kulturerbes sind, kommt zwar ein Ja – aber auch der Zusatz: ‚nachdem das Gold abgebaut wurde‘! Wie soll das zusammengehen?“ Dennoch schwingt auch Freude mit: „Unser Beispiel zeigt, dass wir unser Schicksal gestalten können, und wir werden uns auch in Zukunft nichts aufzwingen lassen. Gott sei mit Roşia Montană!“

Junge Köpfe für Ideen

Der erbitterte Kampf um Roşia Montană bewegte auch im Ausland die Gemüter. Maike van Stiphout, Leiterin der Abteilung für Landschaftsarchitektur an der Akademie für Architektur in Amsterdam, forderte ihre Studenten heraus: Sie sollten sich über eine nachhaltige Zukunft für Roşia Montană Gedanken machen und als freiwilliges Projekt einen Lösungsvorschlag zu einem beliebigen Aspekt erarbeiten. Sieben Studenten und zwei Professoren reisten hierfür nach Rumänien, studierten die Gegebenheiten vor Ort und sprachen mit den Leuten. Die Projekte reichten von Gebäuderestaurationen über die Wiederbelebung des Marktplatzes für lokale Produkte und Kunsthandwerk, einen touristischen „Pfad der Geschichten“, ein Projekt zur Energiegewinnung auf Basis von Wasserkraft unter Verwendung der historischen Erzmühlen als Modelle, bis zu dem Versuch, die enorme Größe des einst geplanten Zyanidsees und dessen Staudamm mithilfe von Skizzen und Modellen zu verdeutlichen.

Die Projekte sollten als Anregung dienen, aber auch den Horizont der holländischen Studenten erweitern. Vor dem Lokalaugenschein hatten sich diese umfassend informiert, erklärt van Stiphout. Doch als sie vor Ort eintrafen, waren sie erstmal so überwältigt, dass sie einen ganzen Tag lang nicht zeichnen konnten. „Sie sind sensibler geworden“, beurteilt sie den Wert der Auslandserfahrung. Ob Roşia Montană auch jetzt schon für Tourismus bereit sei? Maike van Stiphout bejaht kategorisch: „Es gibt viele Leute in den Niederlanden, die das Wilde und Einfache suchen, denn perfekt renovierte Häuser haben wir selbst zur Genüge!“

Lichtblick oder Blendwerk?

Im Interview verrät Minister Alexandrescu: Die Task Force soll Einwohner aus Roşia Montană sowie Experten aus den Ministerien für Kultur, Umwelt, Europa, Wirtschaft und Landwirtschaft an einen Tisch bringen. EU-Fonds sollen angezapft und lokale Behörden eingebunden werden. „Sie werden vermutlich kooperieren“, meinte der Minister auf Nachfrage, „denn das liegt im Interesse der Regierung.“ Die Vision im Ensemble sieht ein integriertes Projekt vor, in dem die Charakteristiken des Ortes berücksichtigt werden. „Also keine Betonhotels“, präzisiert er und ergänzt: „Bereits über 40 Immobilien aus dem 18. und 19. Jahrhundert stehen unter Denkmalschutz und sollen restauriert werden. Man wird Pensionen und Agropensionen einrichten und dort traditionelle Köstlichkeiten Marke ‘Roşia Montană‘, sowie lokales Kunsthandwerk anbieten. Es gibt bereits ein Projekt zum Stricken von Socken und Mützen aus ökologischer Naturwolle. Was einzigartig ist, soll nicht verändert werden – es soll nicht einfach ein ganz gewöhnlicher Ferienort entstehen.“

Also keine Chance mehr für den Goldabbau? „Aus unserer Sicht ist nicht der Goldabbau das Problem, sondern der Schutz der Denkmäler“, erklärt der Minister. „Die Idee des Bergbaus steht dem nicht entgegen, unter der Voraussetzung, dass alle Normen eingehalten werden und entsprechende Genehmigungen vorliegen. Wir sind nicht dagegen, solange nicht 1800 Jahre römische Kultur zerstört werden – acht Kilometer lange Stollen, einzig auf der Welt. Hierauf muss der Akzent liegen. In Roşia Montană wird seit zwei Jahrtausenden Bergbau betrieben und das war nie eine Gefahr. Man kann Möglichkeiten finden, ohne die Dinge zu zerstören, die einzigartig auf der Welt sind.“ Letzteres ist freilich eine Frage der Betrachtung: Wie weit oder eng ist die Definition gefasst? Was kann geopfert werden? Eine Diskussion, die nicht ganz neu ist: Auch RMGC hatte sich einst für den Erhalt eines Teils des Kulturerbes verpflichtet – der Bock wurde zum Gärtner! Ein Lichtblick für Roşia Montană also? Zumindest ein Etappensieg.